Dienstag, 17. September 2013

Side Effects - Tödliche Nebenwirkungen (2013)




SIDE EFFECTS – TÖDLICHE NEBENWIRKUNGEN
(Side Effects)
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 25.04.2013
Regie: Steven Soderbergh

HINWEIS! Die folgende Besprechung enthält Spoiler, die dem Vergnügen eines erstmaligen Ansehens sehr schaden könnten. Wer sich die Überraschungen also nicht zerstörten möchte, der möge erst den Film ansehen und dann zum Lesen zurückkehren.

Darüber, dass dies nach Eigenaussage der vorerst (für immer?) letzte Kinofilm des Regie-Chamäleons Steven Soderbergh (Ocean’s Eleven, Traffic – Die Macht des Kartells, Solaris) sein soll, werde ich nicht viele Worte verlieren. Zum einen, weil es ohnehin nur auf die genügsame Feststellung „Da wäre aber mehr drin gewesen“ hinauslaufen würde, zum anderen, weil zunächst die Zeit zeigen soll, ob an dieser Information etwas dran ist. Soderbergh ist ein geradezu besessener Filmschaffender und wer lässt schon gern von seiner Lieblingsdroge ab? Vielleicht wird er merklich kürzer treten, aber völlig von der Leinwand verschwinden? Warten wir es ab. Darum sollte man Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen vielleicht erst einmal als letzte Arbeit vor einem längeren Urlaub ansehen, der scheinbar auch nötig ist.

Martin Taylor (Channing Tatum) saß wegen Insiderhandels im Gefängnis. Als er freikommt, führt dies bei seiner Frau Emily (Rooney Mara) nicht zu Begeisterungsstürmen, sondern zu einem Selbstmordversuch. Ihr mitfühlender Arzt, Dr. Jonathan Banks (Jude Law) verschreibt ihr nach Rücksprache mit Emilys vorheriger Ärztin, Dr. Victoria Siebert (Catherine Zeta-Jones), ein neues, noch nicht in seiner Gänze erforschtes Medikament gegen Depressionen. Dies hat allerdings den Nebeneffekt, dass Emily in einer Art Schlafwandler-Zustand ihren Mann ermordet. So gerät Dr. Banks in die Schusslinie: Hätte die Tat verhindert werden können, ist er als behandelnder Arzt und Verantwortlicher bei der Medikamentenvergabe gar mitschuldig? Banks will die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen und stößt bei Recherchen, die ihn und Emily aus der misslichen Lage helfen sollen, auf ein Komplott…

Über weite Teile ist Side Effects ein ansehnlicher Film, wundervoll fotografiert und ausgeleuchtet, spannend und als Thriller im besten Sinne altmodisch. Die Probleme fangen im letzten Drittel an, sich allerdings so massiv zu häufen, dass sie den zuvor erworbenen, positiven Gesamteindruck nachhaltig torpedieren. Kann man über die Wandlung des Films von Drama zu Thriller noch hinwegsehen, zumal ihm diese Transition ziemlich elegant gelingt, so ist die Auflösung mehr ausfällig als clever, denn am Ende läuft alles auf eins hinaus: die Killer-Lesben waren die Täter. So weit, so dümmlich. Denn auch wenn es einer Gleichberechtigung von allen Formen der menschlichen Sexualität nicht gerecht werden würde, wären Homosexuelle im Film immer und ausschließlich nur die Guten, so reduziert Soderbergh zusammen mit seinem Drehbuchautor Scott Z. Burns (Contagion) die sexuelle Orientierung der beiden weiblichen Protagonisten auf ein stumpfes Aha!-Erlebnis. Kurz: Homosexualität wird lediglich als „Schockeffekt“ verstanden und genutzt. Dies kann man wohlwollend noch als Kommentar zur Heteronormative ansehen, die gleichgeschlechtliche Anziehung also von vornherein nicht in Erwägung zieht, aber der Gesamteindruck geht doch eher in die Richtung: Die Lesben waren’s. So, jetzt haben wir euch aber kalt erwischt. Ha Ha. Das ist weder progressiv noch so intelligent konstruiert wie in Alfred Hitchcocks Psycho, der ebenfalls mit sexueller Identität arbeitete, sie aber nicht so ausschlachtetet wie Soderbergh. Umso erstaunlicher, dass Side Effects an diversen Stellen mit dem Altmeister der Spannung verglichen wird.

So bricht Side Effects am Ende unter dem eigenen Anspruch auf noch mehr Twists zusammen, hält sich aber zuvor wacker. Die Dramaturgie hält den Zuschauer bei der Stange, die unaufgeregte Inszenierung und vor allem das ansehnliche Spiel von Rooney Mara (zuvor im überflüssigen Remake von Verblendung zu sehen) und Jude Law machen den Film interessant (die anderen Schauspieler sind weniger effektiv, vor allem der mit versteinertem Gesicht agierende Channing Tatum). Handwerklich ist ohnehin nichts auszusetzten, die atmosphärischen Bilder tragen ihren Teil dazu bei, dass Side Effects ansehnlich bleibt. Letztlich ist es darum umso ärgerlicher, dass der Film am Ende so stark abbaut und den Thrillerplot ziemlich generisch zu Ende bringt. Verbunden mit dem blöd-ausfälligen Exploitationelement steht Side Effects so nach etwas über 100 Minuten viel schlechter da, als man über weite Teile des Films gedacht oder auch nur für möglich gehalten hatte. Als Beschäftigung mit einer zunehmend von Psychopharmaka überschwemmten Gesellschaft und ihren Nebenwirkungen ist Side Effects ein Erfolg und er hätte sich wahrscheinlich mehr auf dieses Element konzentrieren sollen. Denn als Thriller ist das Ganze weit weniger solide aufgestellt.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen