SPIEL ODER STIRB aka THEM
(Ils)
Frankreich/Rumänien
2006
Dt.
Erstaufführung: 27.04.2007 (DVD-Premiere)
Regie: David
Moreau & Xavier Palud
Eins der vielen
Untergenres des Horrorfilms ist der Home-Invasion-Thriller. Wie der Name schon
andeutet geht es um das Grauen, das in die eigenen, als sicher empfundenen vier
Wände eindringt und mal mit mehr, mal mit weniger nachvollziehbaren
Motivationen das Leben der Protagonisten bedroht. Der französische Horrorfilm
neueren Datums hat ein Faible für dieses Konstrukt, sind doch gerade die
Vertreter der (durchaus fragwürdigen) „New French Extremity“ wie High Tension, Inside oder Martyrs
zumindest partiell Home-Invasions. Der in Deutschland holprig benannte Spiel oder stirb nimmt die
funktionaleren Elemente des Subgenres und schustert sie zumindest mit kleineren
Überraschungen versehen durchaus spannend zusammen. Löblich ist außerdem, dass
er im Gegensatz zu seinen nationalen Verwandten auf übermäßige Gewaltexzesse
verzichtet. Gorehounds werden enttäuscht, es gibt keine abgetrennte Köpfe,
vivizierte Schwangere oder lebendig Gehäutete. Spiel oder stirb hat sich mehr einer bedrohlichen Atmosphäre
verschrieben, die, im Gegensatz beispielsweise zum US-Pendant The Strangers, funktioniert. Letztlich
fällt der Film gerade durch seine Konklusion dann aber doch in zwei Teile
auseinander: in einen spannenden Thriller und in einen Film, der die
tendenziell phobische Weltsicht vieler Horrorfilme geradezu genüsslich
bekräftigt.
Clémentine (Olivia Bonamy) ist
Französichlehrerin in Bukarest, Rumänien. Zusammen mit ihrem Freund Lucas (Michaël Cohen), einem
aufstrebenden Autor, bewohnt sie ein großzügiges Anwesen vor den Toren der
Stadt. Eines Abends bekommt das Paar unangemeldeten und vor allem unangenehmen
Besuch: durch ihre Hoodies unkenntliche Gestalten dringen in das Haus ein und
beginnen, die beiden Franzosen zu terrorisieren.
Der Plot ist, wie
könnte es sein, minimalistisch wie die Inhaltsangabe. Mehr gibt es ohnehin
nicht zu sagen (Spiel oder stirb
leistet sich keinen aufgeblasenen Überbau wie The Purge – Die Säuberung, auch nur ein Home-Invasion-Thriller der
stupideren Variante). In diesen klar definierten Grenzen schlägt sich der Film
dann recht gut, weil er die Angriffe spannend inszeniert und die beiden
Hauptfiguren eine gewisse Chemie vorzuweisen haben. Besonders hervorzuheben ist
auch, dass Spiel oder stirb auf einen
plakativen Soundtrack US-amerikanischer Manier verzichtet. Wenn Clémentine
durch die noch in der Renovierung befindlichen Teile des Anwesens schleicht und
einer der Aggressoren schließlich hinter ihr ins Bild gerät, plärrt kein musikalischer
Stinger auf, vorher hat nicht eine bedeutungsschwangere Musik seit Minuten
einen kalkulierten Schock angekündigt. Es reicht dem Film, den Zuschauer mit
den Figuren in die Situation zu versetzten und setzt auf dessen Empathie,
anstatt ihm ständig die Angstgefühle zu diktieren. So trägt auch die Tatsache,
dass die Eindringlinge keine unverwundbaren Übermenschen sind, die bei belieben
an jedem Ort auftauchen können, zur Atmosphärenbildung bei.
Spiel oder stirb ist prämissenbedingt
mit einem wenig versöhnlichen Ende ausgestattet. [Es folgen Spolier] Die Aggressoren entpuppen sich als verwahrloste
Kinder, die mit ihren Opfern ein nicht näher definiertes Spiel spielen und
dessen Regeln von Clémentine und Lucas nicht zur Zufriedenstellung befolgt
wurden, was wiederum den Terror – zumindest in den Augen der Jugendlichen –
legitimiert. Dies spiegelt zum einen natürlich das ewig junge Motiv der Angst
vor dem Anderen wider, vor der Unberechenbarkeit der Mitmenschen, transportiert
aber auch eine gewisse xenophobische Weltsicht, in der sich Regisseure wie Eli
Roth (Hostel) bestimmt wiederfinden
können. Osteuropa ist wieder einmal ein Ort, an dem Menschen aus dem Westen des
Kontinents sich ihres Lebens nicht sicher sein können und die Aggression wird
auch noch auf die Ärmsten der Armen projiziert. „Wohlwollend“ könnte man darin
eine Anklage gegen die ungleiche Verteilung von Chancen sehen, ein gewaltvolles
Aufbegehren gegen Clémentine als Symbol einer Privilegierten, die anderen
Privilegierten (ihren Schulkindern, die in der Hauptstadt eine umfassende
Bildung genießen) die Welt näher bringt, während andere perspektivlos in den
Tag (und die Nacht) hinein leben. Oder eben eine Angst vor denen, die nichts
haben, ihrem (zunächst einmal unterstellten) Neid, der sich in der Logik des
Horrorfilms in Gewalt manifestiert. Es ist letztlich Definitionssache, ob man Spiel oder stirb als „üblichen“
Genrevertreter ansieht, über dessen Implikationen man nicht zu sehr nachdenken
soll, es bleibt aber ein eindeutiges „Geschmäckle“. So funktioniert Spiel oder stirb zwar auf der
Thrillerebene sehr gut, darüber hinaus lässt er aber eine weiterreichende
Auseinandersetzung, die die Prämisse hergegeben hätte, vermissen. Das Drehbuch
mag auf der wahren Geschichte eines österreichischen Ehepaars beruhen, dass in
ihrem Ferienhaus in Rumänien von Jugendlichen ermordet wurde, aber die
komplette Weigerung, auch daraus irgendeine Art von weiterreichender Idee zu
ziehen lässt den Film etwas hohler erscheinen, als er es ob der handwerklichen
Qualität und der Atmosphärenbildung verdient hätte.
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