(Szenenfoto)
DER AUGENBLICK DES
FRIEDENS
(Le moment de paix /
Chwila pokoju)
Frankreich/Deutschland/Polen 1965
Dt. Erstaufführung: 25.11.1965 (TV-Film)
Regie: Georges Franju, Egon Monk & Tadeusz Konwicki
Dt. Erstaufführung: 25.11.1965 (TV-Film)
Regie: Georges Franju, Egon Monk & Tadeusz Konwicki
Episodenfilme tauchen nur vereinzelt
auf, das Erzählen einer einzigen, umfassenden Geschichte scheint
erstrebenswerter zu sein als die Beleuchtung eines Sujets von im besten Falle
verschiedensten Blickwinkeln. Vielleicht liegt es daran, dass durch die Beschäftigung
meist mehrerer Regisseure ein mitunter enervierender Mix entstehen kann, da
jeder selbstredend auf einer eigenen künstlerischen Vision beharrt. Darum ist
ein Film wie Night on Earth von Jim
Jarmusch gelungener als beispielsweise Deutschland
09 – 13 kurze Filme zur Lage der Nation, weil beim ersteren ein einzelner
Regisseur diverse Episoden inszenierte, bei zweiterem viele Köche den Brei
verdarben. Der Augenblick des Friedens,
ein vom NDR produzierter TV-Film aus dem Jahr 1965, fällt irgendwo in die
Mitte. Die drei beteiligten Regisseure bemühten sich augenscheinlich um eine
gewisse stilistische Kohärenz, ohne dabei eine individuelle Inszenierung vollkommen
aufgeben zu müssen. Das Ergebnis ist ein durchaus interessanter Film, der etwas
unter seiner eigenen Sperrigkeit leidet.
Der titelgebende Augenblick, der das Ende des Zweiten
Weltkriegs in Europa bedeutet, eint die drei jeweils etwa 30 Minuten langen
Segmente. In der ersten Erzählung, Die
weißen Vorhänge aus Frankreich, erleben ein kleiner Junge (Michel Robert)
und eine verwirrte alte Frau (Hélène Dieudonné), die sich als Vagabunden
durchschlagen, die Befreiung der Normandie durch die Alliierten. Im deutschen
Beitrag Berlin N 65 erwartet ein
junger Mann (Peter Kappner) zusammen mit seinen fatalistischen Nachbarn das
Eintreffen der Armeen in einem Berliner Bunker, während im polnischen Film Matura eine Abiturprüfung im Angesicht
der vorrückenden russischen Armee stattfindet und sich privates und politisches
vermischt.
Während die Segmente, wohl auch wegen der
Schwarz/Weiß-Ästhetik und der mangelnden Experimente mit dem Bild, stilistisch
zusammenpassen, sind sie inhaltlich deutlich unterscheidbar. Matura ist der lebendigste, aber auch
bitterste Beitrag, während Die weißen
Vorhänge recht verklausuliert daherkommt. Berlin N 65 siedelt sich dazwischen an. Auf die Bilder, die man von
einem de facto Kriegsfilm erwartet, verzichtet Der Augenblick des Friedens nicht nur aus Gründen des Budgets. Es
sind kleine Geschichten einfacher Leute, keine hohe Politik und auch keine
Ursachen- oder Wirkungsforschung. Der Krieg ist da, das Ende ebenso, es wird
halt gelebt und überlebt. Da alle Episoden nah bei ihren Protagonisten bleiben,
versagt sich der Film natürlich einen Diskurs über die Gräuel des Krieges, aber
das ist auch nicht seine Aufgabe. Über Konzentrationslager wird man in Der Augenblick des Friedens nichts
hören, auch gehören alle Protagonisten zur Mehrheitsbevölkerung, aber nicht zu
den aktiven Helfern der Nationalsozialisten. Im Endeffekt ist der Film eine
Meditation über ein Europa nach einer der größten Katastrophen der Geschichte,
über Verlust und Neuanfang. Interessant dabei ist, dass der Erwerb von Bildung
sich als roter Faden durch die Segmente zieht und als Ausweg gesehen wird. Der
kleine Junge in der ersten Episode saugt Wissen geradezu auf, nachdem es ihm
wieder zugänglich ist, der junge Mann in Berlin ist ein Intellektueller und die
Hauptfigur in Matura muss erkennen,
dass ihm mit einer sauber und in angebrachter Zeit über die Bühne gebrachter
Abiturprüfung mehr gedient gewesen wäre als mit hitzköpfigen Vorpreschen. Von
seinem Freund ganz zu schweigen. Die Botschaft, dass man nur mit Bildung und
Denkfähigkeit gegen die Schrecknisse der Zeit ankommt, ist ewig jung.
Mit Ausnahme einer etwas sperrigen, didaktischen Dramaturgie
kann man dem Film auch noch das Fehlen jeglicher Frauenfigur vorwerfen, die es
wert wäre, erwähnt zu werden. Frauen tauchen in Der Augenblick des Friedens nur als verwirrte Großmütter,
Hausmütterchen, stumme Angebetete und Opportunisten auf. Alle Episoden handeln
von männlichen Figuren, von ihren Nöten, Sorgen und ihren Geschichten. Es wäre
schön gewesen, wenn sich wenigstens einer der Regisseur aus dieser Nische heraus
bewegt oder einer weiblichen Figur zumindest einen Charakter jenseits des
Stereotyps gegeben hätte.
Was bleibt ist das Gefühl eines ambitionierten Projektes,
das dann und wann schlingert, nie aber vollends niedergeht. Der Augenblick des Friedens ist ein Film
mit einer klaren Vision eines von Hass und Desinformation befreiten Europas, in
dessen aufgeklärten Klima ein weiterer Weltkrieg undenkbar wird. Dass man 1965
so ermahnte, ist nachvollziehbar. Das man 2014, da diese Besprechung entsteht,
wieder an die Vernunft und die Besonnenheit der Europäer appellieren muss, ist
zumindest erstaunlich.
[Kein Trailer vorhanden]
Hallo,
AntwortenLöschenich hätte großes Interesse daran den Film zu sehen, doch da er anscheinend nicht gerade populär war, finde ich ihn nirgendswo. Hat jemand eine Idee, wo man ihn noch bekommen könnte?
Hi! Der Film wird am 04.05.2015 um 23:45 Uhr im NDR zum ersten Mal seit 10 Jahren wieder im Fernsehen gezeigt. Das passt sich doch gut, nicht wahr? :-)
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