12 YEARS A SLAVE
USA/Großbritannien 2013
Dt. Erstaufführung: 16.01.2014
Regie: Steve McQueen
Das Schöne an der deutschen Kinolandschaft ist, dass sie so
unglaublich vielfältig ist und auch sehr viele Filme jenseits des
Hollywood-Mainstreams in die Abspielstätten bringt. Das Schlechte an ihr ist,
dass man manchmal etwas Geduld aufbringen muss, bis ein Film auch in
Deutschland erscheint. Bei 12 Years a
Slave ist das besonders eklatant, weil er seit seinem US-Start im Oktober
2013 bereits eine ungeheure Resonanz ausgelöst hat. Und auch wenn man sein
Bestes versuchte, dem Hype zu entgehen, möglichst wenig über den Film zu lesen
und auch die Debatten nicht zu verfolgen, ganz verschließen konnte man sich
nicht. Dies bringt natürlich immer eine gewisse Gefahr mit sich – erwartet man
nun zu viel von dem Werk, kann es aufgrund des Hypes die gesteckten Ziele gar
nicht erreichen? Oder, noch schlimmer, fällt man auf einen sogenannten Oscar Bait Film herein, ein Film also,
der hauptsächlich existiert, um Preise bei der Verleihung einzuheimsen, weil
man weiß, dass man die Jury mit dem Sujet „kriegt“? Glücklicherweise sitz mit
Steve McQueen einer der großen Autorenfilmer unserer Zeit auf dem Regiestuhl,
der Inhalt des Films ist kraftvoll, Oscar hin oder her, und insgesamt hält 12 Years a Slave dem Rummel um ihn
wacker stand. Völlig egal, welche kleineren Disharmonien man auch ins Feld
führen mag, die verfilmten Memoiren von Solomon Northup sind großes Kino im
allerbesten Sinn.
Saratoga, New York, 1841: Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor)
ist ein freier schwarzer Mann, mit Frau und zwei kleinen Kindern, und ein
angesehener Bürger der Stadt. Als ihn zwei Artisten für ihre Varietéshow
verpflichten wollen, wo er die Darbietung auf der Violine begleiten soll, nimmt
Northup ob des großzügigen Angebots an und begleitet die Beiden nach
Washington. Nach dem Job feiern die drei, trinken etwas zu viel und Solomon
findet sich am nächsten Morgen in Ketten gelegt in einem Keller wieder: seine vermeidlichen
Gönner haben ihn unter Drogen gesetzt und schlicht verkauft. Unter dem Namen
Platt wird Northup in die Sklaverei verfrachtet, die Versuche, andere von
seiner wahren Identität zu überzeugen, fruchten nicht. 12 Jahre soll er im
unvorstellbar grausamen System der Sklaverei verbringen, bis eine zufällige
Begegnung mit einem Kanadier (Brad Pitt) ihm Hoffnung auf Rettung verspricht…
Die Sklaverei als Ursünde der USA, konterkarierend zum
Selbstverständnis einer freien Nation mit den gleichen Rechten für Jedermann
und Jederfrau, ist nie wirklich aufgearbeitet worden. Nach ihrer Abschaffung
ging es, zumindest in den Südstaaten, im täglichen Umgang munter so weiter wie
bisher: Weiße Master, schwarze Untergebende. Und man kommt nicht umhin,
Solomons Verschweigen der eigenen Bildung, der intellektuellen Überlegenheit
vor allem über Figuren wie Tibeats (Paul Dano), zu Gunsten des Überlebens, als
subtilen Kommentar auch über heutige Verhältnisse zu lesen.
Dabei ist 12 Years a Slave mehr als ein simpler Film, der dem (weißen) Publikum das erzählt, was es ohnehin schon kennt: Sklaverei war/ist verabscheuungswürdig. Wie schon bei seinem vorangegangenen Film Shame ist sich Regisseur McQueen zu schade für solch simplifizierte Ansichten. Vielmehr ist 12 Years a Slave ein Film über das System Sklaverei, über den Vergiftungsprozess, dem sich eine im Selbstverständnis zivilisierte Gesellschaft aussetzt, wenn sie solche Gräuel sehenden Auges zulässt. Es liegt McQueen nichts daran, einfach nur die Verhältnisse Oben/Unten zu bebildern, vielmehr spürt er den unauflöslich erscheinenden Verstrickungen nach, die diese Konstellation mit sich bringt. Danos Figur kompensiert sichtlich mit der Machtausübung über die Sklaven eigene Unzulänglichkeiten. Benedict Cumberbatchs Ford wird als generöser Plantagenbesitzer gezeichnet, der den Händler Freeman (Paul Giamatti) nach seiner Menschlichkeit fragt, Northup eine Violine schenkt, aber auch nichts von dessen Vergangenheit hören will, als Solomon versucht, sich ihm anzuvertrauen. Ford profitiert wie jeder andere von der Arbeitskraft seiner Sklaven und auch wenn er persönlich für einen menschlicheren Umgang plädieren mag, kann er diesen nicht durchsetzen, weil das System übermächtig im Wege steht. Zumal auch sein Haushalt nicht frei ist von haarsträubenden Rassismen: bei der Ankunft von Northup und Eliza (Adepero Oduye), einer von Ford gekauften und bitterlich weinenden Sklavin, die gerade von ihren zwei Kindern gewaltsam getrennt wurde, meint Mrs. Ford (Liza J. Bennett) nur: „Etwas zu essen und etwas Ruhe, dann sind die Kinder schnell vergessen.“ Ähnlich wird auch über Zootiere geredet, denen man die Jungen wegnimmt und denen man keine Fähigkeit zur Trauer zugesteht.
Dabei ist 12 Years a Slave mehr als ein simpler Film, der dem (weißen) Publikum das erzählt, was es ohnehin schon kennt: Sklaverei war/ist verabscheuungswürdig. Wie schon bei seinem vorangegangenen Film Shame ist sich Regisseur McQueen zu schade für solch simplifizierte Ansichten. Vielmehr ist 12 Years a Slave ein Film über das System Sklaverei, über den Vergiftungsprozess, dem sich eine im Selbstverständnis zivilisierte Gesellschaft aussetzt, wenn sie solche Gräuel sehenden Auges zulässt. Es liegt McQueen nichts daran, einfach nur die Verhältnisse Oben/Unten zu bebildern, vielmehr spürt er den unauflöslich erscheinenden Verstrickungen nach, die diese Konstellation mit sich bringt. Danos Figur kompensiert sichtlich mit der Machtausübung über die Sklaven eigene Unzulänglichkeiten. Benedict Cumberbatchs Ford wird als generöser Plantagenbesitzer gezeichnet, der den Händler Freeman (Paul Giamatti) nach seiner Menschlichkeit fragt, Northup eine Violine schenkt, aber auch nichts von dessen Vergangenheit hören will, als Solomon versucht, sich ihm anzuvertrauen. Ford profitiert wie jeder andere von der Arbeitskraft seiner Sklaven und auch wenn er persönlich für einen menschlicheren Umgang plädieren mag, kann er diesen nicht durchsetzen, weil das System übermächtig im Wege steht. Zumal auch sein Haushalt nicht frei ist von haarsträubenden Rassismen: bei der Ankunft von Northup und Eliza (Adepero Oduye), einer von Ford gekauften und bitterlich weinenden Sklavin, die gerade von ihren zwei Kindern gewaltsam getrennt wurde, meint Mrs. Ford (Liza J. Bennett) nur: „Etwas zu essen und etwas Ruhe, dann sind die Kinder schnell vergessen.“ Ähnlich wird auch über Zootiere geredet, denen man die Jungen wegnimmt und denen man keine Fähigkeit zur Trauer zugesteht.
Mit Northups Transfer an den brutalen Epps (Michael
Fassbender) findet McQueen noch weitere Facetten seines Themas. Epps führt eine
Alibiehe mit seiner Frau (Sarah Paulson), fühlt sich aber sehr viel mehr zur
Sklavin Patsey (Lupita Nyong’o) hingezogen. Sexuell muss sie ihm zu Diensten
sein, sie ist die ertragreichste Baumwollpflückerin auf der ganzen Farm und
Epps steht auch in einem gewissen inneren Widerspruch, wenn er Patsey
einerseits vor den Eifersuchtsausbrüchen seiner Frau bewahren möchte, sie
andererseits aber wie Eigentum behandelt und sie – in einer der am schwersten
zu ertragenden Szenen des Films – auspeitscht bis ihr Rücken nur noch eine
aufgerissene Kraterlandschaft ist. Es ist eine verquere Liebe, die Patsey nie
erwidern kann und will, was Epps nur noch mehr in den Widerspruch und neue
Grausamkeiten treibt. Gewinner kann es nicht geben, auch nicht bei den Weißen,
die sich in den schicken Herrenhäusern vor der Wahrheit verbarrikadieren.
Nach Jahren als Nebendarsteller dürfte 12 Years a Slave der Durchbruch für Chiwetel Ejifor sein, dessen
zurückgenommenes, aber dadurch keineswegs weniger kraftvolles Spiel, den Film
dominiert. Was Ejifor mit einem Blick, mit wenigen Gesten auszudrücken vermag,
ist phantastisch, ebenso überzeugend sind Michael Fassbender als
gemeingefährlicher Epps und Lupita Nyon’o als Patsey, unter deren ruhigen
Oberfläche ein ebenso streitbarer Geist liegt wie bei Solomon. Einzig Brad Pitt
als Bass ist unstimmig besetzt, die Figur ist zwar äußerst wichtig und
zumindest im Subtext stimmig (nur ein von außen kommendes Element, in diesem
Fall ein weißer Kanadier, kann das System durchbrechen), aber die Starpräsenz
von Pitt überstrahlt den Charakter, der auch Exposition-Guy oder Kartharsis-Dude
hätte heißen können. Doch 12 Years a
Slave ist so immens reich an starken Sequenzen dass solche Störungen
(dazurechnen könnte man auch das mangelnde Zeitgefühl, dass der Film vermittelt
– wie 12 Jahre fühlt die die Erzählung nicht an. Wenn eine Laufzeit von drei
Stunden sinnvoll ist, dann bei diesem Film und nicht bei etwas wie The Wolf of Wall Street) kaum ins
Gewicht fallen. Der Film ist wie Solomon an der Violine: wenn jemand so virtuos
spielt, wen stört es da ernsthaft, wenn er sich mal kurz vergreift?
12 Years a Slave
verdient viele Auszeichnungen, weil der Film so stark ist und nicht, weil er
artifiziell darauf getrimmt wurde. Man spürt eine Art „nüchterne Dringlichkeit“
hinter dem Ganzen, McQueen manipuliert sein Publikum nicht, de facto ist seine
Inszenierung recht neutral, sogar Hans Zimmer als Soundtrackkomponist hält sich
zurück. Vielleicht ist es als Brite seine größere Distanz zur Sache, aber 12 Years a Slave kommt als ungeschönt,
ja geradezu unvermeidlich daher. Der Mensch ist des Menschen Wolf, dies mag an
sich nichts Neues sein, aber McQueen und sein Drehbuchautor John Ridley (der
das Drehbuch nach den 1853 erschienenen Memoiren Northups schrieb und auch das
Drehbuch zu dem herrlich bekloppten Undercover
Brother verfasste – was für eine Mischung in der Vita) zeigen dies so
offen, so ohne Zurückhaltung und mit so viel Gespür für das System, dass solch
eine unglaubliche Ausbeutung erst möglich machte, dass es unmöglich wird, sie
zu ignorieren. 12 Years a Slave ist
perfektes Kino: handwerklich ohnehin untadelig, intelligent geschrieben,
hervorragend gespielt und so voller nachhallender Bilder, dass sich der Film
schon jetzt einen Platz auf diversen Top-10-Listen zum Jahresabschluss
gesichert haben dürfte. Und selten war dies verdienter als im Falle von 12 Years a Slave.
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