LINCOLN
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 24.01.2013
Regie: Steven Spielberg
Dt. Erstaufführung: 24.01.2013
Regie: Steven Spielberg
1864/1865: Der amerikanische
Sezessionskrieg tobt, die Konföderierten Staaten des Südens kämpfen dabei auch
um die Beibehaltung der Sklaverei. Diese gedenkt der gerade wiedergewählte
republikanische Präsident Abraham Lincoln (Daniel Day-Lewis) mithilfe des 13.
Zusatzartikels abzuschaffen. Nachdem der Senat bereits zugestimmt hat, muss
Lincoln für sein Vorhaben nun noch eine Zweidrittelmehrheit im
Repräsentantenhaus finden, was sich als ziemlich schwierig erweist. Denn es
gibt nicht nur Vorbehalte auf Seiten der rivalisierenden demokratischen Partei,
sondern auch in den eigenen Reihen. Eine ethisch historische Entscheidung droht
zu kippen…
Lincoln wirft den
unbedarften europäischen Zuschauer mitten hinein in den Strudel der Geschichte,
in dem er sich zunächst zurechtfinden muss. Allerdings schafft er immerhin das,
was ein Geschichtsdrama ausmachen sollte: Interesse wecken. Als Film betrachtet
hat Steven Spielbergs Werk seine Schwächen, aber immerhin ist man danach nicht
abgeneigt, auf eigene Faust mehr über den 16. Präsidenten der USA und den Weg
zur Abschaffung der Sklaverei herauszufinden. Und das ist ein ziemlich großes
Kompliment hinsichtlich des streng genommen ziemlich durchwachsenen Drehbuchs
von Tony Kushner.
Lincoln ist ein
wortgewaltiger Film, dessen historischer Stoff am besten in den Sequenzen im Repräsentantenhaus
funktioniert. Dann erwacht die Geschichte wahrlich zum Leben, wann immer der
Film diesen Rahmen verlässt, verfällt er mitunter in langatmigen Pathos. Oder
in schlichte Albernheiten wie die zu Beginn stattfindende Begegnung zwischen
Lincoln und zwei schwarzen Soldaten, die nicht nur in spielberg’scher Weichspüler-Manie
endet, sondern auch gleich noch ein weiteres Problem des Films illustriert:
über die (ehemaligen) Sklaven wird gesprochen, als Akteure treten sie nicht in
Aktion. Es bleibt abzuwarten, ob der kommende Twelve Years A Slave ein ausgewogeneres Bild über ethnische Grabenkämpfe
in dieser Zeit liefern wird. In Lincoln
reden Weiße darüber, ob sie sich besser fühlen würden, wenn sie sich nicht mehr
unmenschlich verhalten würden. Dies soll in keinster Weise Lincolns Verdienste
kleinreden, aber ausgewogen ist der 150 Minuten lange Film nicht. So taugt er
nicht als Sittenbild des Jahres 1865, wohl aber als Film über politische
Ränkelspielchen. Neben den Debatten im Repräsentantenhaus sind die leichtfüßig
inszenierten Bestechungen und „Überzeugungsversuche“ gegenüber dem politischen
Gegner die besten Elemente des Films. Ganz nebenbei stellt Lincoln so auch die Frage in den Raum, ob Täuschungsmanöver im
Hinblick auf ein höheres Ziel in der Politik nicht manchmal angebracht sind,
ohne diese Frage explizit zu beantworten. Sicherlich, die Abschaffung der Sklaverei
ist ein solch höheres Ziel, aber die Beteiligten sind sich durchaus bewusst,
dass es nicht politisch sauber erkämpft wurde. So demonstriert der Film anhand
der Historie ein geradezu augenzwinkerndes Politikverständnis.
In der deutschen Synchronisation geht Daniel Day-Lewis‘
Arbeit als Lincoln ziemlich unter, da man die sehr eigene Sprechweise des
Präsidenten nicht hinüberretten konnte. Doch auch unter diesem Gesichtspunkt wirkt
Abraham manchmal wie eine geradezu irritierende, prätentiöse Figur. Irgendwann
werden die plötzlich zum Besten gegebenen Anekdoten doch etwas zu viel des
Guten. So erscheint es etwas ungerecht, dass Tommy Lee Jones bei den Oscars
leer ausging, ist seine Darbietung als Thaddeus Stevens doch so etwas wie das
heimliche Highlight des Films. Mehr noch, eine kurze Recherche (Wikipedia reicht aus) macht außerdem
deutlich, dass ein Biopic über Stevens auch ein lohnenswertes Projekt gewesen
wäre.
Bei all den funktionierenden Elementen des Films erweckt das
Gesamtergebnis aber ein Gefühl der Fleißarbeit. Lincoln ist sauber recherchiert und handwerklich solide umgesetzt,
aber der Stab macht aus dem Film keinen herausragenden Film. Das streckenweise
etwas zähe Drehbuch von Kushner wurde bereits erwähnt, aber auch Janusz Kaminski
hinter der Kamera und Michael Kahn im Schnittraum laufen auf Autopilot. Und die
Musik von John Williams ist gleichzeitig penetrant und nichtssagend. Es steckt
sehr viel filmtechnische Routine in Spielbergs Film, der in den 2 ½ Stunden unter
dem Strich zu selten zu der Größe aufläuft, die ihm eigentlich innewohnt. Das
ständige oszillieren zwischen geschliffenen Dialogen und weniger gelungenen
melodramatischen Elementen ist etwas anstrengend. Lincoln ist kein Good Night,
and Good Luck, ebenfalls ein geschichtliches Drama, aber deutlich
involvierender und handwerklich wagemutiger.
Doch so sehr Lincoln
auch ein filmisch durchwachsenes Werk ist, seine Höhen haben diese Bezeichnung
wirklich verdient und Interesse kann er auch wecken. Und vielleicht muss man es
so sehen: Spielberg hat zwar keinen so gelungenen Geschichtsfilm wie The King’s Speech gedreht, aber
zumindest von einer Guido-Knopp-Dokumentation ist er ebenso weit entfernt. Das
ist auch etwas wert, irgendwie.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen