Mittwoch, 9. April 2014

Last Passenger - Zug ins Ungewisse (2013)




LAST PASSENGER – ZUG INS UNGEWISSE
(Last Passenger)
Großbritannien 2013
Dt. Erstaufführung: 17.01.2014 (DVD-Premiere)
Regie: Omid Nooshin

Ich gehöre ja gern zu den Leuten, die den Actionfilmen der vergangenen Dekaden nachtrauern. Stirb langsam, die Reihe, die in den 1980ern so grandios startete, ist inzwischen zu einer kaum noch zu ertragenen Witzfigur verkommen. Stattdessen wird das Publikum mit The Expendables oder Wanted belästigt oder gleich mit einem neuen Michael-Bay-Film. Roland Emmerich, auch so ein notorischer Fachmann für das kinotaugliche zerstören von allem, was sich ihm in den Weg stellt, versuchte es letztes Jahr mit White House Down, legte dabei aber vor allem die stoffeligen Elemente des Genres neu auf, während sein Konkurrenzprodukt Olympus Has Fallen .- Die Welt in Gefahr einfach nur den Zuschauer beleidigte. Ferner bietet vor allem die nicht enden wollende Flut an Superheldenfilmen viel Raum für generischen Bombast.
Regienewcomer Omid Nooshin hat nun etwas geschafft, an dem so viele scheitern: er hat einen im besten Sinne altmodischen Actionfilm gedreht. Sein Last Passenger, hierzulande nur auf DVD ausgewertet, ist unterhaltsam, flott inszeniert und hebt sich vor allem durch seine angenehm ausführliche Exposition von der Konkurrenz ab. Nooshin sind seine Figuren (größtenteils) nicht egal und er verzichtet auch auf die ganz großen Albernheiten, mit denen der Actionfilm sonst gerne aufwartet (das schlitternde Auto aus Wanted und R.E.D. 2 gefällig?).

An Bord eines alten Zuges, der sich durch das nächtliche London nebst Vororten bewegt, befinden sich am Ende eines langen Tages nur noch eine Handvoll Passagiere: Arzt Lewis (Dougray Scott), sein siebenjähriger Sohn Max (Joshua Kaynama), die freundliche Sarah (Kara Tointon), der Tagelöhner Jan (Iddo Goldberg), der unsympathische Peter (David Schofield) und Elaine (Lindsay Duncan), die auf dem Weg zu ihren Enkeln ist. Als der Zug anfängt, nicht mehr in den Stationen zu halten und der Schaffner (Samuel Geker-Kawle) unauffindbar bleibt, dämmert der Schicksalsgemeinschaft schließlich, dass ihr Zug von einem Unbekannten gekapert wurde, der nun mit Höchstgeschwindigkeit und sabotieren Notbremsen dem Endpunkt entgegen rast. Viel Zeit bleibt den Passagieren nicht, um einen Weg aus ihrer brenzligen Situation zu finden…

Nooshins Vorbild war augenscheinlich Jan de Bonts meisterhafter Speed. Man ersetzte den Bus nur durch einen Zug von schon hat man eine ähnliche Prämisse, nur dass sich der Regisseur, der zusammen mit Andy Love das Drehbuch schrieb, weniger für den charismatischen Schurken, damals dargestellt von Dennis Hopper, interessiert. Vielmehr gar nicht, denn der Zugentführer, seine Identität und seine Motive sollen verborgen bleiben. Nooshin lässt seine Figuren etwas spekulieren, hält sich aber ansonsten so bedeckt, wie es der Situation wohl angemessen ist. Kein Polizist ist an Bord, es gibt kaum Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit der Außenwelt und der Schurke ist nicht von jener selbstgefälligen Art, die ihre Pläne kurz vor der finalen Konfrontation noch ausführlich erklären will. So geht es in Last Passenger schlicht um die Lösung der Misere und Nooshin bleibt ganz bei seinen Charakteren.

Diese sind ohnehin das große Plus des Films. Aus den gängigen Stereotypen werden innerhalb des mit 90 Minuten ziemlich ökonomisch inszenierten Films Figuren jenseits des Klischees, einzig mit Lindsay Duncans Elaine kann der Film so wenig anfangen, dass man sich wundert, warum sie nicht ganz aus dem Drehbuch gestrichen wurde. Ansonsten ist Last Passenger gut darin, dem Zuschauer sympathische Figuren an die Hand zu geben, die so gar nichts vom das Genre sonst so gern bewohnenden Kanonenfutter haben. Dougray Scott (der aussieht wie der Bruder von Clive Owen) bleibt zwar der Held, Iddo Goldberg und David Schofield gelingt es aber, ihre Rollen des Unruhestifters und des steifen, autoritätshörigen älteren Herren mit individuellen Zügen auszustatten. Kara Tointons Rolle wird gar um einen ambivalenten Part erweitert, der zwar am Ende vergessen wird, aber nicht unerheblich zur Atmosphäre beiträgt, da man sich nicht sicher sein kann, ob sie nicht ein doppeltes Spiel spielt.

So rast Last Passenger wie sein Zug dahin, lässt sich jedoch Zeit, seine Figuren einzuführen und zu entwickeln und versinkt auch danach nicht in Übertreibungen. Nooshin inszeniert seinen Actionthriller spannend und selbstredend nicht ohne brenzlige Situationen, aber macht daraus nicht eine bemühte Leistungsschau wie der ebenfalls von einem außer Kontrolle geratenen Zug handelnde Unstoppable. Natürlich hat auch er seinen Anteil an hinterfragungswürdigen Umständen, aber einen Genrefilm wie diesen auf seine absolut wasserdichte Logik abzuklopfen ist ein ziemlich müßiges Unterfangen. Last Passenger hat genügend Tempo, Spannung und Charakter, dass dies nicht ins Gewicht fällt. Wer dann auch noch mit dem gesichtslosen Schurken leben kann, der bestenfalls als Projektionsfläche für eigene Spekulationen herzuhalten vermag, den erwartet ein gelungener Genrebeitrag, für den sich ein Trip zu Videothek auf jeden Fall lohnt.



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