Freitag, 16. Oktober 2015

Chillerama (2011)




CHILLERAMA
USA 2011
Dt. Erstaufführung: 11.04.2013 (DVD-Premiere)
Regie: Adam Green, Joe Lynch, Bear McCreary, Adam Rifkin & Tim Sullivan

Ziemlich zum Beginn von Chillerama gibt es eine Szene, in der sich der alternde Filmvorführer Cecil Kaufman (Richard Riehle) zu einem Poster von Orson Welles lehnt und ihm sein Leid über die moderne Medienwelt klagt, in der der nicht digital aufgemotzte Film und auch das Kino als der Ort des Filmgenusses zunehmend an Bedeutung verlieren. Es ist ein bittersüßer Monolog und Chillerama will, nicht zuletzt durch seine Tagline („The ultimate Midnight-Movie.“), genau dieses Gefühl zurück bringen – eine Wertschätzung des Films, auch und gerade des Trashs, und seiner Kultstätten, in diesem Fall sowohl das Autokino als auch das „normale“ Kino mit Sonderprogrammierung. Es ist ein schönes Unterfangen, auch wenn es letztlich die Sinnfrage provoziert. Denn Chillerama ist ein Anthologiefilm, der in diversen Episoden den Horror- und Monsterfilm der 1950er bis 1980er parodiert, dabei die Vorbilder um ihre Doppeldeutigkeit beraubt und mit mehr Sex und Gewalt anreichert, als diese jemals besaßen. Codes werden plakativ, der ehrliche Trash wird zum Kalkül, zur „ironischen“ Kommentierung. Gelobt sei das Kino, dass die originalen B-Movies der Ären wieder heraus kramt, denn Chillerama ist, bei allen gelungenen Details, nur ein billiger Abklatsch, dessen Unterhaltungswert innerhalb der zwei Stunden (!) Laufzeit doch deutlich nach unten sinkt.

Eingebettet in eine Rahmenhandlung in einem Autokino, dass irgendwann von sexgierigen Zombies überrannt wird, welche die Menschen zu Tode kopulieren, werden in Chillerama drei Kurzfilme gezeigt. In einem führt eine Behandlung eines Mannes mit niedriger Spermienzahl zu einem immer weiter wachsenden Riesenspermium, dass irgendwann New York City bedroht. In Nummer Zwei wird ein Teenager bei einem Ringkampf in den Hintern gebissen und verwandelt sich so in einen homosexuellen Werbär, während in Geschichte Drei ein von den Nazis erweckter Golem Amok läuft.
Es bedarf keiner tieferen Analyse, um zu erkennen, dass es sich hier um Schrott allererster Güte handelt. Die Vorbilder sind schnell erkannt: der US-Monsterfilm der 1950er Jahre, The Lost Boys und die Naziploitation-Filme mit einem Schuss Das Ding aus einer anderen Welt anno 1951, während die Rahmenhandlung deutliche Anleihen an George A. Romeros Zombie macht. Clever ist dabei allenfalls das Spiel mit den vielfach lesbaren Codes speziell aus der 80er-Vampirstory The Lost Boys, die in I Was A Teenage Werebear eine diesmal deutlich ausformulierte Richtung bekommen. Beim Riesenspermium denkt man eher an Woody Allens Sexfilm-Parodie Was Sie schon immer über Sex wissen wollten (aber nicht zu fragen wagten), die Wadzilla eigentlich bereits alles sagend vorweg genommen hatte, während das Interesse bei The Diary of Anne Frankenstein bereist deutlich erlahmt, auch weil die Geschichte denkbar uninteressant erzählt wird. Hitler allein reicht eben nicht. Was der Blödsinn mit den sexhungrigen Zombies soll, weiß dann am Ende auch niemand.

Chillerama ist ein Fall von „trying to hard“. Seine Bestrebungen, möglichst viel unterzubringen kulminieren schlussendlich nur in eine Orgie der Belanglosigkeit. Es ist das generelle Problem mit der Inszenierung modernen Trashs mit den Mitteln des Vergangenheit: man beruft sich auf vermeintliche Darstellungsstandards und filtert sie durch die Augen des übersättigten „modernen“ Kinogängers. Was dabei herauskommt verweist zwar auf die Vorbilder, wird aber durch das „Mehr!“-Denken zu einem Zerrbild, zu einem Film, der den Trash nur an seinen Darstellungen festmacht, die ach so provokativ und albern sind. Dabei verkennt er, dass diese Art Filme nicht auf Zuruf entstanden sind – außer den Trash-Parodisten will ja niemand absichtlich einen schlechten und/oder unfreiwillig komischen Film drehen. Es ist vielmehr eine schräge Kombination aus Unvermögen, unglücklichen Umständen gepaart mit Herzblut, die solche Filme entstehen lassen. Wohl auch deshalb ist es so schwierig, in der modernen, durchgestylten Filmwelt ein Werk zu drehen, das man getrost als Trash bezeichnen kann – und nicht einfach nur als schlechten Film. Der sympathische Low-Budget-Abenteuerfilm Coronado ist so ein Beispiel – tongue-in-cheek, aber sehr wohl darauf bedacht, auch einen irgendwie ansehnlichen Film abzuliefern. Oder der Gagtrailer des deutschen Regisseurs Mathias Dinter, der den Monsterfilm der 50er in The Attack of the Incredible, Blood-Sucking, Radioactive Garbadge Monster From the Deep Part 2 in knapp drei Minuten vielsagender auf die Schippe nimmt als das Regisseur-Konvolut hier in 120 Minuten.

Chillerama ist ein kruder Film, sehr von seiner eigenen (behaupteten) Cleverness eingenommen, sporadisch witzig, visuell stellenweise durchaus einfallsreich, manchmal sogar treffsicher, im Großen und Ganzen aber zu lang und zu fahrig inszeniert. Wieder einmal zeigt es sich die gewisse Sinnlosigkeit dieser plakativen Trash-Reinszenierung (diese Besprechung entstand 2015, dem Jahr, in der das Netz in Anbetracht des ähnlich ermüdenden Kurzfilms Kung Fury in Begeisterungsstürme ausbrach). Man kann den Machern kaum Unkenntnis der Materie vorwerfen, wohl aber eine nicht von der Hand zu weisende Unschlüssigkeit, wie damit umgegangen werden sollte. Trash wirkt eben dann am besten, wenn man ihn nicht (durchgängig) ironisch versteht, sondern mit dem nötigen Ernst – so paradox das auch klingen mag.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen