Sonntag, 6. Oktober 2013

Gravity (2013)




GRAVITY
USA/Großbritannien 2013
Dt. Erstaufführung: 03.10.2013
Regie: Alfonso Cuarón

In dem PIXAR-Film WALL-E – Der Letzte räumt die Erde auf gibt es eine kurze Szene, in der ein Raumschiff, von der Erde startend, all den Weltraumschrott zur Seite fegt, der den Planeten umkreist. Im Kontext des Animationsfilms ist dies nur ein weiterer Verweis auf die Zerstörung und Verschmutzung, die der Mensch zurückgelassen hat. In Alfonso Cuaróns Gravity wird eben jener Weltraumschrott zur tödlichen Gefahr. Und auch wenn der Film zumindest im Hinblick auf den Orbit der im Film vorkommenden Raumstationen, Satelliten, etc. kreative Freiheiten für sich in Anspruch nimmt, ist es ansonsten ein sich geradezu unheimlich real anfühlender Film. Dies ist Science-fiction, die epische Weltraumschlachten und schleimige Kreaturen nicht nötig hat. Vielmehr ist es eher Science-fact als alles andere. Und als solcher ist Gravity ein erstaunlicher Erfolg auf so gut wie allen Ebenen, 90 Minuten involvierende Unterhaltung, sowohl künstlerisch als auch technisch überzeugend.

Die Astronauten Matt Kowalsky (George Clooney) und Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock) sind mitsamt ihrer Crew dabei, dass Hubble-Weltraumteleskop zu reparieren. Er ist ein alter Hase auf seiner letzten Mission und versucht nebenbei, den Rekord im Weltraumspaziergang zu brechen, sie ist eine Anfängerin, die irgendwann im Laufe des Films die Worte „Ich hasse den Weltraum“ murmeln wird. Als die fehlgeschlagene Sprengung eines russischen Satelliten zu einer unvorhergesehenen Kettenreaktion führt, sieht sich die Crew mit einem Sturm aus Trümmerteilen konfrontiert, der ihr Space Shuttle zerstört und Matt und Ryan als einzige Überlebende frei schwebend im Raum zurücklässt. Mit Hilfe von Matts Jetpack machen sie sich auf den Weg zur evakuierten ISS, um von dort mit einem Landemodul zurück zur Erde zu kommen. Doch, wie eine Texttafel gleich zu Beginn den Zuschauer informiert, ist Leben im All nicht möglich – und die beiden Astronauten werden mit schier unüberwindbaren Hindernissen konfrontiert…

Sieben Jahre hat es gedauert, bis Curaón nach seinem kongenialen Children of Men wieder einen Kinofilm vorlegt. Das Warten hat sich gelohnt und sollte stets diese Qualität dabei herauskommen, kann man als Zuschauer bis zum nächsten Meisterwerk auch wieder sieben Jahre warten – auch wenn man es natürlich nicht hofft. Cuaróns Fähigkeiten zur präzisen Charaktersierung und der Inszenierung von technisch virtuosen, wahrhaft mitreißenden Actionsequenzen, die schon Children of Men zum Ereignis machten, sind auch in Gravity präsent. So ist der Film  eine interessante Mischung aus Blockbuster und Arthouse-Kino, mit einer Balance zwischen ruhigen, geradezu meditativen Momenten (Sandra Bullock, die in der Luftschleuse der ISS einen Moment der Ruhe in der Schwerelosigkeit genießt, gehört zu den besten Momenten des Kinojahres) und nervenzerreißendem Spektakel findet. Die Spannung ist enorm, auch wegen der Musik von Steven Price (Attack the Block), die aufgrund des fehlenden Schalls im All auch die Funktion von Geräuschen übernimmt. Und die Kameraarbeit von Emmanuel Lubezki, der schon Children of Men sowie diverse Terrence Malick-Filme wie Tree of Life ins Szene setzte, sucht Ihresgleichen, auch im Hinblick darauf, dass vieles von dem, was man auf der Leinwand sieht, erst in der Postproduktion eingesetzt werden konnte. Lubezkis Arbeit sieht aber aus, als wäre sie on location entstanden und empfiehlt sich allein deshalb schon für jeden denkbaren Kinematografie-Preis. 

Durch die klobigen Raumanzüge sind Clooney und Bullock in ihrem körperlichen Spiel stark eingeschränkt, machen dies aber durch Mimik und Stimme wieder wett. Vor allem Bullocks Arbeit ist beeindruckend und beiden gelingt es, existenzialistische Fragen mit ihren Augen zu transportieren. Das Überleben bekommt man bei Curaón nicht geschenkt, man muss sich ständig neu dafür entscheiden, die Hoffnung, die seinen Filmen innewohnt, will verdient, erkämpft werden. Gravity ist neben der Existenz als Weltraum-Thriller auch ein Film über das (Über-)Leben, wie es im Grunde in jeder Sekunde neu verhandelt werden muss und wie sich eine Situation wie die dargestellte als Stand-In für jede Extremsituation auch unterschiedliche Charaktere auswirkt. Bullocks Ryan steht dabei in einer Tradition starker Frauen im Science-fiction-Genre, auch wenn von ihr eine andere Stärke verlangt wird als von Ellen Ripley in den Alien-Filmen. Parallelen sind allerdings unverkennbar.

Alles, was schief gehen kann, geht auf der in Gravity dargestellten Mission auch schief. Und der Zuschauer ist dank einer perfekten Regie, perfekten Darstellern, perfekter Musik und Kamera immer hautnah dabei. Die Spezialeffekte sind state-of-the-art, ob man das 3D im herkömmlichen Kino gebraucht hätte, steht zwar zur Disposition, aber immerhin ist es keine solche Monstrosität, die einem sonst oft vorgesetzt wird. Gravity ist pures Kino, einerseits ein Fest der Kinetik, des Machbaren, andererseits eine stellvertretende Grenzerfahrung. Am Ende entsteigen wir als Zuschauer zusammen mit Ryan dem Urozean, sind wiedergeboren, erschöpft und unendlich froh, am Leben zu sein. Trotzdem hält man sich nach dem Kinobesuch sicherheitshalber noch an allem fest, was sich bietet. Man kann ja nie wissen. Für Filme wie Gravity wurden die Lichtspiele erfunden.



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