ES WERDE STADT! – 50 JAHRE
GRIMME-PREIS IN MARL
Deutschland 2014
Dt. Erstaufführung: 04.04.2014 (TV-Film)
Regie: Martin Farkas & Dominik Graf
Deutschland 2014
Dt. Erstaufführung: 04.04.2014 (TV-Film)
Regie: Martin Farkas & Dominik Graf
Angesichts des Inhalts dieses TV-Films
ist der biedere, totlangweilige Untertitel, der dem interessanten Haupttitel
folgt, sicherlich nicht von ungefähr
gewählt. Es werde Stadt! ist ein
Essayfilm über das deutsche Fernsehen in der Nachkriegszeit, den renommierten
Grimme-Preis und die Stadt Marl im Wandel vom gesellschaftlichen Utopienentwurf
zum abgehalfterten Ort mit betongewordener Melancholie in der ehemals
progressiven Architektur. Wie das zusammenpasst? Der Grimme-Preis wird in Marl
verliehen und die Stadt selbst war einst ein Vorzeigeprojekt, in dem die
Volkshochschule die insel hieß und
nicht schnöd VHS Marl. Inzwischen ist der Ort, einst von Reichtum gesegnet, im
Niedergang begriffen, ein Sterben auf Raten, dass mit dem Strukturwandel im
Ruhrgebiet und dem damit verbundenen Zechensterben einsetzte. Anwohner
beschweren sich über das mangelnde Angebot jedweder Freizeitaktivität, von den
zwölf Kinos, die zu Bergbauzeiten noch in der Stadt existierten, ist scheinbar
kein einziges mehr geblieben. Kino.de
listet das nächste Lichtspielhaus in Gelsenkirchen auf, knapp neun Kilometer
entfernt, und auch von der selbstbewussten Präsenz der VHS und ihrem
Versprechen von Bildung für alle ist nicht mehr viel zu erkennen.
Wie passt dies alles nun zur Geschichte des Fernsehens? Die
Parallelen, die die Regisseure Dominik Graf und Martin Farkas ziehen, sind
interessant: wie Marl startete auch das zu jenen Zeiten noch ausschließlich
öffentlich-rechtlich besetzte Fernsehen mit hehren Ansprüchen, nahm seinen
Bildungs- und Kulturauftrag ernst und zeigte sich auch schon einmal
unangepasst, also konfliktfreudig. So sehr man dieser Behauptung auch die
Kehrseite vorhalten kann, nämlich Spießigkeit und Mief des Fernsehens „von
früher“ und man dafür sicherlich genauso viele Archivschnipsel finden könnte
wie für die Gegenbehauptung, finden Farkas und Graf dennoch durchaus stimmige
Bilder zur Veranschaulichung einer Behauptung, die sonst schlicht mit „früher
war alles besser“ umschrieben werden könnte. Das geradezu wilde,
expressionistische Logo des kleinen ZDF-Fernsehspiels im Kontrast zum
überraschungsarmen, angepassten Erscheinungsbild heute. Oder der kreative,
surreale Ankündigungstrailer für den „phantastischen Film“ – eine Entdeckung,
für die allein sich der ganze Film schon lohnt.
In der Lesart der Macher ist davon nicht mehr viel geblieben und eine Zeit lang sieht es so aus, als würde man wieder einmal das Privatfernsehen für den Niedergang verantwortlich machen. Doch man findet andere Ansatzpunkte, ohne das Argument des Quotendrucks, der von den kommerziellen Sendern auf das öffentlich-rechtliche überschwappte, gänzlich auszublenden. Es entbehrt aber nicht einer süffisanten, investigativen Komik, wenn der Sendebeginn von Die Schwarzwaldklinik als Meilenstein auf dem Weg zur Verflachung des Programms gesehen wird und der war 1985, als das Privatfernsehen noch gar nicht wirklich ernst genommen wurde. Oder doch? Sind Sendungen wie diese oder Das Traumschiff nur aus vorauseilendem Gehorsam entstanden, weil man fürchtete, das zunehmend hedonistischere Publikum an die schrille Konkurrenz zu verlieren? Es werde Stadt! befeuert den Zuschauer fast zwei Stunden lang mit allerlei Thesen, Infos, Standpunkten und liefert für fast alle auch durchaus schlüssige Ansätze.
In der Lesart der Macher ist davon nicht mehr viel geblieben und eine Zeit lang sieht es so aus, als würde man wieder einmal das Privatfernsehen für den Niedergang verantwortlich machen. Doch man findet andere Ansatzpunkte, ohne das Argument des Quotendrucks, der von den kommerziellen Sendern auf das öffentlich-rechtliche überschwappte, gänzlich auszublenden. Es entbehrt aber nicht einer süffisanten, investigativen Komik, wenn der Sendebeginn von Die Schwarzwaldklinik als Meilenstein auf dem Weg zur Verflachung des Programms gesehen wird und der war 1985, als das Privatfernsehen noch gar nicht wirklich ernst genommen wurde. Oder doch? Sind Sendungen wie diese oder Das Traumschiff nur aus vorauseilendem Gehorsam entstanden, weil man fürchtete, das zunehmend hedonistischere Publikum an die schrille Konkurrenz zu verlieren? Es werde Stadt! befeuert den Zuschauer fast zwei Stunden lang mit allerlei Thesen, Infos, Standpunkten und liefert für fast alle auch durchaus schlüssige Ansätze.
