Freitag, 9. Oktober 2015

Die Nacht der reitenden Leichen (1972)




DIE NACHT DER REITENDEN LEICHEN
(La Noche del terror ciego)
Spanien/Portugal 1972
Dt. Erstaufführung: 29.09.1972
Regie: Amando de Ossorio

Mit einem klingenden Titel wie Die Nacht der reitenden Leichen muss es nicht verwundern, dass der von Amando de Ossorio inszenierte Film zum Kult und zu einem Symbol der Zensurbestrebungen des damaligen Westdeutschlands wurde. Gewalt dominiert den Film zwar nicht, aber auch heute sind einzelne Implikationen, trotz Blutes aus dem Tuschkasten, noch ziemlich wirkungsvoll. Die rituelle Opferung einer jungen Frau funktioniert in ihrer misogynen Rohheit noch heute, einen Feminismus-Preis wird das eindeutig ausbeuterische Werk selbstredend weder dafür noch für sonst eine Darstellung erhalten. Was Die Nacht der reitenden Leichen allerdings erstaunlicherweise sehenswert macht, ist das sichere Gespür de Ossorios für Atmosphäre. Die Stimmung ist unheimlich, die Soundgestaltung spannend, vor allem das Set der verfallenen Templer-Burg großartig in Szene gesetzt. Die Nacht der reitenden Leichen weiß zwar nicht so ganz, was er eigentlich sein will, ob suggestiver Geisterfilm, polternder Zombiestreifen oder lasziver Vampirfilm, und auch mangelt es ihm an sympathischen Figuren, aber – und das ist wohl das bemerkenswerteste an dem ganzen Unterfangen – er kann durch de Ossorios sichere Regie das Interesse bis zum Ende aufrecht erhalten.

Virginia (María Elena Arpón) ist in Spanien unterwegs und trifft ihre alte Jugendaffäre Bella (Lone Fleming) und ihren schmierigen Freund Roger (César Burner) in einem Hotel. Gemeinsam bestreiten sie den Rest ihrer Reiseetappe per Zug, bis Virginia ihn wegen eines Streits in einer gottverlassenen Gegend verlässt. Sie findet Unterschlupf für die Nacht in einem verfallenen Gemäuer, dass von den Einwohnern der Gegend aufs strengste gemieden wird. Bald stellt sich auch heraus, warum dem so ist: die Leichen von Tempelrittern, die dereinst blutige Menschenopfer auf ihrer Burg darbrachten, um ihrem okkulten Glauben zu frönen, steigen aus ihren Gräbern und begeben sich auf die Suche nach neuen Opfern. Am nächsten Tag machen sich Bella und Roger auf die Suche nach ihrer Freundin und kommen langsam hinter das Geheimnis der sich gerne auf dem Pferd fortbewegenden Untoten …

Die Nacht der reitenden Leichen ist ein trashiges Gruselmär, ohne Frage. De Ossorio reichert seine Geschichte, die sich auch ein bisschen als Parabel auf die faschistische Vergangenheit Spaniens lesen lässt, als Vergangenheit, die so schrecklich ist, dass sie sich immer wieder manifestiert und die Menschen terrorisiert, mit allerlei Einfällen an, die das damalige Horrorpublikum wahrscheinlich vollends befriedigt haben dürften: Wiedergänger, Blut, zerfallene Körper, Verstümmelungen plus die Genrebeigaben nackte Frauenkörper, lesbischer Sex und – als extra stumpfes Schmankerl – Vergewaltigungsversuche durch einen besonders kruden Charakter. Das Ganze ist nicht schön, wird aber derartig schlecht von den Schauspielern verkörpert, dass es sich mitunter schon wie eine Parodie anfühlt. So sicher die Atmosphärenbildung klappt, so wenig kann de Ossorio etwas mit Schauspielerführung anfangen. Teilweise stümpern sich die Darsteller derartig durch die Szenen, dass es wirkt, als habe man vorher lediglich den groben Ablauf besprochen und sie sich dann sich selbst überlassen. In anderen hat man Typen gecastet, die man sich ohne die heimliche Absicht, besonders albern zu sein, gar nicht anders erklären kann (Stichwort: Gerichtsmediziner).

So zerfällt Die Nacht der reitenden Leichen im Grunde genommen in zwei Filme, einen stimmigen Horrorfilm alter Schule und ein billiges Trashfest mit miesen Darstellern und exploitativer Gesinnung. Aus dem Spannungsfeld zwischen doof und faszinierend zieht er denn auch mehr Anziehungskraft auf sich, als man ihm zugetraut hätte. Die Nacht der reitenden Leichen ist Quatsch in einer schimmernden, weil bemerkenswert funktionalen Verpackung, die durch das geradezu nihilistische Ende noch verstärkt wird.




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