Donnerstag, 1. Oktober 2015

Sinister - Wenn du ihn siehst, bist du schon verloren (2012)




SINISTER – WENN DU IHN SIEHST, BIST DU SCHON VERLOREN
(Sinister)
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 22.11.2012
Regie: Scott Derrickson

Sinister, in Deutschland mal wieder durch einen beeindruckend holprigen Untertitel „bereichert“, ist ein „Schlummerfilm“. Zum einen ist damit gemeint, dass es sich um die übliche Genre-Schlaftablette handelt, er also schlicht langweilig ist, zum anderen schlummert in ihm das Zeug zu einem großartigen Horrorthriller. Man sehnt sich wieder einmal nach dem Film, der Sinister hätte sein können, weil das, was man geboten bekommt, so frustrierend nach dem Malen-nach-Zahlen-Prinzip funktioniert.

Der ehrgeizige True Crime-Schriftsteller Ellison Oswalt (Ethan Hawke) zieht mit seiner Frau und den beiden Kindern zwecks Recherche für sein neues Buch in ein Haus, in dessen Garten eine vierköpfige Familie an einem Baum aufgeknüpft wurde; vom dritten Kind fehlt jede Spur. Auf dem Dachboden findet er schon bald eine Kiste mit Super-8-Filmen, jeder von ihnen zeigt einen Mord an einer Familie quer durch die Jahrzehnte – auch den im Garten von Ellisons jetziger Residenz. Da die örtliche Polizei wegen der Darstellung ihrer Arbeit in den bisherigen Büchern nicht gut auf ihn zu sprechen ist, alarmiert der Autor sie nicht, sondern stellt eigenhändige  Nachforschungen an. Damit geraten er und seine Familie immer weiter in die Fänge einer dämonischen Entität namens Bughuul, die die Filme nutzt um seine finsteren Pläne in die Tat umzusetzen …

Sinister ist ein Horrorfilm ohne eigene Handschrift. Diese versucht er beispielsweise durch ein enervierendes und schlicht überflüssiges Sounddesign vorzutäuschen. Das übliche Problem modernen Horrors, den Zuschauer ständig durch Geräusche und stumpfe Musik-Stinger zu „motivieren“, sich doch zu erschrecken, wird hier besonders ausgereizt. Wenn Ellison sich die Home-Snuff-Videos anschaut, quäkt ein als suggestiv verstanden werden wollender Soundtrack, den visuellen Einfällen wird niemals so weit vertraut, als dass sie ohne musikalischen Paukenschlag auskommen würden. Sinister erreicht so genau das Gegenteil seiner Intention: spannend ist das Dargebotene nicht. Zu sehr verlässt sich der überraschend finanziell ziemlich erfolgreiche Film auf die üblichen Klischees, lässt seine Figuren wie die gängigen Idioten aussehen (trotz monetärer Engpässe könnte man doch mal für fünf Minuten das Licht anknipsen, oder?) und lässt dem Zuschauer genug Raum, damit er sich nicht gerade zuträgliche Fragen stellt: Wieso verlässt sich Bughuul so auf Super-8-Filme? Läuft er damit nicht Gefahr, irgendwann auf keine Menschen mehr zu treffen, die den Projektor noch bedienen können? Wie hat er seine Bilder vorher in Umlauf gebracht, wenn sie ihm als Portal in seine Welt dienen? Was sind seine Raten, wo sind all die Kinder, die er in den Jahrhunderten zuvor entführt hat? Und was soll das Ganze überhaupt? Warum wählt er so einen Aufmerksamkeitsheischenden Auftritt, der vor allem erst mal die Erwachsenen betrifft? Soll man die Morde als Initiationsritus verstehen? Und wenn es nur dazu dient, weitere Opfer anzulocken bzw. freien Wohnraum für sie zu schaffen – was macht der dämliche Dämon dann, wenn ein kinderloses Paar einzieht, eines, das womöglich nicht einmal Kinder in der Verwandtschaft hat? Eben weil Sinister so stereotyp gestaltet ist hat man genügend Zeit, sich all diese an sich unterhaltsamen Gedanken zu machen. Der Genreintention tut so etwas nie gut.

Das Potenzial von Sinister steckt in seiner Möglichkeit, ein wahrlich suggestiver Film sein zu können. Weniger konkrete Entität, mehr Psychospiel in die Richtung „Driftet Ellison langsam in den Wahnsinn ab? Ergreifen seine reellen Schreckensgeschichten langsam von ihm Besitz? Wird er zu einem Bughuul, weil der Schrecken der Realität ihn verrückt macht?“ Es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie Sinister hätte aussehen können, wenn der Film nicht so plakativ an seiner Dämonen-Geschichte festgehalten hätte, zumal er auch nicht die Größe hat, um darüber hinwegzutäuschen, dass diese Art Film die unhinterfragte Konzeption einer Seele immer für bare Münze nimmt. So aber bleibt nur ein wenig involvierender Horrorfilm mit bemerkenswert schlafwandelnden Darstellern (Ethan Hawke merkt man an, dass er mit solchen Filmen die Miete bezahlt, während ihm Linklater-Filme wirklich am Herzen liegen), viel knirschenden Mumbo-Jumbo (der teilweise sinnlos ins Leere führt, z.B. die dramaturgisch nicht notwendige Nachtangst des Sohnes) und gegen null tendierender Suspense. Sinister ist an Sinister nur, dass so etwas immer wieder als Genrekleinod gefeiert wird.


 

1 Kommentar:

  1. Hmm. ich fand den echt nicht schlecht. Die Atmo hat mich ziemlich eingelullt, während Hawke seine Recherchen macht und langsam immer tiefer "ins Dunkle hinein steigt". Finde auch, dass der Film am Ende zu viel gezeigt und zu wenig im Unklaren gelassen hat, aber wenn die Stimmung mich fesselt, verzeieh ich gerade dem Horrorgenre in der Regel eine Menge!

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