Mittwoch, 11. September 2013

Ginger & Rosa (2012)




GINGER & ROSA
Großbritannien/Dänemark/Kanada/Kroatien 2012
Dt. Erstaufführung: 11.04.2013
Regie: Sally Potter

Ginger & Rosa ist ein Film, dem man unbedingt lieben will. Leider gelingt dies nur bedingt. Und es ist ein großes „leider“, denn mit der großartigen Elle Fanning in der Hauptrolle, einer begnadeten Kameraarbeit und einem interessanten Subtext sollte dieser Film eigentlich ein großes Ereignis sein. Dass er es letztlich nicht ist, liegt vor allem an Sally Potters dermaßen zurückhaltenden Regie, dass man das Gefühl bekommt, sie wolle ihren Film gar nicht so recht mit Leben füllen. Während ein Film wie The Loneliest Planet eben von dieser Zurückhaltung profitiert, leidet Ginger & Rosa unter ihr. Dies ist eine Geschichte voller Leben, die in einen streckenweise sehr leblosen Film gezwängt wurde.

Ginger (Elle Fanning) und Rosa (Alice Englert) wurden 1945 beide etwa zeitgleich geboren, als die Atombombe auf Hiroshima fiel. Unzertrennliche Freundinnen seit dem, wird ihre Beziehung keine 20 Jahre später, 1962, auf harte Proben gestellt. Während die politisch interessierte, Gedichte schreibende Ginger sich zunehmend Gedanken um den Zustand der Welt macht, gegen das Wettrüsten demonstriert und ihr Leben im Zeichen der Kubakrise bald von einem nuklearen Falloutzerstört sieht, beginnt Rosa eine Affäre mit Gingers idealistischem Vater Roland (Alessandro Nivola).

Der Film heißt zwar Ginger & Rosa, aber Ginger mit ein bisschen Rosa wäre passender gewesen. Wir erfahren sehr viel über Ginger, aber kaum etwas über ihre so wichtige Freundin. Und auch wenn Elle Fanning, die jüngere Schwester von Dakota Fanning, ohnehin fast alle an die Wand spielt, ist dem Film die eigentlich zentrale Beziehung der beiden Mädchen erstaunlich egal. Es geht viel um Gingers Ängste, Träume und Hoffnungen und da Alice Englert als Rosa schauspielerisch Fanning ohnehin nicht das Wasser reichen kann, bekommt man fast den Eindruck, dies sei eine nachträgliche Entscheidung. Da Sally Potter sowohl Regie führte als auch das Drehbuch schrieb hätte es an dieser Front ohnehin keine Probleme gegeben. Die Einzigen, die neben Fanning bestehen, sind ihre Patenonkel Mark (Timothy Spall) und Mark Zwei (Oliver Platt), die zusammen mit Mark Zweis Frau Bella (Annette Bening) die interessantesten Figuren neben Ginger darstellen. Als der Stoff, aus dem auch die heutigen 68er sind, geben sie Ginger emotionalen Halt und intellektuelle Nahrung in einem Maße, zu dem ihre Eltern nicht in der Lage sind. Gingers Vater, ein vordergründiger Idealist, der seine revolutionären Ansprachen aber letztlich nur zum Selbstzweck einsetzt, eingenommen.

Die Coming-of-Age-Geschichte ist im Grunde trotz der zeitlichen Einordnung von universeller Qualität. Die Abnabelung bei gleichzeitiger emotionaler Bedürftigkeit vom Elternhaus, die Orientierung an anderen Familienmitgliedern, der Weltschmerz und die gleichsam verzweifelten wie hoffungsvollen Versuche, die Welt zum Besseren zu verändern, als dies sind wieder einmal die Punkte, die jeder Pubertierender für sich neu verhandeln muss. Es gibt kein Patentrezept fürs Erwachsenwerden, dass zeigt auch Ginger & Rosa ziemlich deutlich. Auch darum ist es umso frustrierender, dass der Film als solcher das eigentliche Drama scheut. Die Inszenierung ist so zurückhaltend, dass der Film erst in der finalen Konfrontation die so bitter benötigte Lebendigkeit ausstrahlt, die er über weite Teile vermissen lässt. Es geht um die Angst vor der Atombombe und einen familiären Super-GAU, aber der Film lässt die nötige Dringlichkeit vermissen. Immerhin hält sich auch der Soundtrack zurück, denn mit einer melodramatischen Musikuntermalung bei gleichzeitig mangelnder Regie wäre Ginger & Rosa bedrohlich nahe an Seifenopern-Gebiet geraten.

Ginger & Rosa ist dank Elle Fannings herausragender Leistung und den teilweise wirklich wunderschön geratenden Bildern durchaus sehenswert, aber Sally Potters Zurückhaltung im Angesicht der vielen ernsten Themen, die sie anstößt, gleichermaßen irritierend wie ärgerlich. Letztlich wünscht man sich, dass der Film genau die Dringlichkeit, genau die Lebensenergie zeigen würde, die seinem Sujet eigentlich angemessen wäre.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen