CHILLERAMA
USA 2011
Dt.
Erstaufführung: 11.04.2013 (DVD-Premiere)
Regie: Adam
Green, Joe Lynch, Bear McCreary, Adam Rifkin & Tim Sullivan
Ziemlich zum
Beginn von Chillerama gibt es eine
Szene, in der sich der alternde Filmvorführer Cecil Kaufman (Richard Riehle) zu
einem Poster von Orson Welles lehnt und ihm sein Leid über die moderne
Medienwelt klagt, in der der nicht digital aufgemotzte Film und auch das Kino
als der Ort des Filmgenusses zunehmend an Bedeutung verlieren. Es ist ein
bittersüßer Monolog und Chillerama
will, nicht zuletzt durch seine Tagline („The ultimate Midnight-Movie.“), genau
dieses Gefühl zurück bringen – eine Wertschätzung des Films, auch und gerade
des Trashs, und seiner Kultstätten, in diesem Fall sowohl das Autokino als auch
das „normale“ Kino mit Sonderprogrammierung. Es ist ein schönes Unterfangen,
auch wenn es letztlich die Sinnfrage provoziert. Denn Chillerama ist ein Anthologiefilm, der in diversen Episoden den
Horror- und Monsterfilm der 1950er bis 1980er parodiert, dabei die Vorbilder um
ihre Doppeldeutigkeit beraubt und mit mehr Sex und Gewalt anreichert, als diese
jemals besaßen. Codes werden plakativ, der ehrliche Trash wird zum Kalkül, zur
„ironischen“ Kommentierung. Gelobt sei das Kino, dass die originalen B-Movies
der Ären wieder heraus kramt, denn Chillerama
ist, bei allen gelungenen Details, nur ein billiger Abklatsch, dessen
Unterhaltungswert innerhalb der zwei Stunden (!) Laufzeit doch deutlich nach
unten sinkt.
Eingebettet in
eine Rahmenhandlung in einem Autokino, dass irgendwann von sexgierigen Zombies
überrannt wird, welche die Menschen zu Tode kopulieren, werden in Chillerama drei Kurzfilme gezeigt. In
einem führt eine Behandlung eines Mannes mit niedriger Spermienzahl zu einem
immer weiter wachsenden Riesenspermium, dass irgendwann New York City bedroht.
In Nummer Zwei wird ein Teenager bei einem Ringkampf in den Hintern gebissen
und verwandelt sich so in einen homosexuellen Werbär, während in Geschichte Drei
ein von den Nazis erweckter Golem Amok läuft.
Es bedarf keiner
tieferen Analyse, um zu erkennen, dass es sich hier um Schrott allererster Güte
handelt. Die Vorbilder sind schnell erkannt: der US-Monsterfilm der 1950er
Jahre, The Lost Boys und die Naziploitation-Filme
mit einem Schuss Das Ding aus einer
anderen Welt anno 1951, während die Rahmenhandlung deutliche Anleihen an
George A. Romeros Zombie macht.
Clever ist dabei allenfalls das Spiel mit den vielfach lesbaren Codes speziell
aus der 80er-Vampirstory The Lost Boys,
die in I Was A Teenage Werebear eine
diesmal deutlich ausformulierte Richtung bekommen. Beim Riesenspermium denkt
man eher an Woody Allens Sexfilm-Parodie Was
Sie schon immer über Sex wissen wollten (aber nicht zu fragen wagten), die Wadzilla eigentlich bereits alles sagend
vorweg genommen hatte, während das Interesse bei The Diary of Anne Frankenstein bereist deutlich erlahmt, auch weil
die Geschichte denkbar uninteressant erzählt wird. Hitler allein reicht eben
nicht. Was der Blödsinn mit den sexhungrigen Zombies soll, weiß dann am Ende
auch niemand.
Chillerama ist ein Fall von „trying to
hard“. Seine Bestrebungen, möglichst viel unterzubringen kulminieren
schlussendlich nur in eine Orgie der Belanglosigkeit. Es ist das generelle
Problem mit der Inszenierung modernen Trashs mit den Mitteln des Vergangenheit:
man beruft sich auf vermeintliche Darstellungsstandards und filtert sie durch
die Augen des übersättigten „modernen“ Kinogängers. Was dabei herauskommt
verweist zwar auf die Vorbilder, wird aber durch das „Mehr!“-Denken zu einem
Zerrbild, zu einem Film, der den Trash nur an seinen Darstellungen festmacht,
die ach so provokativ und albern sind. Dabei verkennt er, dass diese Art Filme
nicht auf Zuruf entstanden sind – außer den Trash-Parodisten will ja niemand absichtlich
einen schlechten und/oder unfreiwillig komischen Film drehen. Es ist vielmehr
eine schräge Kombination aus Unvermögen, unglücklichen Umständen gepaart mit
Herzblut, die solche Filme entstehen lassen. Wohl auch deshalb ist es so
schwierig, in der modernen, durchgestylten Filmwelt ein Werk zu drehen, das man
getrost als Trash bezeichnen kann – und nicht einfach nur als schlechten Film.
Der sympathische Low-Budget-Abenteuerfilm Coronado
ist so ein Beispiel – tongue-in-cheek,
aber sehr wohl darauf bedacht, auch einen irgendwie ansehnlichen Film
abzuliefern. Oder der Gagtrailer des deutschen Regisseurs Mathias Dinter, der
den Monsterfilm der 50er in The Attack of
the Incredible, Blood-Sucking, Radioactive Garbadge Monster From the Deep Part
2 in knapp drei Minuten vielsagender auf die Schippe nimmt als das
Regisseur-Konvolut hier in 120 Minuten.
Chillerama ist ein kruder Film, sehr von
seiner eigenen (behaupteten) Cleverness eingenommen, sporadisch witzig, visuell
stellenweise durchaus einfallsreich, manchmal sogar treffsicher, im Großen und
Ganzen aber zu lang und zu fahrig inszeniert. Wieder einmal zeigt es sich die
gewisse Sinnlosigkeit dieser plakativen Trash-Reinszenierung (diese Besprechung
entstand 2015, dem Jahr, in der das Netz in Anbetracht des ähnlich ermüdenden Kurzfilms
Kung Fury in Begeisterungsstürme
ausbrach). Man kann den Machern kaum Unkenntnis der Materie vorwerfen, wohl
aber eine nicht von der Hand zu weisende Unschlüssigkeit, wie damit umgegangen
werden sollte. Trash wirkt eben dann am besten, wenn man ihn nicht (durchgängig)
ironisch versteht, sondern mit dem nötigen Ernst – so paradox das auch klingen
mag.
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