DER MONDMANN
Deutschland/Frankreich/Irland 2012
Dt. Erstaufführung: 14.03.2013
Regie: Stephan Schesch & Sarah Clara Weber
Dt. Erstaufführung: 14.03.2013
Regie: Stephan Schesch & Sarah Clara Weber
Die Erinnerung ist etwas wehmütig:
Spike Jonze gelang 2009 mit der Adaption des Bilderbuchklassikers Wo die wilden Kerle wohnen eine
beeindruckende Leistung, die nicht nur dem Ton der Vorlage gerecht wurde,
sondern diese mit den Mitteln des Films großartig ausstaffierte, bereicherte.
Gleiches kann man über die Verfilmung des Tomi Ungerer Buches nicht sagen. Zwar
gelingt die ästhetische Umsetzung erstaunlich gut und wenn man Der Mondmann wirklich als verfilmtes
Bilderbuch begreift, dann ist das Unterfangen gar gelungen. Doch es mangelt
nicht nur an Tempo, sondern auch an Stringenz.
Dem Mann im Mond ist langweilig und als ein Komet des Weges
kommt, packt er die Gelegenheit buchstäblich und lässt sich von ihm gen Erde
ziehen. Dort erwartet ihn eine ungeahnte Wunderwelt aus Pflanzen und Tieren,
Natur und Kultur. Doch nicht alles ist im Lot in dieser Welt: der egomanische
Präsident der Erde, der den gesamten Planeten eingenommen hat, will auf den
Mond expandieren und präsentiert den friedlichen Besucher als Bedrohung, derer
er Herr werden muss. Zusammen mit dem genialen Erfinder Bunsen van der Dunkel
sucht der Mondmann nach einer Möglichkeit, vor dem Präsidenten seinen
angestammten Platz im Mond wieder einzunehmen. Zumal durch seine Abwesenheit
die Kinder der Welt nicht mehr schlafen können…
Gestalterisch nah dran an Ungerer Zeichnungen variiert die
Qualität der Animation ständig. Mal sind die Bewegungen wunderbar flüssig, mal
so ungelenk, als hätte man diverse Zwischenphasen vergessen. Das mag kleinen
Zuschauern nicht weiter auffallen, Erwachsene sind solidere Arbeiten gewohnt.
Für sie werden dafür diverse Elemente eingebaut, die über das Verständnis der
unter sechsjährigen hinaus gehen dürften. So gibt es beispielsweise eine
angedeutete Sexszene in Der Mondmann.
Auch in Form der lasziven wie intriganten Conquistadora (Stimme von Corinna
Harfouch), die dramaturgisch völlig verpufft, mischt sich der
Kinderbuch-Ungerer mit dem politischen wie erotischen Zeichner Ungerer, was dem
Film nicht zum Vorteil gereicht. Die Balance, die beispielsweise das Studio DreamWorks
im Großen und Ganzen recht gut beherrscht, wird hier nicht erreicht. Der
Duktus, der sich jeglicher Aufregung verweigert, richtet sich eindeutig an ein
sehr junges Publikum, Elemente wie der totalitäre Präsident und eben jene
Sexszene sind eher für Erwachsene zu dechiffrieren, die nach den 95 Minuten
Spielzeit wahrscheinlich eher froh sein werden, dass es vorbei ist. Der Mondmann ist mindestens 20 Minuten
zu lang geraten, überfordert so die allerkleinsten Zuschauer und strapaziert
die Geduld der Älteren. Europäische Zeichentrickfilme, gerade Kinderfilme,
verstehen sich oft als Gegenpart zu den aufgedrehten US-Produktionen, was an
sich erst mal löblich ist, im Fall des Mondmanns
aber nach hinten los geht. Dies ist eine maßgeblich deutsche Produktion und
trotz französischer Beteiligung wagte man wohl keinen Blick ins Nachbarland, in
dem ambitionierte, ruhige, aber dabei nicht so schleppende Kinderfilme
entstehen (Das Geheimnis der Frösche).
Trotz der unentschlossenen Geschichte, die etwas über
Fremdenfeindlichkeit und totalitäre Regime bei gleichzeitiger märchenhafter
Grundstimmung zu erzählen versucht, ist Der
Mondmann ästhetisch für alle Zuschauer ein Fest. Es liegt viel Poetik in
den satten Bildern, die eine schon an Jim Jarmusch erinnernde Atmosphäre der
Nacht schaffen, was sicher auch an dem interessanten Soundtrack liegt, der
neben dem Volkslied Der Mond ist
aufgegangen auch Iron Butterfly beinhaltet. Dazu kommen die herzigen, skurrilen
Figuren, allen voran der Mondmann selbst, der mit der Stimme von E.T. spricht
(eigentlich Katharina Thalbach, es könnte aber auch der Spielberg’sche Gnom
sein) und eine Freundschaft mit dem Erfinder Bunsen van der Dunkel (Thomas
Kästner) eingeht, der auch aus einer Käpt’n
Blaubär-Episode stammen könnte. Ulrich Tukur als Präsident hat einige
witzige Zeilen („Ich fühle mich wie Bismarck vor den Heringen“ sagt er im
Augenblick eines Triumphs) und ein Vater/Tochter-Gespann (Ulrich Noethen und
Elena Kreil) durchfährt die Nacht von Autokino zu Autokino und haben eine Hündin
namens Laika dabei. Details wie diese Namensgebung durchbrechen immer wieder
den trägen Fluss der Dramaturgie, witzige visuelle wie sprachliche Einfälle
halten das Interesse einigermaßen wach.
So ist Der Mondmann
ein Film, den man schwer hassen, aber auch nicht so lieben kann, wie man es
sich wünscht. Künstlerisch überzeugend vergehen die 95 Minuten dennoch viel zu
langsam. Haben die US-Produktionen darum ihr Teufelswerk erfolgreich erledigt?
Oder liegt es schlicht daran, dass die Regisseure Stephan Schesch und Sarah
Clara Weber einen Hang zur Langatmigkeit haben? Wie auch immer, am Ende kann
man sich des Gefühls nicht erwehren, dass man a) besser mit dem Bilderbuch
bedient ist, b) dazu ja auch Moon River
von CD abspielen kann und c) sich auf die Dokumentation Far Out Isn’t Far Enough: The Tomi Ungerer Story freuen sollte.
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