GINGER & ROSA
Großbritannien/Dänemark/Kanada/Kroatien 2012
Dt. Erstaufführung: 11.04.2013
Regie: Sally Potter
Großbritannien/Dänemark/Kanada/Kroatien 2012
Dt. Erstaufführung: 11.04.2013
Regie: Sally Potter
Ginger
& Rosa ist ein Film, dem man unbedingt lieben will. Leider gelingt dies
nur bedingt. Und es ist ein großes „leider“, denn mit der großartigen Elle
Fanning in der Hauptrolle, einer begnadeten Kameraarbeit und einem
interessanten Subtext sollte dieser Film eigentlich ein großes Ereignis sein.
Dass er es letztlich nicht ist, liegt vor allem an Sally Potters dermaßen
zurückhaltenden Regie, dass man das Gefühl bekommt, sie wolle ihren Film gar
nicht so recht mit Leben füllen. Während ein Film wie The Loneliest Planet eben von dieser Zurückhaltung profitiert,
leidet Ginger & Rosa unter ihr.
Dies ist eine Geschichte voller Leben, die in einen streckenweise sehr leblosen
Film gezwängt wurde.
Ginger (Elle Fanning) und Rosa (Alice Englert) wurden 1945
beide etwa zeitgleich geboren, als die Atombombe auf Hiroshima fiel. Unzertrennliche
Freundinnen seit dem, wird ihre Beziehung keine 20 Jahre später, 1962, auf
harte Proben gestellt. Während die politisch interessierte, Gedichte
schreibende Ginger sich zunehmend Gedanken um den Zustand der Welt macht, gegen
das Wettrüsten demonstriert und ihr Leben im Zeichen der Kubakrise bald von
einem nuklearen Falloutzerstört sieht, beginnt Rosa eine Affäre mit Gingers
idealistischem Vater Roland (Alessandro Nivola).
Der Film heißt zwar Ginger
& Rosa, aber Ginger mit ein
bisschen Rosa wäre passender gewesen. Wir erfahren sehr viel über Ginger,
aber kaum etwas über ihre so wichtige Freundin. Und auch wenn Elle Fanning, die
jüngere Schwester von Dakota Fanning, ohnehin fast alle an die Wand spielt, ist
dem Film die eigentlich zentrale Beziehung der beiden Mädchen erstaunlich egal.
Es geht viel um Gingers Ängste, Träume und Hoffnungen und da Alice Englert als
Rosa schauspielerisch Fanning ohnehin nicht das Wasser reichen kann, bekommt
man fast den Eindruck, dies sei eine nachträgliche Entscheidung. Da Sally
Potter sowohl Regie führte als auch das Drehbuch schrieb hätte es an dieser
Front ohnehin keine Probleme gegeben. Die Einzigen, die neben Fanning bestehen,
sind ihre Patenonkel Mark (Timothy Spall) und Mark Zwei (Oliver Platt), die
zusammen mit Mark Zweis Frau Bella (Annette Bening) die interessantesten
Figuren neben Ginger darstellen. Als der Stoff, aus dem auch die heutigen 68er
sind, geben sie Ginger emotionalen Halt und intellektuelle Nahrung in einem
Maße, zu dem ihre Eltern nicht in der Lage sind. Gingers Vater, ein
vordergründiger Idealist, der seine revolutionären Ansprachen aber letztlich
nur zum Selbstzweck einsetzt, eingenommen.
Die Coming-of-Age-Geschichte ist im Grunde trotz der
zeitlichen Einordnung von universeller Qualität. Die Abnabelung bei
gleichzeitiger emotionaler Bedürftigkeit vom Elternhaus, die Orientierung an
anderen Familienmitgliedern, der Weltschmerz und die gleichsam verzweifelten
wie hoffungsvollen Versuche, die Welt zum Besseren zu verändern, als dies sind
wieder einmal die Punkte, die jeder Pubertierender für sich neu verhandeln
muss. Es gibt kein Patentrezept fürs Erwachsenwerden, dass zeigt auch Ginger & Rosa ziemlich deutlich.
Auch darum ist es umso frustrierender, dass der Film als solcher das
eigentliche Drama scheut. Die Inszenierung ist so zurückhaltend, dass der Film
erst in der finalen Konfrontation die so bitter benötigte Lebendigkeit
ausstrahlt, die er über weite Teile vermissen lässt. Es geht um die Angst vor
der Atombombe und einen familiären Super-GAU, aber der Film lässt die nötige
Dringlichkeit vermissen. Immerhin hält sich auch der Soundtrack zurück, denn
mit einer melodramatischen Musikuntermalung bei gleichzeitig mangelnder Regie
wäre Ginger & Rosa bedrohlich
nahe an Seifenopern-Gebiet geraten.
Ginger & Rosa
ist dank Elle Fannings herausragender Leistung und den teilweise wirklich
wunderschön geratenden Bildern durchaus sehenswert, aber Sally Potters
Zurückhaltung im Angesicht der vielen ernsten Themen, die sie anstößt,
gleichermaßen irritierend wie ärgerlich. Letztlich wünscht man sich, dass der
Film genau die Dringlichkeit, genau die Lebensenergie zeigen würde, die seinem
Sujet eigentlich angemessen wäre.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen