Montag, 13. Januar 2014

Devil's Pass (2013)




DEVIL’S PASS
(The Dyatlov Pass Incident)
USA/Russland/Großbritannien 2013
Dt. Erstaufführung: 28.01.2014 (DVD-Premiere/Kauf)
Regie: Renny Harlin

Ehemalige Mitglieder von „Carolco Pictures“ werden auf den Namen Renny Harlin bestimmt nicht gut zu sprechen sein. Immerhin drehte der ehemalige Actionspezialist (Stirb langsam 2, Cliffhanger – Nur die Starken überleben) im Auftrag der Firma Die Piratenbraut, der eine Zeit lang den Weltrekord als größter kommerzieller Flop der Filmgeschichte halten sollte. Die Piratenbraut trieb „Carolco“ in die Insolvenz, Hauptdarstellerin Geena Davis in die Bedeutungslosigkeit und Renny Harlin weitab von jedem nennenswerten Budget. Er sollte noch den Actionlangeweiler Tödliche Weihnachten inszenieren, danach 1999 Deep Blue Sea, was sein größter Film in der Post-Piratenbraut-Zeit sein sollte. Momentan sammelt er in den USA vernichtende Kritiken mit The Legend of Hercules, dessen deutscher Starttermin noch nicht feststeht. Im Zweifelsfall wird er gleich auf seine Reise auf die Heimmedien geschickt, ähnlich wie Devil’s Pass, bei dem sich Harlin als Found-Footage-Regisseur versucht, ohne das Stilmittel wirklich verstanden zu haben. Devil’s Pass hat seine durchaus spannenden Elemente, aber er taugt kaum als Harlins neu ausgearbeitete Visitenkarte.

Eine fünfköpfige US-Studentengruppe unter der Leitung der optimistischen Holly (Holly Goss) bricht für eine Semesterarbeit nach Russland auf, um dort im Uralgebirge auf den Spuren der Dyatlov-Expedition zu wandeln, die 1959 unter ungeklärten Umständen ums Leben kamen. Die Leichen wurden leichtbekleidet im Schnee gefunden, einer Frau war die Zunge herausgerissen, zwei Männern waren die Schädel eingeschlagen worden, die Leichen wiesen aber keinerlei Spuren eines Kampfes auf. Zudem wurde an ihrer Kleidung Radioaktivität nachgewiesen. Bis zum heutigen Tag kann sich niemand all dies erklären und auch die Studenten haben ihre Schwierigkeiten, Sinn in den Erzählungen und Entdeckungen auf ihrem Weg zu finden. Als dann auch noch unheimliche Fußspuren im Schnee rund um ihre Zelte auftauchen, die scheinbar aus dem Nichts kommen und gehen und ein Wetterturm eine unangenehme Überraschung bereit hält, verdichten sich die Hinweise immer mehr auf eine nicht ganz alltägliche Erklärung der Ereignisse…

Das Unglück am Dyatlov-Pass ist eine historische Begebenheit und die Details, die man im Film darüber erfährt, sind allesamt wahr, inklusive der herausgetrennten Zunge und des von offizieller Seite festgehaltenen Umstands, dass der Angreifer, der die Mitglieder der Expedition so lautlos und augenscheinlich überraschend tötete, kein Mensch gewesen sein kann. So weit, so gruselig. Egal, welche bodenständigen Erklärungen man für den Tod der Menschen im Ural auch anbringen kann, der Vorfall eignet sich hervorragend als moderne Schauergeschichte, an der sowohl Verschwörungstheoretiker wie UFO-Anhänger ihre Freude haben. Oder schlicht Menschen, die für solche Real-Life-Mysteries immer zu haben sind.
Die Erklärung, die der Reality-TV erprobte Drehbuchautor Vikram Weet anbietet, ist dabei wahrscheinlich so gut wie jede andere, wenn auch etwas überzogen und sehr auf die Erwartungshaltung des Publikums zugeschnitten. Weet liebt es augenscheinlich, seine ach so clevere Konstruktion zu erklären, auch um das Paradoxon, was er damit erzeugt, leichter verdaulich zu machen. Dabei kann man ihm und Regisseur Harlin nicht absprechen, das sie nicht mit einem gewissen Sinn für Atmosphäre und spannenden Sequenzen und Ereignisse zu Werke gehen würden. Doch dies erzeugt durch das Found-Footage-Stilmittel ein ganz eigenes, wahrscheinlich ungewolltes Paradoxon.

Found-Footage-Filme haben immer wieder mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Erstens: wer findet überhaupt die Aufnahmen und wird dies durch den Film selbst glaubwürdig legitimiert? Zweitens: es bedarf einiges an suspension of disbelief, wenn jemand selbst in Horror-mäßigen Ausnahmesituationen stets für einigermaßen erkennbare Bilder sorgt, die man sich nachher ansehen kann. Blair Witch Project, sicherlich der moderne Urknall dieser filmischen Ausdrucksmöglichkeit, war dabei immerhin clever genug, um das Grauen nicht hübsch in Frames zu verpacken. Und die Aufnahmen wurden wohl von jemandem gefunden, der sich besser im Wald auskannte als die Filmstudenten. Am intelligentesten hat bisher Chronicle – Wozu bist du fähig? das Stilmittel eingesetzt, auch weil er nie behauptete, die Aufnahmen seien gefunden und dann zusammengeschnitten worden. Dadurch erreichte der Film nicht nur ein Gefühl, dass immens nahe an den Figuren war, sondern auch zu einer interessanten Abhandlung über die Allgegenwärtigkeit bewegter Bilder wurde. Einen Found-Footage-Film drehen, das geht heute mit jedem Smartphone. Die Kunst liegt im Umgang mit den Bildern, mit der Komposition und der Unmittelbarkeit. In Devil’s Pass riecht einerseits zu viel nach den Statuten des „professionellen“ Films (die Studenten machen mit ihrer HDV-Kamera wahrlich kinotaugliche Aufnahmen), andererseits wird die Plausibilität am Ende schlicht dem Effekt geopfert. Wie, zum Teufel, die Aufnahmen auf die im Film erwähnte Webseite (dem WikiLeaks für Mysterien) gelangt sein soll, das kann wohl auch Weet nicht erklären. Aber immerhin hat meinen einen hübschen Loop erzeugt.

Hätte sich Devil’s Pass etwas mehr in Zurückhaltung geübt, der Film wäre womöglich besser geworden. Die Erklärung ist schlicht eine Hit & Miss-Angelegenheit. Entweder man ist begeistert von der Biegung, die die Handlung macht, oder man wünscht sich eine weniger plakative Herangehensweise. Gehört man in die letztere Gruppe, gruselt einen der Wikipedia-Artikel zum Unglück womöglich mehr als Harlins Film. Devil’s Pass bekommt Punkte fürs aufrichtige Versuchen, auch wenn das Endergebnis etwas schlingert.




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