Freitag, 16. Mai 2014

Godzilla (2014)




GODZILLA
USA/Japan 2014
Dt. Erstaufführung: 15.05.2014
Regie: Gareth Edwards

Es ist an der Zeit, die Frauen und Männern zu beglückwünschen, die sich für das Marketing von Godzilla anno 2014 verantwortlich zeichneten. Ihre hervorragenden Trailer werden am Eröffnungswochenende sicherlich sehr, sehr viele Menschen in die Kinos locken, bevor die Botschaft die Runde macht, dass der leider allzu oft zutreffende Spruch „Don’t believe the Hype“ auch hier angewendet werden kann. Gareth Edwards, der sich mit seinem eleganten Indie-Film Monsters, in dem sich außerirdisches Leben auf der Erde einnistet und beginnt, ein eigenes Ökosystem aufzubauen, empfahl, galt als Hoffnungsträger, als jemand, dem man zutraute, den US-Sommerblockbuster mit einer Arthouse-Sensibilität zu kombinieren. Dies ist nicht gelungen, denn auch wenn Edwards durchaus mit der Erwartungshaltung des Publikums spielt, geht das Kalkül nicht auf, denn Godzilla verlangt, dass man mit Charakteren mitfiebert, die die Tiefe einer Pfütze haben. Natürlich erwartet man im Grunde in einem Film mit einem riesigen Reptil im Titel keine tiefschürfenden Figuren, aber gerade weil Edwards und Drehbuchneuling Max Borenstein den Zuschauer zwingen, sich größtenteils mit den menschlichen Protagonisten zu beschäftigen, ist deren armselige Charakterisierung durchaus als Frechheit zu werten.

1999 erwecken Bergbauarbeiten auf den Philippinen ausversehen ein vorzeitliches Ungeheuer, dass sich von Radioaktivität ernährt. Auf seiner Suche nach Nahrung steuert es das nächstgelegene Atomkraftwerk in Japan an und löst mit seinem unerkannten Besuch eine Katastrophe aus, bei der die Mutter (Juliette Binoche) des kleinen Ford (CJ Adams) ums Leben kommt. Sein Vater Joe (Bryan Cranston) kann mit dem Verlust nicht umgehen und sucht auch noch 15 Jahre später nach einer Erklärung für das Unglück. Ford (Aaron Taylor-Johnson) ist inzwischen mit Elle (Elizabeth Olson) verheiratet und hat seinerseits einen kleinen Sohn (Carson Bolde). Als der als Kampfmittelbeseitiger bei den US-Streitkräften arbeitende Ford nach einem Einsatz nach Hause kommt, erwartet ihn gleich der nächste Auftrag: sein Vater ist in Japan wegen wiederholtem Betreten des gesperrten Gebietes des ehemaligen Atomkraftwerks verhaftet worden. Ford begibt sich nach Japan, um seinen Vater aus dem Gefängnis zu holen und stolpert so unversehens mit in dessen manische Recherchen hinein. Schon bald sollen sie der Ursache für das damalige Unglück Auge in Auge gegenüberstehen, denn das Monster von damals ist nun ausgewachsen und begibt sich auf Brautschau. Da erscheint es durchaus als Glücksfall, dass man 1954 versehentlich eine weitere urweltliche Kreatur geweckt hat, die sich nun als Spitze der Nahrungskette erweist und Jagd auf das andere Monster machen kann: Godzilla.

Das Godzilla die Bedrohung durch eine unkontrollierbare Gewalt auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, die Familie, herunter bricht, ist nichts neues. Doch selbst die Tom-Cruise-Sippschaft in Steven Spielbergs Version von Krieg der Welten war interessanter als die Brodys. Oder spezifiziert: als Ford Brody. Aaron Taylor-Johnson, der als Hänfling in Kick-Ass bekannt wurde, sieht inzwischen wie ein Channing-Tatum-Klon aus und spielt dementsprechend. Sein Ford ist so derartig blass, dass man knapp 40 Minuten hofft, er möge einfach nur als lästiges Anhängsel seines Vaters Joe durch den Film wandeln. Bryan Cranston ist ein begnadeter Schauspieler, der durch sein Spiel eine sofortige, glaubwürdige Reaktion beim Publikum generieren kann. Wenn Joe weint und tobt, ist man als Zuschauer sofort mit in seinem emotionalen Sog, eben weil Cranston so gut ist. Doch dann verabschiedet er sich nach nicht einmal der Hälfte der Spielzeit aus dem Film und in Sachen menschliche Ankerpunkte stirbt Godzilla einen langsamen Tod. Der Rest der Familie Brody ist so langweilig charakterisiert, so lustlos ins Szene gesetzt, dass man sich ständig fragt, warum man gezwungen wird, mit diesen Figuren die Zeit zu verbringen.

Sicherlich könnte man unter anderen Umständen darüber hinwegsehen, waren doch auch die Protagonisten im letztjährigen, alles in allem erfolgreicherem „Giant-Monster-Movie“ Pacific Rim nicht gerade Ausgeburten der Originalität, aber immerhin lebendiger gezeichnet, aber gerade weil Edwards mehr abliefern will als ein Standardprodukt und sich, wie in Monsters demonstriert, für die menschlichen Dimensionen seiner Situationen interessiert, fallen die extremen Disharmonien so ins Gewicht. Für 40 Minuten ist der Film ein unterhaltsam aufgeblähtes B-Movie, danach kann man das Wörtchen „unterhaltsam“ streichen. Es ist erstaunlich, wie sehr Godzilla von Cranston profitiert und wie sehr sein Verlust eine Lücke in die Gefühlswelt des Films reißt.

Sind dann wenigstens die Szenen ein Erfolg, für die man schließlich in einen Godzilla-Film geht? Bedingt. Man ist sehr darauf bedacht, der Action keinen allzu großen Raum zuzugestehen, was bei einem Film dieser Art etwas irritierend ist. Bis zum großen Finale, in dem Godzilla gegen zwei andere Monster kämpft und dabei San Francisco in Schutt und Asche legt, verweigert sich das Werk konsequent einer Ausbuchstabierung seiner Zerstörungsorgien. Der erste Kampf zwischen Godzilla und einem seiner Gegner wird durch flüchtige TV-Bilder abgefrühstückt, ebenso die Zerstörung von Las Vegas. Das ist als Spiel mit den Erwartungshaltungen des Publikums interessant, dürfte aber auch für diverse Unstimmigkeiten sorgen. Wenn man nicht vom Showdown überzeugt wird, könnte man das Gefühl bekommen, recht wenig von dem gesehen zu haben, wofür die Godzilla-Filme bekannt sind.

Irritierend ist auch die Geschichte, mit der man die Existenz von Godzilla und den anderen M.U.T.O.s (Massive Unidentifizierte Terrestrische Organismen) erklärt. War Godzilla im japanischen Original 1954 ein durch Menschenhand entstandenes Ungeheuer, eine Bedrohung als Sinnbild für die Maßlosigkeit und die Zerstörungskraft des Menschen, die sich in Form eines wütenden Tieres rächt, sind die Monstren hier Teil eines ominösen urzeitlichen Ökosystems, dass 1954 durch Expeditionen in die Tiefsee teilweise reaktiviert wurde. Die Atomtests der 1950er-Jahre waren in der Welt von Godzilla denn auch keine Tests, sondern Versuche, das Biest zu töten. Das ist alles ziemlich holprig und wird bemerkenswert verklausuliert erzählt bis zu dem Punkt, an dem man sich fragt, was an durch Strahlung entstandenen Ungeheuern denn so schlecht sein soll. Der kritische Ansatz, den man im Japan der Fünfziger noch mit der Erschaffung von Gojira verfolgte, wird hier in den Hintergrund gedrängt, die menschliche Verantwortung marginalisiert und durch einen wie zufällig eingeworfenen Satz des „magical asian guys“ Dr. Ichiro Serizawa (Ken Watanabe) beendet. Dementsprechend zündet auch die Idee nicht richtig, dass man durch Atommüll das Heranwachsen eines weiteren M.U.T.O.s erst möglich gemacht hat.

Reich ist Godzilla hingegen an visuellen Einfällen, einige hat Edwards zwar aus Monsters recycelt, andere hingegen sind geradezu grandios. Das Bild eines unter einem Flugzeugträger schwimmenden Godzillas oder auch, wie das riesenhafte Tier von eben solchen Schiffen de facto eskortiert wird - das Bild einer bizarren Allianz. Und wenn der titelgenende „König der Monster“ am Ende ins Meer verschwindet, sich die Wellen sofort wieder glätten und Stille eintritt, dann hätte man dieses Bild durchaus länger genießen können als die paar Sekunden, die dem Publikum zugemutet werden. Weniger erfolgreich dagegen ist der zu Trailerzwecken bereits ausgeschlachtete Sprung aus einem Flugzeug mitten hinein ins monströsen Geschehen, der eher wie eine Reminiszenz an Transformers 3 wirkt. Hervorragend ist der Vorspann, ein hübsch gestaltetes Werk aus Archivaufnahmen und solchen, die sich dafür ausgeben.

Was bleibt also am Ende außer einem leidlich unterhaltsamen Monsterfilm mit verhältnismäßig vielen Monstern, die nicht auf den Namen Godzilla hören? Nicht viel. Handwerklich hervorragend stehen den ansehnlichen Effekten und den vielen tollen Details vergessenswerte Figuren und ein mäanderndes Skript gegenüber. Mehr als angestrengte Blockbuster-Durchschnittsware ist auch Godzilla nicht geworden. Es ist löblich, dass Hollywood versucht, durch die Verpflichtung von unverbrauchten Regisseuren ihren Eventfilmen einen neuen Stempel aufzudrücken. Doch der erhoffte Spagat misslingt, hauptsächlich, weil man sich auf Figuren verlässt, die den Film nicht tragen können. Wenn dann auch noch das Spektakel weitestgehend ausbleibt, schiebt man doch lieber das japanische Original in den Player. Oder einen der nachfolgenden, größtenteils hemmungslos bekloppten Godzilla-Filme. Mehr Freude wird man daran auf jeden Fall haben.



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