MAMA
Spanien/Kanada 2013
Dt. Erstaufführung: 18.04.2013
Regie: Andrés Muschietti
Dt. Erstaufführung: 18.04.2013
Regie: Andrés Muschietti
Man kann nicht behaupten, Mama würde nicht gut aussehen. Leider
gibt es auf inhaltlicher Ebene keine Entsprechung zu den gelungenen Bildern.
Basierend auf seinem weitaus effektiveren, gerade mal drei Minuten langen
Kurzfilm, entwirft Spielfilmdebütant Andrés Muschietti, gefördert von Guillermo
del Toro (Pans Labyrinth) eine
ziemlich ausstaffierte Hintergrundgeschichte für seine Geisterstory, die dem
Endergebnis letztlich auch nicht helfen kann, außerhalb der generischen Welt von
The Grudge – Der Fluch oder Der Fluch von Darkness Falls zu
bestehen. Mama ist ein frustrierend
überraschungsarmer Horrorfilm.
Jeffrey (Nikolaj Coster-Waldau) sieht sich mit den
Auswirkungen des wirtschaftlichen Abschwungs konfrontiert und erschießt seine
Geschäftspartner und seine in Trennung lebende Frau. Dann entführt er seine
beiden Töchter, drei und ein Jahr alt, baut einen Unfall und findet sich mit
ihnen schließlich in einer Hütte im Wald ein, wo er zuerst seine Töchter töten
und sich dann selbst richten will. Doch dazu kommt es nicht, denn eine
geheimnisvolle Erscheinung tötet ihn vorher. Fünf Jahre später entdecken zwei
von Jeffreys Zwillingsbruder Lucas (nochmal Coster-Waldau) entsandte Jäger die
beiden Kinder in der Hütte und bringen sie zurück in die Zivilisation. Victoria
(Megan Charpentier) und Lilly (Isabelle Nélisse) sollen bei Lucas und seiner
Freundin Annabel (Jessica Chastain) aufwachsen. Wie die beiden Schwestern so
lange ohne Hilfe im Wald überleben konnten, ist rätselhaft, bis sich immer mehr
herauskristallisiert, dass sie Hilfe von der Erscheinung hatten – und diese
will ihre „Töchter“ nicht einfach Annabel und Lucas überlassen…
Der Prolog des Films ist großartig, von überbordender
Atmosphäre und mit kalter Schönheit ins Bild gesetzt. Auch der Vorspann, der
die Ereignisse der fünf Jahre im Wald anhand von Zeichnungen der Mädchen
unheimlich in Szene setzt, kann überzeugen. Danach steigt der Film immer weiter
auf der Erfolgsleiter hinab, bis er in ein seltsam-süßliches Ende gipfelt, in
dem vor allem durch den Einsatz zweitklassiger Computereffekte jegliche
Spannung verlorengeht. Kann Muschietti über weite Teile eins der
Horror-Grundgesetzte befolgen, demnach das, was im Verborgenen bleibt,
gruseliger daherkommt als das offenbarte Monster, erliegt er im letzten Drittel
der Versuchung, seine Mama in all ihrer zweifelhaften Schönheit zu zeigen und
auch die Möglichkeiten der Spezialeffekte ausgiebig zu nutzen. Spätestens ab
diesem Zeitpunkt verpufft jegliche Spannung und lässt Raum für Fragen, warum
für einen Menschen der Übergang ins Geisterreich offenbar mit einem Verlust der
Artikulationsfähigkeit einhergehen muss. Als Gespenst kann man nur noch
grunzen. Keine schöne Aussicht.
Zudem leidet der Film unter einer seltsamen Montage. Es gibt
immer wieder Einschübe, die ausschließlich als „Buh“-Momente funktionieren,
Szenenfetzen, die nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun haben und
willkürlich in den Film eingepflegt zu sein scheinen. Da taucht der Geist mit
glühenden Augen hinter Annabel auf, diese dreht sich dann zu einem leeren Flur
um und der Film schneidet zu einer gänzlich anderen Sequenz. Beispiele wie diese
gibt ein einige in Mama und sie
dienen nur dazu, den Zuschauer narrativ völlig sinnfrei zu erschrecken.
Immerhin kann Mushietti die Darsteller voll und ganz auf seiner Seite wissen,
vor allem die wandelbare Jessica Chastain (Tree
of Life) liefert eine interessante Darstellung ab, die vor allem im
Widerspruch zu den anderen Mutterfiguren des Films, dem Geist und der extrem zu
kurz kommenden Jane Moffat als Großtante Jean Podolski, funktioniert. Ein
bisschen spiegelt der Film den Konflikt zwischen autoritärer und
antiautoritärer Erziehung wider, zwischen den verschiedenen kulturell geprägten
Mutterbildern und der Last, die damit einhergeht, ohne freilich allzu sehr in
kulturpsychologische Deutungen abzudriften. Diesen Subtext gibt es, ähnlich wie
die deutlichen Märchenanleihen, quasi als Dreingabe. In erster Linie möchte der
Film natürlich ein Horrorfilm sein und auch wenn er einige wohlig gruselige
Einstellungen zu bieten hat und sein Verzicht auf ausschweifende Gewaltakte ihn
geradezu altmodisch erscheinen lässt (im positiven Sinne), so ist er eben
letztlich nicht spannend genug, um vollständig zu fesseln und auch die üblichen
Genreklischees sind etwas zu penetrant. Wer untersucht schon ein Haus, von dem
er glaubt, dass ein Geist darin haust, nach Einbruch der Nacht?
Mama bietet einen
starken Beginn, einige unheimliche Bilder und eine überzeugende Chastain, aber
unterm Strich bliebt es ein generischer Geisterfilm, der dem Genre keine neuen
Ideen hinzufügen kann und diesen an sich nicht verwerflichen Umstand auch nicht
mit einer fesselnden Dramaturgie und Montage wieder wett machen kann. Der
dreiminütige Kurzfilm würde von Muschietti übrigens in diese Spielfilmversion
eingebaut. Dass die Wirkung hier vergleichsweise verpufft ist nur ein weiteres
Indiz dafür, dass die Geschichte der Geistermutter mit drei Minuten Laufzeit effektiver
ist als mit 100 Minuten.
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