Montag, 2. September 2013

Dead Man Down (2013)




DEAD MAN DOWN
USA 2013
Dt.
Erstaufführung: 04.04.2013
Regie: Niels Arden Oplev

Es ging ein Däne nach Hollywood… Niels Arden Oplev, nach einem der besten Kinderfilme aller Zeiten, Der Traum, und der stilsichern Verfilmung von Verblendung, inszenierte mit Dead Man Down seinen ersten englischsprachigen Film. Mit unbedingten Willen zur stilistischen Inszenierung und einem verworren konstruierten Plot, der vom Zuschauer mehr Aufmerksamkeit verlangt als der durchschnittliche Rache-Thriller ist er ein passables, düsteres Vergnügen geworden, in seiner Unentschlossenheit zwischen genussvoller Zelebrierung seiner Twists und konventionellem Actionfilm aber auch etwas enervierend.

Victor (Colin Farrell) ist ein ungarischer Einwanderer, der sich nach einer Rettung in letzter Sekunde zu den wichtigsten Männern rund um den kriminellen Immobilienhai Alphonse (Terrence Howard) zählen darf. Dieser bekommt nämlich seit einiger Zeit mysteriöse Briefe und Zeichen, gern auch schon mal in der Hand eines ermordeten Handlangers, zugestellt, die auf seine Vergangenheit hindeuten. Zudem entpuppt sich das Date mit der nach einem Unfall entstellten Beatrice (Noomi Rapace) nur als Vorwand, um ihn zu erpressen, ist Beatrice doch im Besitz eines kompromittierenden Smartphonevideos von Victor. Ihr Anliegen: er soll den Mann töten, der dereinst betrunken ihren Wagen rammte, für ihre Verletzungen verantwortlich ist und mit nur drei Monaten Gefängnis davonkam. Victor wird also an mehreren Fronten gleichzeitig gefordert, obwohl er doch selbst eine geheime Agenda verfolgt, die seit zwei Jahren darauf wartet, in die Tat umgesetzt zu werden…

Rache ist das zentrale Motiv des Films. Dabei lässt der Film zunächst nicht zu, dass es in dieser Hinsicht allzu plump zugeht sondern inszeniert Rache als Konzept, dass letztlich kaum Aussicht darauf hat, inneren Frieden zu stiften. Dass der Film letztlich doch den Rachegelüsten auch und gerade seiner Zuschauer nachkommt, wenn auch in einer Form, die Victor als Charakter nicht beschädigt, ist dann wohl eher den cineastischen Konventionen geschuldet. Es ist eine sowohl im übertragenden wie wahrsten Sinne des Wortes düstere Welt, die Oplev nach dem Drehbuch von J.H. Wyman (TV’s Fringe – Grenzfälle des FBI) auf die Leinwand bringt, in der ein Mord auch schon mal als einzig humaner Ausweg aus einer Situation daherkommt. Moralisch bleibt der Film stets auf der Seite von Victor und Beatrice und leuchtet die ambivalenten Gräben weniger aus als dass er sich für die Beziehung zwischen zwei Gebrochenen interessiert. Dies hat seinen ganz eigenen Charme und fast geht es zu schnell, dass sich die Beiden in einem Restaurant treffen, hat ihre Kommunikation von Balkon zu Balkon doch einen hübschen Reiz.
Während Victors Agenda nachvollziehbar ist, ist Beatrice der weitaus weniger erfolgreiche Charakter. Ihre „Entstelltheit“ ist eher hollywoodtauglicher, kosmetischer Natur, Noomi Rapaces herber Schönheit steht sie nicht im Weg, was die Reaktionen der Umwelt nur noch überzogener wirken lassen. Ein paar Narben im Gesicht und alle Welt ist von Beatrice abgestoßen? Es muss wohl im Dunkeln bleiben, wie sehr die ästhetischen Erwartungen an eine weibliche Hauptrolle hier eine Rolle gespielt haben, aber durch diese vornehme Zurückhaltung wird auch Beatrices Racheplan verwässert. Natürlich ist der Unfallverursacher schuldig und seine Strafe zu gering, aber das, was wir an äußeren Schäden sehen rechtfertigt kaum einen Mord. Und von den seelischen Schäden ist weniger die Rede, vielmehr kreist Beatrice um die „Er hat mein Gesicht zerstört“-Agenda. So verwundert es kaum, dass eine fahrig geschriebene Figur wie Beatrice am Ende plötzlich zu einer Actiontypischen damsel in distress wird, die dumme Fehler begeht. Noomi Rapace ist derweil mit mehr Herzblut bei ihrer Rolle als das Drehbuch es verdient, während Colin Farrell zwischen melancholischem Getriebenem und eiskalt planendem Killer oszilliert, was auf Dauer auch etwas anstrengend wird. Und dass der ungarische Wehrdienst nach der Logik des Films bestens auf ein Leben als rechte Hand eines Gangsters vorbereitet, ist ein Detail ganz für sich allein.

Als Thriller, dessen überkonstruierte Handlung sich langsam entfaltet, auch wenn der Zuschauer manchmal schneller als die Figuren ist, ist Dead Man Down ein unterhaltsamer Zeitvertreib, der immerhin nicht langweilig wird. Darüber hinaus stören die fahrige Figurenzeichnung, einige sehr schlechte Dialoge und die offensichtlichen Zugeständnisse an (angenommene) Sehgewohnheiten des Publikums, auch wenn die Plotkonstruktion den durchschnittlichen Jason-Stathem-Fan wohl vor Herausforderungen stellt, an dessen Filmen wie The Transporter und Crank sich Oplev im letzten Drittel zu sehr orientiert. Wirklich im Gedächtnis bleibt die Tatsache, dass die Ereignisse in Dead Man Down im Grunde von einer Gentrifizierung eines Stadtteils angeschoben werden. Nicht Drogen oder Waffen, nein Immobilien sind im tiefsten Kern der Stein des Anstoßes. Niels Arden Oplev ist zuzutrauen, dass dies eine der Subversivitäten ist, die nicht dem Zwang zur Konvention zum Opfer gefallen ist.



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