SMASHED
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 09.05.2013
Regie: James Ponsoldt
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 09.05.2013
Regie: James Ponsoldt
Smashed
ist ein Film über Alkoholismus. Ein schwieriges, ein grausames Thema und
bereits in vielerlei Inkarnationen auf der Leinwand aufgetreten. Umso
erstaunlicher, dass der von James Ponsoldt inszenierte Film sich strikt
weigert, den üblichen Pfaden zu folgen. Er ergeht sich nicht in Agonie, er
stürzt sich und den Zuschauer nicht in Depression, aber er verhätschelt ihn
auch nicht. Smashed entlässt das
Publikum nicht am Boden zerstört, aber sehr wohl nachdenklich und vor allem
erfüllt von einer herausragenden Hauptdarstellerin.
Kate (Mary Elizabeth Winstead) und Charlie (Aaron Paul) sind
verheiratet, leben in einem Haus, dass Charlies Eltern bezahlt haben und geben
sich beide den Freuden des Alkoholgenusses etwas zu exzessiv hin. Bisher ist
dies in ihrer beider Berufen als Lehrerin und hauptsächlich in Heimarbeit
schreibenden Journalisten nicht weiter ein Problem gewesen, aber als Kate sich
eines Morgens vor ihrer Klasse übergibt und ihre Schüler sie fragen, ob sie
schwanger sei, bejaht sie dies. Die Notlüge setzt eine Kettenreaktion in Gang,
die Kate dazu bringt, ihren Lebenswandel zu überdenken. Doch während sie
versucht, gegen die Sucht anzukommen, sieht Charlie nicht wirklich ein, warum
er seine Frau unterstützen sollte, schließlich funktionierte ihr Zusammenleben
mit den Kitt Alkohol viel besser…
Mit nur knapp 70 Minuten reiner Laufzeit (und einem sehr
langen Abspann) ist Smashed ein kurzer
Film, der sich manchmal etwas zu sehr auf das nötigste konzentriert. Es gibt
einen großen Zeitsprung innerhalb der Narrative, der viel dramatisches
Potenzial auslässt und dass Kates Alkoholsucht bisher vom Umfeld nicht bemerkt
wurde und ihr Ausfall vor der Klasse der erste dieser Art sein sollte, obwohl
die Sucht bereits als jahrelang beschrieben wurde, ist etwas konstruiert. Aber
den 70 Minuten wohnt so viel Kraft inne, dass man diese vergleichsweisen
Nichtigkeiten schnell vergisst.
Mary Elizabeth Winstead, jüngst noch ohne viele
Möglichkeiten zur Talentschau in Stirb
langsam – Ein guter Tag zum Sterben verheizt, trägt den Film. Mehr noch,
sie dominiert ihn, durchdringt ihn, macht ihn zu ihrem Projekt, ohne – und das
ist vielleicht eine der größten Leistungen – die anderen Darsteller in die
Tasche zu stecken. Aaron Paul, bekannt als Jesse Pinkman aus der TV-Serie Breaking Bad, erweist sich als
souveräner Gegenpart zu Winstead, der sich in ihren gemeinsamen Szenen nicht an
die Wand spielen lässt. Dennoch wird Winstead als schauspielerische Naturgewalt
noch lange im Gedächtnis bleiben. Sie verkörpert ihre Rolle perfekt, egal, ob
sie in lichten Momenten ihre Sucht erkennt oder im völlig versoffenen Zustand
auf den Boden eines Supermarkts pinkelt. Ihrem Portrait von Kate wohnt so viel
Ehrlichkeit, so viel Herzblut inne, dass sie Smashed zu einem Erlebnis macht, dass ohne sie in keiner Sekunde
denkbar ist. Jeder, der schon einmal mit Betrunkenen zu tun hatte, egal ob im
Vollrausch oder als Pegeltrinker, wird sehr viel bekanntes in Winsteads Spiel
erkennen, wahrscheinlich mehr, als ihm oder ihr mitunter lieb ist. Doch es ist
der Zuschauer, der primär leidet, nicht die Figuren. Und hier hebt sich Smashed nochmals von den gängigen
Trinkerklischees im Film ab.
Alkohol wird hier nicht per se als Teufelszeug
dahingestellt, vielmehr kritisiert der Film die verhältnismäßig einfache Verfügbarkeit.
Alkohol wird ganz richtig als Droge angesehen und der Film macht nicht nur ihre
gesellschaftliche Akzeptenz deutlich, sondern stellt auch konsequente Verbindungen
zu anderen illegalen Substanzen her. Crack ist verboten, Alkohol aber
unkontrolliert zu haben, obwohl beide Leben und Menschen zerstören. Doch auch
dies ist eher dem Zuschauer bewusst als Charlie und Kate, die die Sucht als
normalen Teil ihres entspannten Lebens begreifen. Erst als Kate öfter nüchtern
ist, erkennt sie, dass nächtliche Inkontinenz durch Rausch nicht gerade das
ist, was in einem erwachsenen Leben als normal anzusehen ist. Smashed wird dabei nie belehrend oder
stellt sich über seine Protagonisten, er hat auch keine Patentrezepte zur Hand,
steht Kates Entzug doch stets auf wackligen Beinen und das mehrfach zu deutende
Ende heißt vor allem eins: ohne Unterstützung geht es nicht.
Für Angehörige von Alkoholikern kann Smashed also als Aufruf zur Solidarität verstanden werden, für
Betroffene als Hinweis darauf, dass man die familiäre Unterstützung nicht hoch
genug anrechnen kann. Und wer zu keiner der beiden Gruppen gehört, der bekommt
hier einen superb gespielten Film zu sehen, der ein vermeidlich einfach zu
bewältigendes Alltagsproblem erfrischend unverkrampft, aber dennoch ernsthaft
angeht. Smashed ist eine kleine cineastische
Perle.
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