GRAVITY
USA/Großbritannien 2013
Dt. Erstaufführung: 03.10.2013
Regie: Alfonso Cuarón
USA/Großbritannien 2013
Dt. Erstaufführung: 03.10.2013
Regie: Alfonso Cuarón
In dem PIXAR-Film WALL-E
– Der Letzte räumt die Erde auf gibt es eine kurze Szene, in der ein
Raumschiff, von der Erde startend, all den Weltraumschrott zur Seite fegt, der
den Planeten umkreist. Im Kontext des Animationsfilms ist dies nur ein weiterer
Verweis auf die Zerstörung und Verschmutzung, die der Mensch zurückgelassen
hat. In Alfonso Cuaróns Gravity wird
eben jener Weltraumschrott zur tödlichen Gefahr. Und auch wenn der Film
zumindest im Hinblick auf den Orbit der im Film vorkommenden Raumstationen,
Satelliten, etc. kreative Freiheiten für sich in Anspruch nimmt, ist es
ansonsten ein sich geradezu unheimlich real anfühlender Film. Dies ist
Science-fiction, die epische Weltraumschlachten und schleimige Kreaturen nicht
nötig hat. Vielmehr ist es eher Science-fact als alles andere. Und als solcher
ist Gravity ein erstaunlicher Erfolg
auf so gut wie allen Ebenen, 90 Minuten involvierende Unterhaltung, sowohl
künstlerisch als auch technisch überzeugend.
Die Astronauten Matt Kowalsky (George Clooney) und Dr. Ryan
Stone (Sandra Bullock) sind mitsamt ihrer Crew dabei, dass
Hubble-Weltraumteleskop zu reparieren. Er ist ein alter Hase auf seiner letzten
Mission und versucht nebenbei, den Rekord im Weltraumspaziergang zu brechen,
sie ist eine Anfängerin, die irgendwann im Laufe des Films die Worte „Ich hasse
den Weltraum“ murmeln wird. Als die fehlgeschlagene Sprengung eines russischen
Satelliten zu einer unvorhergesehenen Kettenreaktion führt, sieht sich die Crew
mit einem Sturm aus Trümmerteilen konfrontiert, der ihr Space Shuttle zerstört
und Matt und Ryan als einzige Überlebende frei schwebend im Raum zurücklässt.
Mit Hilfe von Matts Jetpack machen sie sich auf den Weg zur evakuierten ISS, um
von dort mit einem Landemodul zurück zur Erde zu kommen. Doch, wie eine
Texttafel gleich zu Beginn den Zuschauer informiert, ist Leben im All nicht
möglich – und die beiden Astronauten werden mit schier unüberwindbaren
Hindernissen konfrontiert…
Sieben Jahre hat es gedauert, bis Curaón nach seinem
kongenialen Children of Men wieder
einen Kinofilm vorlegt. Das Warten hat sich gelohnt und sollte stets diese
Qualität dabei herauskommen, kann man als Zuschauer bis zum nächsten
Meisterwerk auch wieder sieben Jahre warten – auch wenn man es natürlich nicht
hofft. Cuaróns Fähigkeiten zur präzisen Charaktersierung und der Inszenierung von
technisch virtuosen, wahrhaft mitreißenden Actionsequenzen, die schon Children of Men zum Ereignis machten,
sind auch in Gravity präsent. So ist
der Film eine interessante Mischung aus
Blockbuster und Arthouse-Kino, mit einer Balance zwischen ruhigen, geradezu
meditativen Momenten (Sandra Bullock, die in der Luftschleuse der ISS einen
Moment der Ruhe in der Schwerelosigkeit genießt, gehört zu den besten Momenten
des Kinojahres) und nervenzerreißendem Spektakel findet. Die Spannung ist
enorm, auch wegen der Musik von Steven Price (Attack the Block), die aufgrund des fehlenden Schalls im All auch
die Funktion von Geräuschen übernimmt. Und die Kameraarbeit von Emmanuel
Lubezki, der schon Children of Men
sowie diverse Terrence Malick-Filme wie Tree
of Life ins Szene setzte, sucht Ihresgleichen, auch im Hinblick darauf,
dass vieles von dem, was man auf der Leinwand sieht, erst in der Postproduktion
eingesetzt werden konnte. Lubezkis Arbeit sieht aber aus, als wäre sie on location entstanden und empfiehlt
sich allein deshalb schon für jeden denkbaren Kinematografie-Preis.
Durch die klobigen Raumanzüge sind Clooney und Bullock in
ihrem körperlichen Spiel stark eingeschränkt, machen dies aber durch Mimik und
Stimme wieder wett. Vor allem Bullocks Arbeit ist beeindruckend und beiden
gelingt es, existenzialistische Fragen mit ihren Augen zu transportieren. Das
Überleben bekommt man bei Curaón nicht geschenkt, man muss sich ständig neu
dafür entscheiden, die Hoffnung, die seinen Filmen innewohnt, will verdient,
erkämpft werden. Gravity ist neben
der Existenz als Weltraum-Thriller auch ein Film über das (Über-)Leben, wie es
im Grunde in jeder Sekunde neu verhandelt werden muss und wie sich eine
Situation wie die dargestellte als Stand-In für jede Extremsituation auch unterschiedliche
Charaktere auswirkt. Bullocks Ryan steht dabei in einer Tradition starker
Frauen im Science-fiction-Genre, auch wenn von ihr eine andere Stärke verlangt
wird als von Ellen Ripley in den Alien-Filmen.
Parallelen sind allerdings unverkennbar.
Alles, was schief gehen kann, geht auf der in Gravity dargestellten Mission auch
schief. Und der Zuschauer ist dank einer perfekten Regie, perfekten
Darstellern, perfekter Musik und Kamera immer hautnah dabei. Die Spezialeffekte
sind state-of-the-art, ob man das 3D
im herkömmlichen Kino gebraucht hätte, steht zwar zur Disposition, aber
immerhin ist es keine solche Monstrosität, die einem sonst oft vorgesetzt wird.
Gravity ist pures Kino, einerseits
ein Fest der Kinetik, des Machbaren, andererseits eine stellvertretende
Grenzerfahrung. Am Ende entsteigen wir als Zuschauer zusammen mit Ryan dem
Urozean, sind wiedergeboren, erschöpft und unendlich froh, am Leben zu sein.
Trotzdem hält man sich nach dem Kinobesuch sicherheitshalber noch an allem
fest, was sich bietet. Man kann ja nie wissen. Für Filme wie Gravity wurden die Lichtspiele erfunden.
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