DER TAG WIRD KOMMEN
(Le grand soir)
Frankreich/Belgien/Deutschland 2012
Dt. Erstaufführung: 02.05.2013
Regie: Gustave de Kervern & Benoît Delépine
(Le grand soir)
Frankreich/Belgien/Deutschland 2012
Dt. Erstaufführung: 02.05.2013
Regie: Gustave de Kervern & Benoît Delépine
Mit dem Humor ist es so eine Sache. Was für den einen ein
Garant für einen abendfüllenden Lachanfall ist, lässt den anderen kalt. Was der
eine als grandiosen Humor tituliert, hält der andere für stumpfsinnigen
Blödsinn. Ländergrenzen und –mentalitäten mögen dabei eine Rolle spielen. So
hat der US-amerikanische Humor eher einen brachialen Ruf, der britische einen
respektlos-anarchischen und der französische einen … bizarren. Der Tag wird kommen vom in Frankreich
hochgeschätzten Duo Gustave de Kervern und Benoît Delépine (Mammuth, Louise Hires a Contract Killer) ist eine perfekte Bestätigung
dieses Vorurteils. Irgendwo zwischen Helge Schneider, schwarzer Komödie und
Tagtraum angesiedelt, ist Der Tag wird kommen eher eine Aneinanderreihung von
mal mehr, mal weniger erfolgreichen Schrulligkeiten denn eine stringent
erzählte Geschichte. Das hat einen gewissen Reiz, ist bei 90 Minuten Lauflänge
aber auch mitunter etwas enervierend.
Benoît (Benoît Poelvoorde) nennt sich selbst Not und ist nach eigener
Aussage der älteste Punk mit Hund in Europa. Ohne Ziel und Antrieb verbringt er
seine Tage auf dem Parkplatz eines besonders hässlichen Einkaufszentrums, in
dem sein Bruder Jean-Pierre (Albert Dupontel) als Matratzenverkäufer arbeitet.
Dessen scheinbar geordnetes Spießerleben gerät allerdings aus den Fugen, als er
nacheinander seinen Job, seine Familie und seine Hoffnung verliert. So kriecht
er bei Benoît unter die Flügel und wird langsam selbst zum Punk.
Es gibt diverse schmerzlich vorhersehbare Momente in Der Tag wird kommen, aber mindestens
ebenso viele Momente nahe an der Grenze zur Genialität. Besonders Brigitte
Fontaine und Areski Belkacem als Elternpaar der Versagersöhne glänzen mit einem
grandios apathischen Spiel und lakonisch vorgetragenen Sätzen wie „Wir wollten
es euch ja sagen, als ihr 18 wurdet. Aber so richtig erwachsen geworden seid
ihr ja nicht.“ Ansonsten hat der Humor auch immer einen melancholischen, fast
schon offen depressiven Einschlag. Wenn ein Mann bei Jean-Pierre eine Matratze
Probe liegt und ihm dann offenbart, dass er sich Notizen machen und das Objekt
der Begierde dann im Internet günstiger kaufen wird, so ist diese Szene in
ihrem ganzen Sein recht grotesk angelegt, aber auch von einer gewissen
Bitterkeit erfüllt. Auch Jean-Pierres Nervenzusammenbruch, in dessen Verlauf er
unbedarfte Passanten von den Vorzügen einer Tempur-Matratze zu überzeugen
versucht, ist gleichzeitig witzig und emotional schwer durchzustehen. Oder es
sei noch ein missglückter Selbstmordversuch erwähnt, der von einer
Sprinkleranlage vereitelt wird. Der Tag
wird kommen macht keinen Hehl daraus, dass seine Prämisse eigentlich wenig
Anlass zu Freude gibt und dass der Wahnsinn, in den die Brüder zusehends
abdriften, schon fast als einzig mögliche Alternative zur Monotonie des Lebens,
wie es die beiden Regisseure sehen, gewertet werden muss. Das ist nicht gerade
aufbauend, sorgt aber für einige gute – und vor allem lustige – Ideen.
Benoît Poelvoorde (Nichts zu
verzollen, Mann beißt Hund) und
der hierzulande ziemlich unbekannte Albert Dupontel haben sichtlich Spaß an
ihren Looserfiguren. Poelvoorde oszilliert zwischen charmanten Versager und jener
Art Punk, die der Bewegung einen schlechten Ruf verschaffen. Dupontel darf vor
allem im Zuge seines Abstiegs voll aufdrehen und sich als imaginärer
Westernheld generieren, der in seiner halsbrecherischen Armseligkeit nur die
nächste Lachnummer auf YouTube werden
kann. Und Gérard Depardieu hat einen Gastauftritt als Schamane, der aus
Alkoholika die Zukunft voraussagen kann.
Der Tag wird kommen setzt ein Herz für Sinnlosigkeit
voraus. Nicht nur, dass sich der Film einer Erlösung verweigert, also kein
dramaturgisch konformes Ende findet, er aalt sich auch geradezu in der
Vorstellung eben jener Sinnlosigkeit allen Tuns. Man mag die Erkenntnis, dass
ein brennender Heuballen auch ein Kickstarter für eine Revolution sein kann,
als zufriedenstellendes Ende sehen. Oder nur als weitere Vignette von dem
Schlag wie wenn Benoît im Supermarkt mit einer fremden, aber offensichtlich ebenso
verlorenen Seele Schnaps kaufen geht. In der Verweigerungshaltung, die Der Tag wird kommen an den Tag legt, wohnt
etwas dem Punk-Sujet entsprechend anarchistisches inne. Das ist aber nur in
kleineren Dosen vollends befriedigend. Am Ende können einige hervorragend
witzige Sequenzen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film als solcher
genauso ins Leere läuft wie die Sinnlosigkeit der Revolution, des Aufbegehrens,
die er durch seine Protagonisten so anprangert.
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