Mittwoch, 23. Oktober 2013

Der Mondmann (2012)




DER MONDMANN
Deutschland/Frankreich/Irland 2012
Dt. Erstaufführung: 14.03.2013
Regie: Stephan Schesch & Sarah Clara Weber

Die Erinnerung ist etwas wehmütig: Spike Jonze gelang 2009 mit der Adaption des Bilderbuchklassikers Wo die wilden Kerle wohnen eine beeindruckende Leistung, die nicht nur dem Ton der Vorlage gerecht wurde, sondern diese mit den Mitteln des Films großartig ausstaffierte, bereicherte. Gleiches kann man über die Verfilmung des Tomi Ungerer Buches nicht sagen. Zwar gelingt die ästhetische Umsetzung erstaunlich gut und wenn man Der Mondmann wirklich als verfilmtes Bilderbuch begreift, dann ist das Unterfangen gar gelungen. Doch es mangelt nicht nur an Tempo, sondern auch an Stringenz.

Dem Mann im Mond ist langweilig und als ein Komet des Weges kommt, packt er die Gelegenheit buchstäblich und lässt sich von ihm gen Erde ziehen. Dort erwartet ihn eine ungeahnte Wunderwelt aus Pflanzen und Tieren, Natur und Kultur. Doch nicht alles ist im Lot in dieser Welt: der egomanische Präsident der Erde, der den gesamten Planeten eingenommen hat, will auf den Mond expandieren und präsentiert den friedlichen Besucher als Bedrohung, derer er Herr werden muss. Zusammen mit dem genialen Erfinder Bunsen van der Dunkel sucht der Mondmann nach einer Möglichkeit, vor dem Präsidenten seinen angestammten Platz im Mond wieder einzunehmen. Zumal durch seine Abwesenheit die Kinder der Welt nicht mehr schlafen können…

Gestalterisch nah dran an Ungerer Zeichnungen variiert die Qualität der Animation ständig. Mal sind die Bewegungen wunderbar flüssig, mal so ungelenk, als hätte man diverse Zwischenphasen vergessen. Das mag kleinen Zuschauern nicht weiter auffallen, Erwachsene sind solidere Arbeiten gewohnt. Für sie werden dafür diverse Elemente eingebaut, die über das Verständnis der unter sechsjährigen hinaus gehen dürften. So gibt es beispielsweise eine angedeutete Sexszene in Der Mondmann. Auch in Form der lasziven wie intriganten Conquistadora (Stimme von Corinna Harfouch), die dramaturgisch völlig verpufft, mischt sich der Kinderbuch-Ungerer mit dem politischen wie erotischen Zeichner Ungerer, was dem Film nicht zum Vorteil gereicht. Die Balance, die beispielsweise das Studio DreamWorks im Großen und Ganzen recht gut beherrscht, wird hier nicht erreicht. Der Duktus, der sich jeglicher Aufregung verweigert, richtet sich eindeutig an ein sehr junges Publikum, Elemente wie der totalitäre Präsident und eben jene Sexszene sind eher für Erwachsene zu dechiffrieren, die nach den 95 Minuten Spielzeit wahrscheinlich eher froh sein werden, dass es vorbei ist. Der Mondmann ist mindestens 20 Minuten zu lang geraten, überfordert so die allerkleinsten Zuschauer und strapaziert die Geduld der Älteren. Europäische Zeichentrickfilme, gerade Kinderfilme, verstehen sich oft als Gegenpart zu den aufgedrehten US-Produktionen, was an sich erst mal löblich ist, im Fall des Mondmanns aber nach hinten los geht. Dies ist eine maßgeblich deutsche Produktion und trotz französischer Beteiligung wagte man wohl keinen Blick ins Nachbarland, in dem ambitionierte, ruhige, aber dabei nicht so schleppende Kinderfilme entstehen (Das Geheimnis der Frösche).

Trotz der unentschlossenen Geschichte, die etwas über Fremdenfeindlichkeit und totalitäre Regime bei gleichzeitiger märchenhafter Grundstimmung zu erzählen versucht, ist Der Mondmann ästhetisch für alle Zuschauer ein Fest. Es liegt viel Poetik in den satten Bildern, die eine schon an Jim Jarmusch erinnernde Atmosphäre der Nacht schaffen, was sicher auch an dem interessanten Soundtrack liegt, der neben dem Volkslied Der Mond ist aufgegangen auch Iron Butterfly beinhaltet. Dazu kommen die herzigen, skurrilen Figuren, allen voran der Mondmann selbst, der mit der Stimme von E.T. spricht (eigentlich Katharina Thalbach, es könnte aber auch der Spielberg’sche Gnom sein) und eine Freundschaft mit dem Erfinder Bunsen van der Dunkel (Thomas Kästner) eingeht, der auch aus einer Käpt’n Blaubär-Episode stammen könnte. Ulrich Tukur als Präsident hat einige witzige Zeilen („Ich fühle mich wie Bismarck vor den Heringen“ sagt er im Augenblick eines Triumphs) und ein Vater/Tochter-Gespann (Ulrich Noethen und Elena Kreil) durchfährt die Nacht von Autokino zu Autokino und haben eine Hündin namens Laika dabei. Details wie diese Namensgebung durchbrechen immer wieder den trägen Fluss der Dramaturgie, witzige visuelle wie sprachliche Einfälle halten das Interesse einigermaßen wach.

So ist Der Mondmann ein Film, den man schwer hassen, aber auch nicht so lieben kann, wie man es sich wünscht. Künstlerisch überzeugend vergehen die 95 Minuten dennoch viel zu langsam. Haben die US-Produktionen darum ihr Teufelswerk erfolgreich erledigt? Oder liegt es schlicht daran, dass die Regisseure Stephan Schesch und Sarah Clara Weber einen Hang zur Langatmigkeit haben? Wie auch immer, am Ende kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass man a) besser mit dem Bilderbuch bedient ist, b) dazu ja auch Moon River von CD abspielen kann und c) sich auf die Dokumentation Far Out Isn’t Far Enough: The Tomi Ungerer Story freuen sollte.



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