SINISTER – WENN DU IHN SIEHST, BIST DU
SCHON VERLOREN
(Sinister)
USA 2012
Dt.
Erstaufführung: 22.11.2012
Regie: Scott
Derrickson
Sinister, in Deutschland mal wieder
durch einen beeindruckend holprigen Untertitel „bereichert“, ist ein
„Schlummerfilm“. Zum einen ist damit gemeint, dass es sich um die übliche Genre-Schlaftablette
handelt, er also schlicht langweilig ist, zum anderen schlummert in ihm das
Zeug zu einem großartigen Horrorthriller. Man sehnt sich wieder einmal nach dem
Film, der Sinister hätte sein können,
weil das, was man geboten bekommt, so frustrierend nach dem
Malen-nach-Zahlen-Prinzip funktioniert.
Der ehrgeizige
True Crime-Schriftsteller Ellison Oswalt (Ethan Hawke) zieht mit seiner Frau
und den beiden Kindern zwecks Recherche für sein neues Buch in ein Haus, in
dessen Garten eine vierköpfige Familie an einem Baum aufgeknüpft wurde; vom
dritten Kind fehlt jede Spur. Auf dem Dachboden findet er schon bald eine Kiste
mit Super-8-Filmen, jeder von ihnen zeigt einen Mord an einer Familie quer
durch die Jahrzehnte – auch den im Garten von Ellisons jetziger Residenz. Da
die örtliche Polizei wegen der Darstellung ihrer Arbeit in den bisherigen
Büchern nicht gut auf ihn zu sprechen ist, alarmiert der Autor sie nicht,
sondern stellt eigenhändige
Nachforschungen an. Damit geraten er und seine Familie immer weiter in die
Fänge einer dämonischen Entität namens Bughuul, die die Filme nutzt um seine
finsteren Pläne in die Tat umzusetzen …
Sinister ist ein Horrorfilm ohne eigene
Handschrift. Diese versucht er beispielsweise durch ein enervierendes und
schlicht überflüssiges Sounddesign vorzutäuschen. Das übliche Problem modernen
Horrors, den Zuschauer ständig durch Geräusche und stumpfe Musik-Stinger zu
„motivieren“, sich doch zu erschrecken, wird hier besonders ausgereizt. Wenn
Ellison sich die Home-Snuff-Videos anschaut, quäkt ein als suggestiv verstanden
werden wollender Soundtrack, den visuellen Einfällen wird niemals so weit
vertraut, als dass sie ohne musikalischen Paukenschlag auskommen würden. Sinister erreicht so genau das Gegenteil
seiner Intention: spannend ist das Dargebotene nicht. Zu sehr verlässt sich der
überraschend finanziell ziemlich erfolgreiche Film auf die üblichen Klischees,
lässt seine Figuren wie die gängigen Idioten aussehen (trotz monetärer Engpässe
könnte man doch mal für fünf Minuten das Licht anknipsen, oder?) und lässt dem
Zuschauer genug Raum, damit er sich nicht gerade zuträgliche Fragen stellt:
Wieso verlässt sich Bughuul so auf Super-8-Filme? Läuft er damit nicht Gefahr,
irgendwann auf keine Menschen mehr zu treffen, die den Projektor noch bedienen
können? Wie hat er seine Bilder vorher in Umlauf gebracht, wenn sie ihm als
Portal in seine Welt dienen? Was sind seine Raten, wo sind all die Kinder, die
er in den Jahrhunderten zuvor entführt hat? Und was soll das Ganze überhaupt?
Warum wählt er so einen Aufmerksamkeitsheischenden Auftritt, der vor allem erst
mal die Erwachsenen betrifft? Soll man die Morde als Initiationsritus
verstehen? Und wenn es nur dazu dient, weitere Opfer anzulocken bzw. freien
Wohnraum für sie zu schaffen – was macht der dämliche Dämon dann, wenn ein
kinderloses Paar einzieht, eines, das womöglich nicht einmal Kinder in der
Verwandtschaft hat? Eben weil Sinister
so stereotyp gestaltet ist hat man genügend Zeit, sich all diese an sich
unterhaltsamen Gedanken zu machen. Der Genreintention tut so etwas nie gut.
Das Potenzial von
Sinister steckt in seiner
Möglichkeit, ein wahrlich suggestiver Film sein zu können. Weniger konkrete
Entität, mehr Psychospiel in die Richtung „Driftet Ellison langsam in den
Wahnsinn ab? Ergreifen seine reellen Schreckensgeschichten langsam von ihm
Besitz? Wird er zu einem Bughuul, weil der Schrecken der Realität ihn verrückt
macht?“ Es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie Sinister hätte aussehen können, wenn der Film nicht so plakativ an
seiner Dämonen-Geschichte festgehalten hätte, zumal er auch nicht die Größe
hat, um darüber hinwegzutäuschen, dass diese Art Film die unhinterfragte
Konzeption einer Seele immer für bare Münze nimmt. So aber bleibt nur ein wenig
involvierender Horrorfilm mit bemerkenswert schlafwandelnden Darstellern (Ethan
Hawke merkt man an, dass er mit solchen Filmen die Miete bezahlt, während ihm
Linklater-Filme wirklich am Herzen liegen), viel knirschenden Mumbo-Jumbo (der
teilweise sinnlos ins Leere führt, z.B. die dramaturgisch nicht notwendige
Nachtangst des Sohnes) und gegen null tendierender Suspense. Sinister ist an Sinister nur, dass so etwas immer wieder
als Genrekleinod gefeiert wird.
Hmm. ich fand den echt nicht schlecht. Die Atmo hat mich ziemlich eingelullt, während Hawke seine Recherchen macht und langsam immer tiefer "ins Dunkle hinein steigt". Finde auch, dass der Film am Ende zu viel gezeigt und zu wenig im Unklaren gelassen hat, aber wenn die Stimmung mich fesselt, verzeieh ich gerade dem Horrorgenre in der Regel eine Menge!
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