YOU’RE NEXT
USA 2011
Dt.
Erstaufführung: 07.11.2013
Regie: Adam
Wingard
Another day,
another Home-Invasion-Thriller.
Oberflächlich ist
You’re next, der unabhängig
produziert wurde und zwei Jahre in der Welt herumwanderte, bis er auch in
Deutschland veröffentlicht wurde, nur ein weiterer Subgenrevertreter, der die
gängigen Muster bedient: Figuren in einem abgelegenen Anwesen werden von
externen Aggressoren bedroht und getötet. Was You’re next von den gradlinigen Brüdern und Schwestern
unterscheidet ist seine fast schon fanatische Sucht, den Wahnsinn zu erklären
und sein kruder Humor. Dieser gewinnt selbstredend keinen Preis für guten
Geschmack und ist auch nicht so konstant ausgeprägt, wie man es sich wünschen
würde, aber immerhin gelingt es You’re
next, auch dank seinen halsbrecherischen Tempos, das Interesse wach zu
halten.
Die wohlhabende
Familie Davison trifft sich in ihrem Landhaus: Vater Paul (Bob Moran) und Mutter
Aubrey (Barbara Crampton), der introvertierte Sohn Crispian (A.J. Bowen) samt
Freundin Erin (Sharni Vinson), sein Jock-Bruder Drake (Joe Swanberg) mit Frau
Kelly (Margaret Laney), der jüngste Sohn Felix (Nicholas Tucci) mit seiner desinteressierten
Freundin Zee (Wendy Glenn) sowie Nesthäkchen Aimee (Amy Seimetz) mit Intellektuellen-Freund
Tariq (Ti West). Als die dysfunktionalen Davisons abends zum Essen beisammen
sitzen werden sie plötzlich aus der Dunkelheit vor dem Haus heraus beschossen.
Schnell wird klar, dass maskierte Unbekannte sich augenscheinlich in den Kopf
gesetzt haben, die gesamte Familie auszulöschen. Die Frage nach dem Warum
stellt sich ob der perfiden Fallen, die jeden an der Flucht hindern, nur
schleppend …
Der größte Fehler
von You’re next wird gleich im ersten
Akt begangen: der Film kann es wie ein hibbeliger Teenager kaum aushalten,
endlich zum (ersten) Schuss zu kommen und versäumt es so zu bemerken, dass
gerade in seiner Schilderung der wenig funktionalen Familie, der internen
Konflikte und den nie ganz aus der Welt geschafften Reibereien zwischen den
Geschwistern, sein größtes Potenzial liegt. Man erfährt, dass Crispian und
Drake immer wieder aneinandergeraten, dass die Familie Crispian als schwarzes
Schaf sieht, die Charaktere gerade der Eltern bleiben darüber hinaus aber
weitestgehend im Dunkeln. So hätte man sich eine sehr viel längere Version der
Dinnersequenz gewünscht, mit mehr schwellenden Konflikten, mehr
herrlich-bekloppten Sätzen wie „Ein Underground-Filmfestival? Werden die Filme
da unter der Erde gezeigt?“ und einfach mehr Zeit mit dieser Familie, mehr Zeit
für die Etablierung ihrer Dynamiken. Doch der erste Schuss fällt schnell, räumt
gleich den einzigen nicht-weißen (und augenscheinlich intelligentesten)
Charakter aus dem Weg (ein Kommentar zu den Unsitten den Genres an sich?) und
lässt fortan kaum Zeit für etwas anderes als flotten und fiesen Wahnsinn. Dies
hängt dem mit knapp 80 Minuten ohnehin sehr kurz geratenen Film bis zum Schluss
nach, was auch eine Leistung ist: das charakterliche Potenzial ist so groß,
dass man lieber den „normalen“ Interaktionen beiwohnen möchte anstatt den
„unnormalen“, die man vom Genre erwartet.
Dabei liefert der
Film auch eine immer weiter ausufernde Erklärung, was hinter den Anschlägen
steckt, die so wenig und so sehr hanebüchen ist, wie man es erwartet. Warum die
Killer diese unpraktischen Masken tragen, die teilweise das Sichtfeld extrem
einschränken dürften? Egal. Was die titelgebende Proklamation beim „opening
kill“ soll, außer die Arbeit für eine Title Card zu sparen? Auch egal. Was der
Film aber sehr genau kennt sind seine Vorbilder, die Genrefilme der 1970er
Jahre, die sich hier in der Tötungskreativität niederschlagen, sowie die Musik
von John Carpenter. Es dürfte nicht von ungefähr kommen, dass das Theme des
Films sofort Assoziationen an einen der Horrorgroßmeister weckt –
dementsprechend groß ist die Freude, wann immer es ertönt.
Will man mehr in
den nicht zu Unrecht ab 18 freigegebenen Film hineinlesen entdeckt man ein
kapitalismuskritisches Moment, quasi richtet die Profitgier die Menschen dahin.
Doch an Diskursen ist You’re next in
etwa so interessiert wie Drake an einer fruchtbaren Diskussion über Kunst. Der
Film ist das filmische Äquivalent zu einem ausgeklügelten Jahrmarktfahrgeschäft
(nein, keine Achterbahn, eher eine Geisterbahn): es macht Spaß, damit zu
fahren, es ist durchdacht und liefert genau das, was man erwartet. Am Ende
steht keine Erkenntnis über irgendetwas, aber man hatte zumindest eine gute
Zeit. Sollte ein Director’s Cut existieren, der zur Abwechslung nicht mehr
Gewalt sondern mehr Charakterszenen enthält, er wäre eine Veröffentlichung
wert. You’re next ist gemein,
unterhaltsam und mit viel Hingabe zum Genre inszeniert. Belanglos? Natürlich.
Aber im weiten Feld der Home-Invasions sticht er dennoch durch seine lockere
und gleichzeitig sichere Handschrift heraus.
Ja, der konnte mich auch sehr gut unterhalten, was in dem Genre nicht allzuoft vorkommt.
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