Mittwoch, 21. Mai 2014

Blumen des Schreckens (1962)




BLUMEN DES SCHRECKENS
(The Day of the Triffids)
Großbritannien 1962
Dt. Erstaufführung: 23.08.1963
Regie: Steve Sekely

Es liegt in der Natur der Sache, dass man es mit Adaptionen eines Romans für ein anderes Medium niemals allen recht machen kann. Manchmal funktioniert der Film besser, wenn man das Buch nicht kennt, mal andersherum, manchmal bringt einen die Lesart des Hörbuches aus der Geschichte oder das Hörspiel trifft das individuelle Verständnis der Aussage nicht oder gestaltet die Atmosphäre zu eigenwillig. Blumen des Schreckens, basierend auf dem Science-Fiction-Romanklassiker Die Triffids von John Wyndham, ist ein gutes Beispiel für die Adaptionsschwierigkeiten, weil der zugrundeliegende Stoff bereits so viele verschiedene Medien durchlaufen hat. MARVEL adaptierte ihn als Comic, 1968 veröffentlichte der WDR eine bis heute wohlwollend aufgenommene Hörspielversion, 1969 tat es der norwegische Rundfunk NRK, die BBC hat bis heute drei Fassungen für den Hörfunk produziert, 1957, 1968 und 2001. Eine neue Kinoproduktion ist im Gespräch, zwei TV-Serien, beide unter der Schirmherrschaft der BBC 1981 und 2009 erschienen, befinden sich bereits auf dem Markt, 2001 schrieb Simon Clark eine Fortsetzung namens The Night of the Triffids. Wyndhams Geschichte beflügelt augenscheinlich immer wieder die Phantasie und auch wenn diese erste Kinofassung mit dem Roman recht wenig zu tun hat, funktioniert sie als Spektakel doch vorzüglich. Das mag Wyndham-Puristen nicht gefallen, aber als Blockbuster anno 1962 ist Blumen des Schreckens empfehlenswert.

Ein außergewöhnlicher Meteoritenschauer geht über der Erde nieder, fast alle Menschen beobachten das Schauspiel. Doch das Phänomen hat unerfreuliche Nebenwirkungen: jeder, der in dieser Nacht zum Himmel aufschaute, erblindet und eine bisher unauffällige Art fleischfressender Pflanze mutiert zu einer völlig neuen, hochaggressiven und wehrhaften Form, die sich auch noch eigenständig fortbewegen kann: die Triffids. Inmitten des ausbrechenden Chaos ist der Seemann Bill Masen (Howard Keel) einer der letzten Sehenden, weil er die Nacht mit nach einer ärztlichen Behandlung verbundenen Augen im Krankenhaus verbrachte. Zusammen mit der ebenfalls nicht erblindeten Waisen Susan (Janina Faye) führt ihn seine Reise weg aus der zerbrechenden Zivilisation Londons und auf der Flucht vor den Triffids zuerst nach Frankreich, dann nach Spanien, während ein Forscherehepaar (Janette Scott und Kieron Moore) auf einer einsamen Insel vor der englischen Küste verzweifelt nach einem Mittel gegen die Bedrohung durch die mörderischen Pflanzen sucht.

Es ist ziemlich eindeutig, dass Blumen des Schreckens als Eventfilm konzipiert wurde. Mit einem für 1962 bemerkenswerten Aufwand, der durch viele Schauplätze und apokalyptische Bildern der Prämisse gerecht wird, ist es Überwältigungskino in seiner besseren Form. Die Welt steht am Abgrund, daran lässt Regisseur Steve Sekely keinen Zweifel aufkommen. Blumen des Schreckens ist zwar eine extrem simplifizierte Version des Romans, mit dem er sehr wenig gemein hat, läuft nach den Regeln des Kinos aber wie eine gut geölte Maschine. Der menschliche Anteil an der Katastrophe wird verschwiegen, indem man den Triffids einen außerirdischen Ursprung andichtet (im Roman sind es menschengemachte Geschöpfe, die zur Ölproduktion benutzt werden) und das Ende lässt noch stärker als das Buch die Inspirationsquelle Krieg der Welten von H.G. Wells durchblicken. Blumen des Schreckens wird dadurch weniger komplex in seinen inhaltlichen Ambitionen und orientiert sich mehr an den gängigen Genremustern seiner Zeit, tut dies aber mit einer unbestreitbaren Verve.

Es ist die Größe des Projektes, die gezeigten Ausmaße seines Plots, was Blumen des Schreckens so interessant macht. Man befindet sich nicht in einer lokal begrenzten Situation, die Monster sind nicht eindämmbar und die Opferzahlen überschaubar – die Triffids sind weltweit aktiv, fast alle Menschen haben mit einem Schlag ihr Augenlicht verloren, die Gesellschaften zerfallen und öffnen der Anarchie Tür und Tor. Dramaturgisch nimmt Blumen des Schreckens auf bemerkenswerte Weise moderne Survivalgeschichten wie The Walking Dead voraus, die ebenso mit dem Motiv der ewigen Suche nach einem friedlichen Garten Eden spielen. So ist es kaum verwunderlich, dass Masons Erwachsen im Krankenhaus nach dem Beginn der Katastrophe sowohl in Danny Boyles 28 Days Later als auch eben The Walking Dead gespiegelt wird. Gerade aufgrund der gezeigten Breite der Erzählung, aufgrund so großartiger Szenen wie dem Triffid-Angriff auf ein Château, das zuvor bereits von menschlichen Aggressoren überrannt wurde (ein weiteres Motiv der modernen Zombieerzählung) ist das allzu simple, allzu leicht errungene Ende ein Schmutzfleck auf der ansonsten weißen Weste der Erzählkunst des Films.

Außergewöhnlich sind auch die Monster, schon allein, weil sie keine tierischen Mutanten oder prähistorische Ungeheuer sind. Die Triffids, die sich in ihrem Aussehen stark am Cover der ersten Hardcover-Auflage orientieren, sind amorphe Wesen, die dem Zuschauer zunächst keinen Ankerpunkt bieten – sie sind unidentifizierbare, aggressive Geschöpfe, Alpträume mit ungeahnten Fähigkeiten. Am besten funktionieren die Puppen, wenn man sich mehr auf ihre Suggestionskraft verlässt, in voller Pracht bewegen sie sich etwas holprig auf Rollbrettern durch die Landschaft, aber nichtsdestotrotz haben sie eine ungemein bedrohliche Aura. Eben weil sie sich so weit von den gängigen Filmkreaturen weg bewegen, sind sie so effektiv.

Blumen des Schreckens ist ein unterhaltsamer Film mit gut aufgelegten Darstellern, ambitionierter Dramaturgie und ebensolchen Effekten. Im Direktvergleich mag der Film den Roman verwässern, ja, man kann ihm gar vorwerfen, Wyndhams Buch nicht den nötigen Respekt zu zollen und etwas zu sehr auf die Konventionen des Kinos zu setzen, doch das Ergebnis ist so ansehnlich, so kurzweilig und spannend ausgefallen, dass man sich schwer tut, dies dem Film als aktive Zersetzung anzulasten. Blumen des Schreckens ist ein großartiger Genrefilm.



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