Eine der prominentesten aber bleibt die These vom allzu
langsamen Umdenken. Der Strukturwandel war (und ist) wohl auch deshalb so
schmerzhaft, weil niemand sich rechtzeitig um Alternativen kümmerte. Ähnlich
wird das von den Autoren ja durchaus mit guten Erinnerungen und Erfahrungen
verknüpfte Fernsehen alter Schule interpretiert (der Film beginnt mit einer
Montage, wie sich Babyboomer gegenseitig erzählen, was für Sendungen sie früher
geliebt und geschaut haben – von Die
Sesamstraße über Flipper bis zum
Magazin Mosaik). Anstatt sich auf die
eigenen Stärken zu konzentrieren und dem Auftreten der Konkurrenz bewusst etwas
Konterkarierendes entgegenzusetzen, schwamm man mit dem Strom und inzwischen
sind auch ARD, WDR und Co. unter dem Diktat der Quote. Der Vorwurf, dass man
durch Gewöhnung des Zuschauers an die immer gleichen formatierten Sendungen, an
die Übermacht des US-amerikanischen Films und die zunehmend
gleichförmig-schreiende Aufmachung ohne nennenswerte Alternativangebote ihm die
Diskursfähigkeit und –möglichkeit nimmt, ist nicht neu. Dennoch schaffen Graf
und Farkas es, sie mit leicht abgewandeltem Blick zu betrachten und auch die
Frage nach der letztgültigen Stimmigkeit zu fragen. Nur weil die beiden es in
den Raum werfen, ist dies nicht gleichbedeutend mit sklavischer Zustimmung
seitens des Zuschauers. Es werde Stadt!
weiß um die Intelligenz seines Publikums und will sich der Diskussion stellen,
sogar derer, ob eine Sendung wie Das
Dschungelcamp für einen Grimme-Preis nominiert werden sollte oder nicht
(wie 2013 geschehen)
So ist die Programmplatzierung des Films fast schon
ironisch, wenn auch auf sehr traurige Art. Es gehört inzwischen zu den
Standardaussagen über das deutsche, zumal das öffentlich-rechtliche Fernsehen,
dass die interessanten, mitunter sperrigen, aber dennoch diskurswürdigen
Sendungen nicht mehr zur besten Sendezeit, sondern im Nachtprogramm
ausgestrahlt werden. Es werde Stadt!
wurde bei seiner Premiere am 04.04.2014 im WDR um 23:15 Uhr ins Programm
genommen, es folgten der NDR am 08.04.2014 mit 0:00 Uhr und der SWR am
09.04.2014 mit 23:30 Uhr; der BR wird die Koproduktion am 03.06.2014 um 22:45
Uhr ausstrahlen und damit den bis dato frühsten Termin markieren. Nicht nur
schlicht unwürdig dem involvierend gestalteten Film gegenüber, sondern schlicht
unverschämt im Hinblick auf das Sujet. Als hätte man diesen durchaus
selbstkritischen Blick zwar zur Gewissensberuhigung produziert, sei nun aber
nicht gewillt, die ihm innewohnende Forderung nach mehr Mut, nach mehr
Reibereien im Abendprogramm auch konsequent durchzusetzen.
So scheint es fast schon vorprogrammiert, dass Es werde Stadt! nur zu einer mehr oder minder hermetisch abgeschlossenen Diskussion führen wird. Film- und Fernsehjournalisten werden darüber sprechen, Seiten wie diese auf das Werk hinweisen, aber darüber hinaus? Es werde Stadt! ist ein durch seine schiere Fülle an Informationen ein vielleicht etwas anstrengender Film, der selbstredend dem Zuschauer mehr abverlangt als der neuste ARD-Freitagsfilm. Aber die Mischung aus Dokumentation, Thesenschlacht, Verschwörungstheorie und nostalgischer Fundgrube funktioniert so gut, dass man nur hoffen kann, dass sich Wiederholungen doch noch zeitnah den Weg ins Hauptprogramm erkämpfen – und das fernab der wunderbaren, in ihrer Reichweite aber beschränkten Spartenkanäle wie 3sat und arte.
So scheint es fast schon vorprogrammiert, dass Es werde Stadt! nur zu einer mehr oder minder hermetisch abgeschlossenen Diskussion führen wird. Film- und Fernsehjournalisten werden darüber sprechen, Seiten wie diese auf das Werk hinweisen, aber darüber hinaus? Es werde Stadt! ist ein durch seine schiere Fülle an Informationen ein vielleicht etwas anstrengender Film, der selbstredend dem Zuschauer mehr abverlangt als der neuste ARD-Freitagsfilm. Aber die Mischung aus Dokumentation, Thesenschlacht, Verschwörungstheorie und nostalgischer Fundgrube funktioniert so gut, dass man nur hoffen kann, dass sich Wiederholungen doch noch zeitnah den Weg ins Hauptprogramm erkämpfen – und das fernab der wunderbaren, in ihrer Reichweite aber beschränkten Spartenkanäle wie 3sat und arte.
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