Donnerstag, 3. April 2014

Geld her oder Autsch'n! (2013)




GELD HER ODER AUTSCH’N!
Deutschland 2013
Dt. Erstaufführung: 05.09.2013
Regie: René Marik & Johan Robin

ACHTUNG! Der letzte Absatz dieser Besprechung enthält Spoiler zum Filmende. Wer das (noch) nicht erfahren will, weiß, was zu tun ist.

Jeder, der sich mit Hand- und Bauchrednerpuppen in die Öffentlichkeit wagt, muss sich fast schon zwangsläufig mit Jim Hensons Muppets vergleichen lassen. Durch Charisma, Anarchismus und Lebensfreude haben sich Kermit, Miss Piggy, Gonzo & Konsorten längst einen Platz im kulturellen Gedächtnis vieler Menschen gesichert und so ist es nur natürlich, dass sich sofort geistige Parallelen aufbauen, sobald sich jemand auf der Bühne oder im Fernsehen ins Zwiegespräch mit einer Puppe begibt. Die momentan erfolgreichsten Puppenspieler aus Deutschland sind auch noch allesamt in einer Zeit geboren worden, in der die Muppets ihren Erfolgszug um den Globus exzessiv voranpuschten. René Marik, der Kopf hinter Geld her oder Autsch’n! ist mit dem Jahr 1970 auf der Geburtsurkunde schon der Älteste, andere Stars des Metiers wie Sascha Grammel (*1974), Martin Reinl (*1975) oder Michael Hatzius (*1982) wurden noch mehr in den Muppet-Boom der 1970er und 1980er Jahre hinein geboren. Alle haben eigene Wege gefunden, um sich von den Vorbildern zu emanzipieren; Reinl ist derjenige, der am offensten mit der großen Inspirationsquelle umgeht. Seine Wiwaldi Show ist unbestreitbar der Versuch, eine deutsche Version der Muppet Show zu etablieren. Schaut man Geld her oder Autsch’n! an, bekommt man fast unbändige Lust, davon ein paar Folgen am Stück zu begutachten. Denn es ist ausgerechnet Marik, derjenige mit den unkreativsten, unlustigsten Kreaturen im Schlepptau, der es geschafft hat, per Crowdfunding einen Kinofilm auf die Beine zu stellen. Würde man nur diesen Film kennen, man würde der deutschen Puppencomedy-Szene auch nur das minimalste Existenzrecht absprechen.

Dem „Theater der Freude“ steht das Wasser bis zum Hals: Weil der Kaspar die Pacht nicht zahlte, steht das marode Gebäude nun kurz vorm Abriss und die abgehalterte Puppentheater-Schar mit einem Bein auf der Straße. Wie gut, dass das Krokodil ein alter Studienfreund von Kalle, dem Eisbären ist, der zusammen mit dem Maulwurf und dem pedantischen Frosch Falkenhorst fast jeden Abend in ausverkauftem Haus auftritt. Kurzerhand wird Kalle entführt und Lösegeld verlangt. Dies stellt nicht nur seine Freunde vor eine Herausforderung, sondern ruft auch Kalles gemeingefährliche Drogenquelle Spec (Christoph Maria Herbst) auf den Plan…

Das Beste an Mariks TV-Auftritten war stets, dass sie meistens in überschaubarer Zeit wieder vorbei waren. Die Auftritte des blinden Maulwurfes mit Sprachfehler oder des derben Kalles waren weder sonderlich witzig noch handwerklich gut umgesetzt. Mariks Wesen sind keine elaborierten Puppen und selbst die „komplizierteren“ Charaktere wie Falkenhorst haben so gut wie kein Ausdrucksvermögen, was wohl auch damit zusammenhängt, dass sich Mariks Texte oft so anhören, als würde er sie sich gerade in diesem Moment ausdenken. Entsprechend niedrig ist die Trefferquote bei den zwangslustigen Einlagen. Der manchmal aufkommende Vergleich mit den Darbietungen Helge Schneiders hinkt deshalb auch. Schneider beherrscht die Kunst der Improvisation und seine wahnwitzigen, oftmals zunächst wirren Anekdoten kommen irgendwann zu einem (wie auch immer gearteten) Ende. Maulwurf und Co. drehen endlose Achten. Warum offensichtlich genug Menschen dies auch noch im Kino sehen wollten, bleibt ein Rätsel. Dass sie für ihre Unterstützung mit einer allgemeinen Erwähnung abgespeist und nicht mit einer namentlichen Nennung wie kürzlich beim ebenfalls durch Fans finanzierten Stromberg – Der Film geehrt wurden, ist nur eine von vielen Beleidigungen, die Geld her oder Autsch’n! offeriert.

Die Welt der Muppets wurde bis heute nicht erklärt, man muss ich damit abfinden, dass in dieser alternativen Realität Menschen neben anderen Lebensformen, die sich kollektiv Muppets nennen, existieren. Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert auch Geld her oder Autsch’n! Am interessantesten ist noch das Konzept, dass der Film die gängigen Handpuppen des klassischen Kasperle-Theaters als autonome Wesen begreift, aus der Prämisse, dass lebende Puppen in einer Mischwelt Puppen spielen, aber wenig macht. Zumal es neben den drei Protagonisten aus den Bühnenprogrammen und der überschaubaren Anzahl Kasperle-Holzköpfen keine anderen Puppen in dieser Welt zu geben scheint. Man sieht einmal zwei Mäuse im Hintergrund und Michael Hatzius‘ Echse hat einen sehr kurzen Cameoauftritt, aber ansonsten wird die Chance, dieses spezifische Universum zu erweitern, ebenfalls nicht genutzt. So muss man sich ständig mit den ausdruckslosen Figuren herumplagen, die den Film bevölkern, die Illusion wird nie zur gefühlten Realität. Während es Martin Reinl ähnlich wie Jim Henson gelingt, hinter seinen Figuren zu verschwinden, vergisst man in Geld her oder Autsch’n! nie den Puppenspieler, der nur mühsam aus dem Bild gehalten werden kann.

Nun könnte man all die fehlende Raffinesse vielleicht noch vergessen, wenn der Film, für den Marik zusammen mit Thomas Brussig (Sonnenallee, sowohl Roman als auch Drehbuch) das Script verfasste, wenigstens einigermaßen unterhaltsam oder witzig wäre. Solche Hoffnungen zerschlagen sich sehr schnell. Geld her oder Autsch’n! zieht sich über seine knapp 90 Minuten Spielzeit wie zäher Kaugummi, Ausflügen ins Badezimmer bei einer DVD-Sichtung muss nicht die Betätigung der Pause-Taste vorangehen. Man wird nichts verpassen. Der Plot, der sich grob an Die Muppets von 2011 anlehnt, ist voller überflüssigem, unerträglich langgezogenem Füllmaterial, es gibt praktisch keine guten oder überraschenden Gags und wenn der Film sich durch den Drogenkonsum von Kalle oder das Betatschen menschlicher Frauen durch Puppen einen subversiven Anstrich verpassen möchte, bleibt er auf der einen Seite dennoch geradezu erschreckend zahm, auf der anderen verkennt er, dass Peter Jackson diese im vorliegenden Fall nur behauptete Dekonstruktion der Muppet Show schon 1989 mit Meet the Feebles vornahm. So kann sich der Film stilistisch nie entscheiden und wirft mit Spec lieber einen überraschend gewalttätigen Schurken ins Rennen, anstatt sich um seine tonalen Probleme zu kümmern. Geld her oder Autsch’n! macht schlicht und einfach keinen Spaß, wohl auch, weil das Endprodukt oft so lieblos zusammengeschustert wirkt.

Womöglich ist lieblos genau das richtige Wort. René Marik zieht sich vom Puppenspiel zurück, es wird keine neuen Shows mit den Kreaturen geben, Geld her oder Autsch’n! ist quasi der Abschluss dieses Lebenskapitels. Angesichts der Qualität von Maulwurf und Co. kann man diese Entscheidung nur begrüßen, aber man sollte doch meinen, dass Marik im letzten großen Auftritt seiner Figuren mehr investieren würde. Man hat ständig das Gefühl, dass alle Beteiligten das Unterfangen nur schnell über die Bühne bringen wollten, sogar die Outtakes im Abspann kann man dahingehend interpretieren. So ist es sicherlich der größte Coup des Films, Falkenhorst am Ende sterben und den Maulwurf von einem Traktor überfahren zu lassen. Damit kann er zumindest diejenigen unter den Zuschauern befriedigen, die der gnadenlos unwitzigen Bande schon die ganze Zeit den Tod wünschten, dürfte aber viele Fans eher irritieren. Der leblos auf einem gefrorenen Acker liegende Maulwurf – wer hätte schon mit solch einem Ende gerechnet? Es ist nichts anderes als ärgerlich, dass diese Kompromisslosigkeit nicht den ganzen Film prägte. Geld her oder Autsch’n! ist vergeudetes Geld und vergeudete Lebenszeit.




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