Montag, 12. Oktober 2015

You're Next (2011)




YOU’RE NEXT
USA 2011
Dt. Erstaufführung: 07.11.2013
Regie: Adam Wingard

Another day, another Home-Invasion-Thriller.

Oberflächlich ist You’re next, der unabhängig produziert wurde und zwei Jahre in der Welt herumwanderte, bis er auch in Deutschland veröffentlicht wurde, nur ein weiterer Subgenrevertreter, der die gängigen Muster bedient: Figuren in einem abgelegenen Anwesen werden von externen Aggressoren bedroht und getötet. Was You’re next von den gradlinigen Brüdern und Schwestern unterscheidet ist seine fast schon fanatische Sucht, den Wahnsinn zu erklären und sein kruder Humor. Dieser gewinnt selbstredend keinen Preis für guten Geschmack und ist auch nicht so konstant ausgeprägt, wie man es sich wünschen würde, aber immerhin gelingt es You’re next, auch dank seinen halsbrecherischen Tempos, das Interesse wach zu halten.

Die wohlhabende Familie Davison trifft sich in ihrem Landhaus: Vater Paul (Bob Moran) und Mutter Aubrey (Barbara Crampton), der introvertierte Sohn Crispian (A.J. Bowen) samt Freundin Erin (Sharni Vinson), sein Jock-Bruder Drake (Joe Swanberg) mit Frau Kelly (Margaret Laney), der jüngste Sohn Felix (Nicholas Tucci) mit seiner desinteressierten Freundin Zee (Wendy Glenn) sowie Nesthäkchen Aimee (Amy Seimetz) mit Intellektuellen-Freund Tariq (Ti West). Als die dysfunktionalen Davisons abends zum Essen beisammen sitzen werden sie plötzlich aus der Dunkelheit vor dem Haus heraus beschossen. Schnell wird klar, dass maskierte Unbekannte sich augenscheinlich in den Kopf gesetzt haben, die gesamte Familie auszulöschen. Die Frage nach dem Warum stellt sich ob der perfiden Fallen, die jeden an der Flucht hindern, nur schleppend …

Der größte Fehler von You’re next wird gleich im ersten Akt begangen: der Film kann es wie ein hibbeliger Teenager kaum aushalten, endlich zum (ersten) Schuss zu kommen und versäumt es so zu bemerken, dass gerade in seiner Schilderung der wenig funktionalen Familie, der internen Konflikte und den nie ganz aus der Welt geschafften Reibereien zwischen den Geschwistern, sein größtes Potenzial liegt. Man erfährt, dass Crispian und Drake immer wieder aneinandergeraten, dass die Familie Crispian als schwarzes Schaf sieht, die Charaktere gerade der Eltern bleiben darüber hinaus aber weitestgehend im Dunkeln. So hätte man sich eine sehr viel längere Version der Dinnersequenz gewünscht, mit mehr schwellenden Konflikten, mehr herrlich-bekloppten Sätzen wie „Ein Underground-Filmfestival? Werden die Filme da unter der Erde gezeigt?“ und einfach mehr Zeit mit dieser Familie, mehr Zeit für die Etablierung ihrer Dynamiken. Doch der erste Schuss fällt schnell, räumt gleich den einzigen nicht-weißen (und augenscheinlich intelligentesten) Charakter aus dem Weg (ein Kommentar zu den Unsitten den Genres an sich?) und lässt fortan kaum Zeit für etwas anderes als flotten und fiesen Wahnsinn. Dies hängt dem mit knapp 80 Minuten ohnehin sehr kurz geratenen Film bis zum Schluss nach, was auch eine Leistung ist: das charakterliche Potenzial ist so groß, dass man lieber den „normalen“ Interaktionen beiwohnen möchte anstatt den „unnormalen“, die man vom Genre erwartet.

Dabei liefert der Film auch eine immer weiter ausufernde Erklärung, was hinter den Anschlägen steckt, die so wenig und so sehr hanebüchen ist, wie man es erwartet. Warum die Killer diese unpraktischen Masken tragen, die teilweise das Sichtfeld extrem einschränken dürften? Egal. Was die titelgebende Proklamation beim „opening kill“ soll, außer die Arbeit für eine Title Card zu sparen? Auch egal. Was der Film aber sehr genau kennt sind seine Vorbilder, die Genrefilme der 1970er Jahre, die sich hier in der Tötungskreativität niederschlagen, sowie die Musik von John Carpenter. Es dürfte nicht von ungefähr kommen, dass das Theme des Films sofort Assoziationen an einen der Horrorgroßmeister weckt – dementsprechend groß ist die Freude, wann immer es ertönt.

Will man mehr in den nicht zu Unrecht ab 18 freigegebenen Film hineinlesen entdeckt man ein kapitalismuskritisches Moment, quasi richtet die Profitgier die Menschen dahin. Doch an Diskursen ist You’re next in etwa so interessiert wie Drake an einer fruchtbaren Diskussion über Kunst. Der Film ist das filmische Äquivalent zu einem ausgeklügelten Jahrmarktfahrgeschäft (nein, keine Achterbahn, eher eine Geisterbahn): es macht Spaß, damit zu fahren, es ist durchdacht und liefert genau das, was man erwartet. Am Ende steht keine Erkenntnis über irgendetwas, aber man hatte zumindest eine gute Zeit. Sollte ein Director’s Cut existieren, der zur Abwechslung nicht mehr Gewalt sondern mehr Charakterszenen enthält, er wäre eine Veröffentlichung wert. You’re next ist gemein, unterhaltsam und mit viel Hingabe zum Genre inszeniert. Belanglos? Natürlich. Aber im weiten Feld der Home-Invasions sticht er dennoch durch seine lockere und gleichzeitig sichere Handschrift heraus.





1 Kommentar:

  1. Ja, der konnte mich auch sehr gut unterhalten, was in dem Genre nicht allzuoft vorkommt.

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