Montag, 2. September 2013

Mama (2013)




MAMA
Spanien/Kanada 2013
Dt. Erstaufführung: 18.04.2013
Regie: Andrés Muschietti

Man kann nicht behaupten, Mama würde nicht gut aussehen. Leider gibt es auf inhaltlicher Ebene keine Entsprechung zu den gelungenen Bildern. Basierend auf seinem weitaus effektiveren, gerade mal drei Minuten langen Kurzfilm, entwirft Spielfilmdebütant Andrés Muschietti, gefördert von Guillermo del Toro (Pans Labyrinth) eine ziemlich ausstaffierte Hintergrundgeschichte für seine Geisterstory, die dem Endergebnis letztlich auch nicht helfen kann, außerhalb der generischen Welt von The Grudge – Der Fluch oder Der Fluch von Darkness Falls zu bestehen. Mama ist ein frustrierend überraschungsarmer Horrorfilm.

Jeffrey (Nikolaj Coster-Waldau) sieht sich mit den Auswirkungen des wirtschaftlichen Abschwungs konfrontiert und erschießt seine Geschäftspartner und seine in Trennung lebende Frau. Dann entführt er seine beiden Töchter, drei und ein Jahr alt, baut einen Unfall und findet sich mit ihnen schließlich in einer Hütte im Wald ein, wo er zuerst seine Töchter töten und sich dann selbst richten will. Doch dazu kommt es nicht, denn eine geheimnisvolle Erscheinung tötet ihn vorher. Fünf Jahre später entdecken zwei von Jeffreys Zwillingsbruder Lucas (nochmal Coster-Waldau) entsandte Jäger die beiden Kinder in der Hütte und bringen sie zurück in die Zivilisation. Victoria (Megan Charpentier) und Lilly (Isabelle Nélisse) sollen bei Lucas und seiner Freundin Annabel (Jessica Chastain) aufwachsen. Wie die beiden Schwestern so lange ohne Hilfe im Wald überleben konnten, ist rätselhaft, bis sich immer mehr herauskristallisiert, dass sie Hilfe von der Erscheinung hatten – und diese will ihre „Töchter“ nicht einfach Annabel und Lucas überlassen…

Der Prolog des Films ist großartig, von überbordender Atmosphäre und mit kalter Schönheit ins Bild gesetzt. Auch der Vorspann, der die Ereignisse der fünf Jahre im Wald anhand von Zeichnungen der Mädchen unheimlich in Szene setzt, kann überzeugen. Danach steigt der Film immer weiter auf der Erfolgsleiter hinab, bis er in ein seltsam-süßliches Ende gipfelt, in dem vor allem durch den Einsatz zweitklassiger Computereffekte jegliche Spannung verlorengeht. Kann Muschietti über weite Teile eins der Horror-Grundgesetzte befolgen, demnach das, was im Verborgenen bleibt, gruseliger daherkommt als das offenbarte Monster, erliegt er im letzten Drittel der Versuchung, seine Mama in all ihrer zweifelhaften Schönheit zu zeigen und auch die Möglichkeiten der Spezialeffekte ausgiebig zu nutzen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt verpufft jegliche Spannung und lässt Raum für Fragen, warum für einen Menschen der Übergang ins Geisterreich offenbar mit einem Verlust der Artikulationsfähigkeit einhergehen muss. Als Gespenst kann man nur noch grunzen. Keine schöne Aussicht.

Zudem leidet der Film unter einer seltsamen Montage. Es gibt immer wieder Einschübe, die ausschließlich als „Buh“-Momente funktionieren, Szenenfetzen, die nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun haben und willkürlich in den Film eingepflegt zu sein scheinen. Da taucht der Geist mit glühenden Augen hinter Annabel auf, diese dreht sich dann zu einem leeren Flur um und der Film schneidet zu einer gänzlich anderen Sequenz. Beispiele wie diese gibt ein einige in Mama und sie dienen nur dazu, den Zuschauer narrativ völlig sinnfrei zu erschrecken. Immerhin kann Mushietti die Darsteller voll und ganz auf seiner Seite wissen, vor allem die wandelbare Jessica Chastain (Tree of Life) liefert eine interessante Darstellung ab, die vor allem im Widerspruch zu den anderen Mutterfiguren des Films, dem Geist und der extrem zu kurz kommenden Jane Moffat als Großtante Jean Podolski, funktioniert. Ein bisschen spiegelt der Film den Konflikt zwischen autoritärer und antiautoritärer Erziehung wider, zwischen den verschiedenen kulturell geprägten Mutterbildern und der Last, die damit einhergeht, ohne freilich allzu sehr in kulturpsychologische Deutungen abzudriften. Diesen Subtext gibt es, ähnlich wie die deutlichen Märchenanleihen, quasi als Dreingabe. In erster Linie möchte der Film natürlich ein Horrorfilm sein und auch wenn er einige wohlig gruselige Einstellungen zu bieten hat und sein Verzicht auf ausschweifende Gewaltakte ihn geradezu altmodisch erscheinen lässt (im positiven Sinne), so ist er eben letztlich nicht spannend genug, um vollständig zu fesseln und auch die üblichen Genreklischees sind etwas zu penetrant. Wer untersucht schon ein Haus, von dem er glaubt, dass ein Geist darin haust, nach Einbruch der Nacht?

Mama bietet einen starken Beginn, einige unheimliche Bilder und eine überzeugende Chastain, aber unterm Strich bliebt es ein generischer Geisterfilm, der dem Genre keine neuen Ideen hinzufügen kann und diesen an sich nicht verwerflichen Umstand auch nicht mit einer fesselnden Dramaturgie und Montage wieder wett machen kann. Der dreiminütige Kurzfilm würde von Muschietti übrigens in diese Spielfilmversion eingebaut. Dass die Wirkung hier vergleichsweise verpufft ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass die Geschichte der Geistermutter mit drei Minuten Laufzeit effektiver ist als mit 100 Minuten.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen