Dienstag, 21. Januar 2014

Poltergeist (1982)




POLTERGEIST
USA 1982
Dt. Erstaufführung:23.09.1982
Regie: Tobe Hooper

Mal ganz abgesehen von all den behind-the-screen-Querelen zwischen Produzent und Drehbuchautor Steven Spielberg und Nenn-Regisseur Tobe Hooper und dem sogenannten „Poltergeist-Fluch“, der sich nach dem Tod von insgesamt vier DarstellerInnen aus diesem und dem zweiten Teil in den Medien einnistete, ist Poltergeist ein in Würde gealterter Film. Die atmosphärische Färbung des Ganzen klafft manchmal etwas auseinander, womöglich aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsweisen von Spielberg und Hooper. So ist Poltergeist letztlich sehr viel mehr ein „typischer“ Spielberg-Film denn ein Hooper-Film – zumal ein Film vom Regisseur von Blutgericht in Texas wohl kaum mit der Freigabe PG machbar gewesen wäre (in Deutschland ist der Film sehr viel sinniger ab 16 freigegeben – PG entspricht in etwa der deutschen Freigabe ab 6). Poltergeist ist in erster Linie perfekt inszeniertes Unterhaltungs- und Effektkino.

Die Freeling sind die idealtypische All-American-Family: Vater Steve (Craig T. Nelson), Mutter Diane (JoBeth Williams), Teenager-Tochter Dana (Dominique Dunne), Sohn Robbie (Oliver Robins) und Nesthäkchen Carol Anne (Heather O’Rourke). Letzteres beginnt eines Tages eine seltsame Beziehung zum Weißen Rauschen im Fernsehen aufzubauen, das nach dem Sendeschluss einsetzt. Es dauert nicht lange und es häufen sich unerklärliche Zwischenfälle im Haus der Familie, bis eines Nachts Carol Anne von einer unbekannten Macht entführt wird. Gefangen in einer geisterhaften Zwischenwelt versuchen die Freelings alles, um ihre Tochter zurückzubekommen und greifen schließlich auf die Hilfe von Parapsychologin Dr. Lesh (Beatrice Straight) und ihrem Team zurück…

Ein bisschen wirkt Poltergeist wie Spielbergs Entschuldigung für Unheimliche Begegnung der dritten Art, der interfamiliäre Beziehungen sehr viel fragwürdiger darstellte. Die Freelings wirken mehr wie eine Gemeinschaft und ihre Erdung ist es, was einen nicht unerheblichen Anteil am Erfolg des Films ausmacht. Die Freelings sind herrlich normal, umso mehr erhalten die paranormalen Ereignisse eine emotionale Resonanz. Einzig die Szene, in der Diane ihrem Mann die neuentdeckten Möglichkeiten, die die Geister ihnen bieten, vorführt, ist kaum ausbalanciert. Diane zeigt keinerlei Furcht vor einer Präsenz, die Möbel und Menschen durch den Raum bewegen kann, während Steve eher mit der Art ungläubigen Schock reagiert, den wohl jeder in dieser Situation bekommen würde. Mehr noch, Diane gibt Carol Anne allzu bereitwillig in die Hand der unsichtbaren Mächte. Es gibt nicht allzu viele Szenen wie diese in Poltergeist, aber wenn sie auftauchen (wie der völlig aus dem Nichts kommende Einsatz von Humor, nachdem Dr. Lesh zum ersten Mal die Mächte in Aktion erlebt hat), dann zeigen sie deutlich die zwei Egos von Hooper und Spielberg, wie sie sich duellieren. Umso erstaunlicher, dass der Film ansonsten recht gut funktioniert.

Wird man so erschreckt, wie es das Anliegen dieses nach heutigen Verhältnissen zahmen Horrorfilms ist? Wohl eher nicht. Man erschauert wohlig und die plötzlich aufgestapelten Stühle auf dem Küchentisch sind immer noch der Beste und gruseligste Moment im ganzen Film, aber vom echten Horror ist man entfernt. Vielleicht ist es der inflationären Flut an vergleichbaren Filmen geschuldet, vielleicht auch dem Umstand, dass viele Elemente aus Poltergeist inzwischen zu Genrestandards geworden sind oder Opfer von Parodien wurden (Friedhof, anyone?), aber der Film ist eher stark im Aufbau einer unheilvollen Atmosphäre als in konkretem Horror. Was vielleicht auch nicht die Schlechteste Eigenschaft ist.
Auf jeden Fall auch heute noch beeindruckend sind die Effekte von Richard Edlund (Krieg der Sterne). Der Einsatz von Puppen, Stop-Motion, Kopiertechniken und ähnlichem ist brillant und fügt sich oftmals ohne Irritationen in das Bild ein. Poltergeist besitzt jene handgemachte, physische Präsenz, die vielen computergenerierten Bildern heutzutage oftmals fehlt. Wenn ein Geist vor der Kinderzimmertür auftaucht und Diane am Eintreten hindert, dann weiß man, dass er nicht am Set war sondern animiert und nachträglich einkopiert wurde, aber die Komposition ist so hervorragend, dass man JoBeth Williams in wirklicher Gefahr wähnt. Poltergeist ist ein geradezu greifbarer Film.

Die Darsteller sind so solide, wie man es von einem Film dieser Art erwarten darf, selbst Nebenrollen wie Richard Lawson als Dr. Leshs Assistent Ryan sind konzentriert und mit Elan bei der Sache. Besonders auffallend ist aber Heather O’Rourke als Carol Anne, die mit „They’re he-eeere“ dem amerikanischen Gruselkino nicht nur einen Klassiker schenkte, sondern auch ungemein authentisch wirkt. Wenn sie fröhlich ist, ist sie entwaffnend niedlich, wenn der Terror in das Leben ihrer Filmfamilie einbricht, wirkt sie genuin erschrocken. Umso trauriger, dass sie mit zwölf Jahren verstarb und keine Chance hatte, an ihrer Karriere zu feilen.

Poltergeist ist unterhaltsam, keine Frage. Die sympathischen Figuren und die ausgezeichneten Effekte tun ihr übriges, um dies einen der besseren Spielberg-Filme werden zu lassen – egal, ob ihm nun ein Regie-Credit gebührt oder nicht. Poltergeist ist atmosphärisch stimmig und vielleicht nicht so furchterregend, wie er hätte sein können, aber das, was man als Zuschauer letztlich serviert bekommt, kann sich sehen lassen. Für einen Brei, an dem mindestens zwei große Köche herumexperimentierten, ist diese Geisterbahnfahrt bemerkenswert konsistent.



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