Montag, 5. Oktober 2015

Spiel oder stirb AKA Them (2006)




SPIEL ODER STIRB aka THEM
(Ils)
Frankreich/Rumänien 2006
Dt. Erstaufführung: 27.04.2007 (DVD-Premiere)
Regie: David Moreau & Xavier Palud

Eins der vielen Untergenres des Horrorfilms ist der Home-Invasion-Thriller. Wie der Name schon andeutet geht es um das Grauen, das in die eigenen, als sicher empfundenen vier Wände eindringt und mal mit mehr, mal mit weniger nachvollziehbaren Motivationen das Leben der Protagonisten bedroht. Der französische Horrorfilm neueren Datums hat ein Faible für dieses Konstrukt, sind doch gerade die Vertreter der (durchaus fragwürdigen) „New French Extremity“ wie High Tension, Inside oder Martyrs zumindest partiell Home-Invasions. Der in Deutschland holprig benannte Spiel oder stirb nimmt die funktionaleren Elemente des Subgenres und schustert sie zumindest mit kleineren Überraschungen versehen durchaus spannend zusammen. Löblich ist außerdem, dass er im Gegensatz zu seinen nationalen Verwandten auf übermäßige Gewaltexzesse verzichtet. Gorehounds werden enttäuscht, es gibt keine abgetrennte Köpfe, vivizierte Schwangere oder lebendig Gehäutete. Spiel oder stirb hat sich mehr einer bedrohlichen Atmosphäre verschrieben, die, im Gegensatz beispielsweise zum US-Pendant The Strangers, funktioniert. Letztlich fällt der Film gerade durch seine Konklusion dann aber doch in zwei Teile auseinander: in einen spannenden Thriller und in einen Film, der die tendenziell phobische Weltsicht vieler Horrorfilme geradezu genüsslich bekräftigt.

Clémentine (Olivia Bonamy) ist Französichlehrerin in Bukarest, Rumänien. Zusammen mit ihrem Freund Lucas (Michaël Cohen), einem aufstrebenden Autor, bewohnt sie ein großzügiges Anwesen vor den Toren der Stadt. Eines Abends bekommt das Paar unangemeldeten und vor allem unangenehmen Besuch: durch ihre Hoodies unkenntliche Gestalten dringen in das Haus ein und beginnen, die beiden Franzosen zu terrorisieren.

Der Plot ist, wie könnte es sein, minimalistisch wie die Inhaltsangabe. Mehr gibt es ohnehin nicht zu sagen (Spiel oder stirb leistet sich keinen aufgeblasenen Überbau wie The Purge – Die Säuberung, auch nur ein Home-Invasion-Thriller der stupideren Variante). In diesen klar definierten Grenzen schlägt sich der Film dann recht gut, weil er die Angriffe spannend inszeniert und die beiden Hauptfiguren eine gewisse Chemie vorzuweisen haben. Besonders hervorzuheben ist auch, dass Spiel oder stirb auf einen plakativen Soundtrack US-amerikanischer Manier verzichtet. Wenn Clémentine durch die noch in der Renovierung befindlichen Teile des Anwesens schleicht und einer der Aggressoren schließlich hinter ihr ins Bild gerät, plärrt kein musikalischer Stinger auf, vorher hat nicht eine bedeutungsschwangere Musik seit Minuten einen kalkulierten Schock angekündigt. Es reicht dem Film, den Zuschauer mit den Figuren in die Situation zu versetzten und setzt auf dessen Empathie, anstatt ihm ständig die Angstgefühle zu diktieren. So trägt auch die Tatsache, dass die Eindringlinge keine unverwundbaren Übermenschen sind, die bei belieben an jedem Ort auftauchen können, zur Atmosphärenbildung bei.

Spiel oder stirb ist prämissenbedingt mit einem wenig versöhnlichen Ende ausgestattet. [Es folgen Spolier] Die Aggressoren entpuppen sich als verwahrloste Kinder, die mit ihren Opfern ein nicht näher definiertes Spiel spielen und dessen Regeln von Clémentine und Lucas nicht zur Zufriedenstellung befolgt wurden, was wiederum den Terror – zumindest in den Augen der Jugendlichen – legitimiert. Dies spiegelt zum einen natürlich das ewig junge Motiv der Angst vor dem Anderen wider, vor der Unberechenbarkeit der Mitmenschen, transportiert aber auch eine gewisse xenophobische Weltsicht, in der sich Regisseure wie Eli Roth (Hostel) bestimmt wiederfinden können. Osteuropa ist wieder einmal ein Ort, an dem Menschen aus dem Westen des Kontinents sich ihres Lebens nicht sicher sein können und die Aggression wird auch noch auf die Ärmsten der Armen projiziert. „Wohlwollend“ könnte man darin eine Anklage gegen die ungleiche Verteilung von Chancen sehen, ein gewaltvolles Aufbegehren gegen Clémentine als Symbol einer Privilegierten, die anderen Privilegierten (ihren Schulkindern, die in der Hauptstadt eine umfassende Bildung genießen) die Welt näher bringt, während andere perspektivlos in den Tag (und die Nacht) hinein leben. Oder eben eine Angst vor denen, die nichts haben, ihrem (zunächst einmal unterstellten) Neid, der sich in der Logik des Horrorfilms in Gewalt manifestiert. Es ist letztlich Definitionssache, ob man Spiel oder stirb als „üblichen“ Genrevertreter ansieht, über dessen Implikationen man nicht zu sehr nachdenken soll, es bleibt aber ein eindeutiges „Geschmäckle“. So funktioniert Spiel oder stirb zwar auf der Thrillerebene sehr gut, darüber hinaus lässt er aber eine weiterreichende Auseinandersetzung, die die Prämisse hergegeben hätte, vermissen. Das Drehbuch mag auf der wahren Geschichte eines österreichischen Ehepaars beruhen, dass in ihrem Ferienhaus in Rumänien von Jugendlichen ermordet wurde, aber die komplette Weigerung, auch daraus irgendeine Art von weiterreichender Idee zu ziehen lässt den Film etwas hohler erscheinen, als er es ob der handwerklichen Qualität und der Atmosphärenbildung verdient hätte.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen