TAKE THIS WALTZ
Kanada/Spanien/Japan 2011
Dt. Erstaufführung: 07.03.2013
Regie: Sarah Polley
Dt. Erstaufführung: 07.03.2013
Regie: Sarah Polley
Es gibt eine Sequenz in Take This Waltz, die an sich so perfekt
ist, dass sie für sich genommen einer der schönsten Kinomomente des Jahres
werden könnte: eine minuziös fotografierte, superb ausgeleuchtet Fahrt in einem
Jahrmarktsfahrgeschäft zu dem Song Video
Killed The Radio Star von The Buggles. Dieser gleichzeitig leichtfüßige wie
melancholische Moment lässt erahnen, was aus Take This Waltz hätte werden können, mitunter gar einer der besten
Liebesfilme der letzten Jahre, wenn auch mit einem deutlich dramatischen
Tonfall. Leider kann kaum etwas in den restlichen 115 Minuten dieser Sequenz
das Wasser reichen. Mehr noch, der Film empfindet sich selbst als hip und
intellektuell, ist aber in Wirklichkeit eher selbstverliebt und abstoßend. Dies
liegt vor allem daran, dass zwei der drei Hauptfiguren so unsympathisch sind,
dass man wenig Lust verspürt, ihnen auf ihren Irrungen und Wirrungen zu folgen.
Margot (Michelle Williams) und Lou (Seth Rogen) sind
glücklich verheiratet – meinen sie zumindest. Als Margot auf dem Rückweg von
einem Job den geheimnisvollen Daniel (Luke Kirby) kennenlernt, funkt es sofort
zwischen ihnen und Margot beginnt mehr und mehr, ihre Ehe in Frage zu stellen.
Soll sie Lou verlassen und den Verlockungen des Neuen nachgehen oder nicht? Die
Frage wird immer drängender, je mehr Margot und Daniel sich Momente aus dem
Alltag stehlen, in denen sie zusammen sein können, stellt sich zur Erschwerung
der Umstände auch noch heraus, dass Daniel gerade als neuer Nachbar gegenüber
eingezogen ist. Die Versuchung lauert also quasi jederzeit vor der Haustür…
Michelle Williams wurde bereits viel in der Presse für ihre
Darbietung gelobt, aber im Grunde gehen alle Punkte an Seth Rogen, der als Lou,
einem liebenswerten Kochbuchautor, die sympathischste Figur mimt. Nicht nur
das, er darf auch in einer ebenfalls hervorragenden Sequenz zeigen, dass er
sehr viel mehr als Comedy kann – seine Darstellung der verschiedenen Stufen der
Verletzlichkeit ist großartig. Williams hingegen gelingt es nie, eine Figur zu
erschaffen, die für den Zuschauer irgendeine Form der Identifikation zulässt.
Sie wandert oft schlafwandlerisch durchs Bild, der innere Konflikt wird selten
offenbar und dann ist Margot auch noch undankbar geschrieben. Als Protagonistin
ist sie eine egoistische, unliebsame Frau, über die man nie im Klaren ist,
warum sie „etwas besseres“ als Lou verdient haben soll. Ihr Einsatz in der Ehe
ist reichlich halbherzig, misslungene Verführungsversuche ihrerseits werden auf
Lou abgewälzt, der sich oft in der Defensive wiederfindet. Überhaupt scheint er
sehr viel mehr in die Beziehung zu investieren als sie, zumal wir außer einigen
bizarren Liebeserklärungen frustrierend wenig über ihr Leben vor Daniel
erfahren. Das, was der Film präsentiert, erzeugt das Bild einer wenig
ausbalancierten Ehe, deren Liebenswürdigkeit vom Drehbuch lediglich behauptet
wird.
Warum sich Margot nun in Daniel verliebt, ist ein
ebensolches Rätsel. Luke Kirby wirkt wie der Erbe von Norman Bates, wie ein mit
stechendem Blick taxierender Psychopath von nebenan, ebenso unsympathisch wie
Margot. Da der Film außer einem mythologischen „Liebe auf den ersten Blick“
nicht viel zu bieten hat und Daniel so unangenehm inszeniert, verfällt er
letztlich der Mär von den Frauen, die sich grundsätzlich in den Falschen
verlieben. Was Regisseurin und Drehbuchautorin Sarah Polley damit bezwecken
wollte, muss wohl individuell analysiert werden. Interessant oder liebenswürdig
ist es definitiv nicht. Wenn Polley erreichen wollte, dass wir als Zuschauer
Anteil an dieser Dreiecksgeschichte nehmen sollten, dann hat sie versagt. Wenn
die Figuren sympathischer gewesen wären, wäre Take This Waltz weitaus involvierender geworden. Dramatisch, ja,
vielleicht sogar herzzerreißend, aber auf jeden Fall näher an dem, was Polley
augenscheinlich erreichen wollte.
Take This Waltz
ist Arthouse-Kino im schlechteren Sinne. Ausgestattet mit einem Script ohne
Herz und Bildern, teilweise so bunt wie in einer US-Fernseh-Sitcom, leistet
sich der Film auch noch einige Albernheiten: Daniel beispielsweise verdient
sein Geld mit Rikscha ziehen. Kein Witz. Und das Geld reicht offenbar, um ein
Haus zu bezahlen. Margot ist Journalistin und arbeitet so gut wie nie. Wieder
ist nur Lou gut aufgestellt, dessen Beruf als einziger ernst zu nehmen ist.
Aber das hält den Film nicht davon ab, gegen Ende Daniel noch ein extrem teuer
aussehendes Loft zu spendieren, in dem eine der plakativsten Sequenzen der
jüngeren Vergangenheit stattfindet. Wie schön, dass die Unsympathen nun all
ihre sexuellen Fantasien ausloten können. Die Trinkgelder für Rikschafahrer
müssen wirklich saftig sein.
Take This Waltz
hatte das Potenzial zu einem hervorragenden Film über die Schwierigkeiten in
einer erwachsenen Beziehung, versagt aber mit Ausnahme einiger Szenen und einer
überraschend guten Sarah Silverman als Margots Alkoholiker-Schwägerin in einer
Nebenrolle, über weite Teile komplett. Furchtbare Figuren und Pseudo-innovative
Einfälle torpedieren jeglichen Anflug von Größe. Wenn ein White-Person-Problems-Film wie beispielsweise Wenn Liebe so einfach wäre von Nancy Meyers letztlich mehr über die
Interkationen in einem erwachsenen Liebesdreieck zu sagen hat als ein
selbsternannter intellektueller Indiefilm, spätestens dann weiß man, dass Take
This Waltz auf Grund gelaufen ist.
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