Donnerstag, 26. September 2013

Lincoln (2012)




LINCOLN
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 24.01.2013
Regie: Steven Spielberg

1864/1865: Der amerikanische Sezessionskrieg tobt, die Konföderierten Staaten des Südens kämpfen dabei auch um die Beibehaltung der Sklaverei. Diese gedenkt der gerade wiedergewählte republikanische Präsident Abraham Lincoln (Daniel Day-Lewis) mithilfe des 13. Zusatzartikels abzuschaffen. Nachdem der Senat bereits zugestimmt hat, muss Lincoln für sein Vorhaben nun noch eine Zweidrittelmehrheit im Repräsentantenhaus finden, was sich als ziemlich schwierig erweist. Denn es gibt nicht nur Vorbehalte auf Seiten der rivalisierenden demokratischen Partei, sondern auch in den eigenen Reihen. Eine ethisch historische Entscheidung droht zu kippen…

Lincoln wirft den unbedarften europäischen Zuschauer mitten hinein in den Strudel der Geschichte, in dem er sich zunächst zurechtfinden muss. Allerdings schafft er immerhin das, was ein Geschichtsdrama ausmachen sollte: Interesse wecken. Als Film betrachtet hat Steven Spielbergs Werk seine Schwächen, aber immerhin ist man danach nicht abgeneigt, auf eigene Faust mehr über den 16. Präsidenten der USA und den Weg zur Abschaffung der Sklaverei herauszufinden. Und das ist ein ziemlich großes Kompliment hinsichtlich des streng genommen ziemlich durchwachsenen Drehbuchs von Tony Kushner.

Lincoln ist ein wortgewaltiger Film, dessen historischer Stoff am besten in den Sequenzen im Repräsentantenhaus funktioniert. Dann erwacht die Geschichte wahrlich zum Leben, wann immer der Film diesen Rahmen verlässt, verfällt er mitunter in langatmigen Pathos. Oder in schlichte Albernheiten wie die zu Beginn stattfindende Begegnung zwischen Lincoln und zwei schwarzen Soldaten, die nicht nur in spielberg’scher Weichspüler-Manie endet, sondern auch gleich noch ein weiteres Problem des Films illustriert: über die (ehemaligen) Sklaven wird gesprochen, als Akteure treten sie nicht in Aktion. Es bleibt abzuwarten, ob der kommende Twelve Years A Slave ein ausgewogeneres Bild über ethnische Grabenkämpfe in dieser Zeit liefern wird. In Lincoln reden Weiße darüber, ob sie sich besser fühlen würden, wenn sie sich nicht mehr unmenschlich verhalten würden. Dies soll in keinster Weise Lincolns Verdienste kleinreden, aber ausgewogen ist der 150 Minuten lange Film nicht. So taugt er nicht als Sittenbild des Jahres 1865, wohl aber als Film über politische Ränkelspielchen. Neben den Debatten im Repräsentantenhaus sind die leichtfüßig inszenierten Bestechungen und „Überzeugungsversuche“ gegenüber dem politischen Gegner die besten Elemente des Films. Ganz nebenbei stellt Lincoln so auch die Frage in den Raum, ob Täuschungsmanöver im Hinblick auf ein höheres Ziel in der Politik nicht manchmal angebracht sind, ohne diese Frage explizit zu beantworten. Sicherlich, die Abschaffung der Sklaverei ist ein solch höheres Ziel, aber die Beteiligten sind sich durchaus bewusst, dass es nicht politisch sauber erkämpft wurde. So demonstriert der Film anhand der Historie ein geradezu augenzwinkerndes Politikverständnis.

In der deutschen Synchronisation geht Daniel Day-Lewis‘ Arbeit als Lincoln ziemlich unter, da man die sehr eigene Sprechweise des Präsidenten nicht hinüberretten konnte. Doch auch unter diesem Gesichtspunkt wirkt Abraham manchmal wie eine geradezu irritierende, prätentiöse Figur. Irgendwann werden die plötzlich zum Besten gegebenen Anekdoten doch etwas zu viel des Guten. So erscheint es etwas ungerecht, dass Tommy Lee Jones bei den Oscars leer ausging, ist seine Darbietung als Thaddeus Stevens doch so etwas wie das heimliche Highlight des Films. Mehr noch, eine kurze Recherche (Wikipedia reicht aus) macht außerdem deutlich, dass ein Biopic über Stevens auch ein lohnenswertes Projekt gewesen wäre.

Bei all den funktionierenden Elementen des Films erweckt das Gesamtergebnis aber ein Gefühl der Fleißarbeit. Lincoln ist sauber recherchiert und handwerklich solide umgesetzt, aber der Stab macht aus dem Film keinen herausragenden Film. Das streckenweise etwas zähe Drehbuch von Kushner wurde bereits erwähnt, aber auch Janusz Kaminski hinter der Kamera und Michael Kahn im Schnittraum laufen auf Autopilot. Und die Musik von John Williams ist gleichzeitig penetrant und nichtssagend. Es steckt sehr viel filmtechnische Routine in Spielbergs Film, der in den 2 ½ Stunden unter dem Strich zu selten zu der Größe aufläuft, die ihm eigentlich innewohnt. Das ständige oszillieren zwischen geschliffenen Dialogen und weniger gelungenen melodramatischen Elementen ist etwas anstrengend. Lincoln ist kein Good Night, and Good Luck, ebenfalls ein geschichtliches Drama, aber deutlich involvierender und handwerklich wagemutiger.

Doch so sehr Lincoln auch ein filmisch durchwachsenes Werk ist, seine Höhen haben diese Bezeichnung wirklich verdient und Interesse kann er auch wecken. Und vielleicht muss man es so sehen: Spielberg hat zwar keinen so gelungenen Geschichtsfilm wie The King’s Speech gedreht, aber zumindest von einer Guido-Knopp-Dokumentation ist er ebenso weit entfernt. Das ist auch etwas wert, irgendwie.



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