Dienstag, 17. September 2013

Smashed (2012)




SMASHED
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 09.05.2013
Regie: James Ponsoldt

Smashed ist ein Film über Alkoholismus. Ein schwieriges, ein grausames Thema und bereits in vielerlei Inkarnationen auf der Leinwand aufgetreten. Umso erstaunlicher, dass der von James Ponsoldt inszenierte Film sich strikt weigert, den üblichen Pfaden zu folgen. Er ergeht sich nicht in Agonie, er stürzt sich und den Zuschauer nicht in Depression, aber er verhätschelt ihn auch nicht. Smashed entlässt das Publikum nicht am Boden zerstört, aber sehr wohl nachdenklich und vor allem erfüllt von einer herausragenden Hauptdarstellerin.

Kate (Mary Elizabeth Winstead) und Charlie (Aaron Paul) sind verheiratet, leben in einem Haus, dass Charlies Eltern bezahlt haben und geben sich beide den Freuden des Alkoholgenusses etwas zu exzessiv hin. Bisher ist dies in ihrer beider Berufen als Lehrerin und hauptsächlich in Heimarbeit schreibenden Journalisten nicht weiter ein Problem gewesen, aber als Kate sich eines Morgens vor ihrer Klasse übergibt und ihre Schüler sie fragen, ob sie schwanger sei, bejaht sie dies. Die Notlüge setzt eine Kettenreaktion in Gang, die Kate dazu bringt, ihren Lebenswandel zu überdenken. Doch während sie versucht, gegen die Sucht anzukommen, sieht Charlie nicht wirklich ein, warum er seine Frau unterstützen sollte, schließlich funktionierte ihr Zusammenleben mit den Kitt Alkohol viel besser…

Mit nur knapp 70 Minuten reiner Laufzeit (und einem sehr langen Abspann) ist Smashed ein kurzer Film, der sich manchmal etwas zu sehr auf das nötigste konzentriert. Es gibt einen großen Zeitsprung innerhalb der Narrative, der viel dramatisches Potenzial auslässt und dass Kates Alkoholsucht bisher vom Umfeld nicht bemerkt wurde und ihr Ausfall vor der Klasse der erste dieser Art sein sollte, obwohl die Sucht bereits als jahrelang beschrieben wurde, ist etwas konstruiert. Aber den 70 Minuten wohnt so viel Kraft inne, dass man diese vergleichsweisen Nichtigkeiten schnell vergisst.

Mary Elizabeth Winstead, jüngst noch ohne viele Möglichkeiten zur Talentschau in Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben verheizt, trägt den Film. Mehr noch, sie dominiert ihn, durchdringt ihn, macht ihn zu ihrem Projekt, ohne – und das ist vielleicht eine der größten Leistungen – die anderen Darsteller in die Tasche zu stecken. Aaron Paul, bekannt als Jesse Pinkman aus der TV-Serie Breaking Bad, erweist sich als souveräner Gegenpart zu Winstead, der sich in ihren gemeinsamen Szenen nicht an die Wand spielen lässt. Dennoch wird Winstead als schauspielerische Naturgewalt noch lange im Gedächtnis bleiben. Sie verkörpert ihre Rolle perfekt, egal, ob sie in lichten Momenten ihre Sucht erkennt oder im völlig versoffenen Zustand auf den Boden eines Supermarkts pinkelt. Ihrem Portrait von Kate wohnt so viel Ehrlichkeit, so viel Herzblut inne, dass sie Smashed zu einem Erlebnis macht, dass ohne sie in keiner Sekunde denkbar ist. Jeder, der schon einmal mit Betrunkenen zu tun hatte, egal ob im Vollrausch oder als Pegeltrinker, wird sehr viel bekanntes in Winsteads Spiel erkennen, wahrscheinlich mehr, als ihm oder ihr mitunter lieb ist. Doch es ist der Zuschauer, der primär leidet, nicht die Figuren. Und hier hebt sich Smashed nochmals von den gängigen Trinkerklischees im Film ab.

Alkohol wird hier nicht per se als Teufelszeug dahingestellt, vielmehr kritisiert der Film die verhältnismäßig einfache Verfügbarkeit. Alkohol wird ganz richtig als Droge angesehen und der Film macht nicht nur ihre gesellschaftliche Akzeptenz deutlich, sondern stellt auch konsequente Verbindungen zu anderen illegalen Substanzen her. Crack ist verboten, Alkohol aber unkontrolliert zu haben, obwohl beide Leben und Menschen zerstören. Doch auch dies ist eher dem Zuschauer bewusst als Charlie und Kate, die die Sucht als normalen Teil ihres entspannten Lebens begreifen. Erst als Kate öfter nüchtern ist, erkennt sie, dass nächtliche Inkontinenz durch Rausch nicht gerade das ist, was in einem erwachsenen Leben als normal anzusehen ist. Smashed wird dabei nie belehrend oder stellt sich über seine Protagonisten, er hat auch keine Patentrezepte zur Hand, steht Kates Entzug doch stets auf wackligen Beinen und das mehrfach zu deutende Ende heißt vor allem eins: ohne Unterstützung geht es nicht.

Für Angehörige von Alkoholikern kann Smashed also als Aufruf zur Solidarität verstanden werden, für Betroffene als Hinweis darauf, dass man die familiäre Unterstützung nicht hoch genug anrechnen kann. Und wer zu keiner der beiden Gruppen gehört, der bekommt hier einen superb gespielten Film zu sehen, der ein vermeidlich einfach zu bewältigendes Alltagsproblem erfrischend unverkrampft, aber dennoch ernsthaft angeht. Smashed ist eine kleine cineastische Perle.



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