Montag, 7. April 2014

Die Muppets erobern Manhattan (1984)




DIE MUPPETS EROBERN MANHATTAN
(The Muppets Take Manhattan)
USA 1984
Dt. Erstaufführung: 22.03.1985
Regie: Frank Oz

Es ist gut möglich, dass dies von den drei „klassischen“ (sprich: unter direkter Mitwirkung von Jim Henson entstandenen) Muppets-Filmen derjenige ist, dem das deutsche Publikum am häufigsten ausgesetzt war, gehörte er doch einige Zeit zum Standardrepertoire des Senders SAT.1. Außerdem ist er ein einziges Durcheinander, in dem man sich nur allzu gern verlieren mag. Die Muppets Erobern Manhattan sorgt gerade beim US-amerikanischen Publikum durch zwei Umstände für Irritationen: zum einen verlangt der Film, dass man die Muppets als College-Absolventen akzeptieren (was dem deutschen Publikum durch die größere Systemdistanz wohl besser gelingt), zum anderen hängt ihm der Vorwurf nach, nur ein Aufguss des in den Staaten über alles geliebten Muppet Movie zu sein. Dies ist nicht ganz von der Hand zu weisen, bringt er die Puppentruppe doch in diverse Situationen, die sich wie eine Neuauflage aus dem Kinodebüt anfühlen, wenn auch gefiltert durch die Augen eines weitaus weniger idealistischen Betrachters. Der dritte Film, diesmal unter der Regie von Frank Oz (In & Out – Rosa wie die Liebe), ist sicherlich derjenige Beitrag zur Reihe, der sich die meisten durchweg ernsten Zwischentöne leistet. Weniger wert wird er dadurch nicht, ganz im Gegenteil. Von den drei Henson-Muppet-Filmen reicht er nicht an den puren Spaß von Der große Muppet Krimi heran, überflügelt aber durchaus in punkto Dramaturgie und emotionale Resonanz den Erstling Muppet Movie.

Die Muppets-Kerntruppe, sprich Kermit, Miss Piggy, Gonzo, Camilla, Fozzie, Rowlf, Scooter und Dr. Goldzahn nebst Band, haben ihren College-Abschluss in der Tasche und versuchen, ihr kreatives Studienendprodukt, das Bühnenmusical Manhattan Melodies, am Broadway unterzubringen. Dies erweist sich als schwieriger als gedacht und nach einiger Zeit zerbricht die Gruppe, um sich auf der Suche nach eigenen Jobs in alle Winde zu zerstreuen. Nur Kermit bleibt im Big Apple und versucht es auf eigene Faust, einen Produzenten zu überzeugen. Nebenbei verdient er etwas im Imbiss von Pete (Louis Zorich) und seiner Tochter Jenny (Juliana Donald), die außer ihm auch eine Truppe Ratten unter der Führung von Rizzo arbeiten. Nach einigen Misserfolgen findet Kermit in Ronnie Crawford (Lonny Price) dann tatsächlich einen idealistischen jungen Produzenten, kurz bevor das Schicksal unerwartet zuschlägt und die ganze Aktion bedroht…

In Muppet Movie mussten die Freunde einfach in das Büro eines Hollywood-Tycoons laufen und bekamen von Orson Welles einen „Standard-Reich-und-berühmt-Vertrag“. Es war der ultimative amerikanische Traum: jemand glaubt so sehr an deine Idee, dass er sie ungeachtet deiner sonstigen Qualifikationen unterstützt und eine Truppe gesellschaftlich marginalisierter zu Stars macht. Womöglich hat es etwas mit dem Zeitgeist zu tun, aber der 1984 erschienene Die Muppets erobern Manhattan präsentiert ein sehr viel gesetzteres, um nicht zu sagen realistischeres Bild des Wegs zum Ruhm in einer Welt, in der sprechende Tiere augenscheinlich nichts Besonderes sind. Der Erfolg stellt sich nicht sofort ein, fast alle Muppets glauben sogar irgendwann nicht mehr an das Gelingen, was zu einem der emotional grundehrlichsten Songs aller Muppet-Filme führt. Wenn sich die Freunde trennen und dazu eine melancholische Weise auf den fusseligen Lippen haben, zeigt sich wieder einmal die bemerkenswerte Expressivität von Hensons Kreaturen. Dies sind eigentlich nur singende Socken, aber es gehört eben zur imaginativen Kraft des Kinos, dass man als Zuschauer diesen Umstand komplett vergisst. Außerdem ist es bis heute ein Novum, Kermit & Co. in ökonomischer Bedrängnis zu sehen. Die Muppets erobern Manhattan ist zweifellos der am meisten auf dem Boden der Tatsachen verhaftete Film der Reihe.

Es ist wohl auch diesem Umstand geschuldet, dass das Ende jeder rationalen Analyse standhält. Wenn die Show ihre große Premiere hat und Kermit allerlei vollkommen unbedarfte Muppets mehr auf die Bühne holt, diese ihren Part aber selbstredend sofort fehlerfrei beherrschen, dann verlangt das dem Zuschauer auch nicht mehr suspension of disbelief ab als die Meta-Scherze der anderen Filme, in der durch Drehbuchlesen der Plot vorangetrieben wurde. War der Film ansonsten auch noch so vergleichsweise nüchtern, am Ende darf er alles von sich werfen und zum üblichen Spektakel werden. Zumal es mit einer Schlusssequenz aufwartet, die damals für viel Gesprächsstoff sorgte (Achtung, es folgen Spolier!).
Die Muppets erobern Manhattan endet mit der Hochzeit zwischen Kermit und Miss Piggy, die zwar im Script zur Show von Kermit vorgesehen war, der Part des Pfarrers aber durch einen echten Geistlichen ersetzt wurde. Piggy setzt ihm so quasi die Pistole auf die Brust und vor der versammelten Muppet Show- und Sesamstraßen-Besetzung (ohnehin ist dies eine technisch überwältigende Sequenz) bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als mit „Ja“ zu antworten. In den Fernsehinterviews, die danach im US-TV geführt wurden, gab Kermit stets an, sie hätten den Part nur gespielt, während Piggy betonte, sie seien nun wirklich verheiratet. Nicht nur die Tatsache, dass die beiden Puppen als solche interviewt wurden spricht für die unermessliche Suggestionskraft der Muppets, Jim Henson selbst äußerte sich überhaupt nicht zu dem Umstand. Gutes Marketing war schon immer wichtig. Da fällt es auch nicht weiter auf, dass die Hochzeit im Kontext des Films ein vollkommenes Eigenleben führt, geht der Film doch nahtlos von der Bühnenshow mit Zwischenschnitten auf das Publikum in die in sich geschlossene Zeremoniensequenz über.

Die Muppets erobern Manhattan ist trotz seiner Existenz als bodenständigster der „klassischen“ Muppet-Filme auch nicht weniger humorvoll als seine Vorgänger. Es gibt immer noch genügend groteske Situationen, ulkige Cameos und augenzwinkernde Dialoge, um bei all den Lektionen über die Widrigkeiten des Lebens, die eben auch eine Zusammenrottung von seltsamen Kreaturen treffen können, den Spaß an der Freude nicht aus den Augen zu verlieren. Selbst narrativ völlig sinnlose Einlagen wie der Muppet Babies-Traum (der wohl auch nur als Promotion zur wenige Monate nach dem Film gestarteten TV-Serie diente) und die Improvisationsnummer von Rizzo und seinen Freunden machen so viel Freude, dass man Henson und seinen Mitstreitern ob dieser auch technischen Leistungsschau kaum böse sein kann. Nach Der große Muppet Krimi hatte Henson sich ernsteren Werken wie dem grandiosen Der dunkle Kristall gewidmet und ein bisschen hat man das Gefühl, die technischen Erkenntnisse dieser Zeit mussten einfach auch ihren Weg in die Welt von Kermit finden. Doch soll man den Involvierten dies verübeln, wenn das Endergebnis trotzdem so entwaffnend liebenswert geworden ist?



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