LOVE ALIEN
Deutschland 2012
Dt. Erstaufführung: 16.05.2013
Regie: Wolfram Huke
Dt. Erstaufführung: 16.05.2013
Regie: Wolfram Huke
Wolfram ist 29, als er sein Filmdebüt
in Angriff nimmt. Der Student der Hochschule für Fernsehen und Film in München
nimmt sich selbst auf, sein Leben, seine Begegnungen – und seine Suche nach
einer Freundin. Seiner ersten. Denn Wolfram hat in seinem Leben noch nie eine
Frau geküsst, Händchen gehalten, geschweige denn mit einer geschlafen. Und das
liegt nicht daran, dass er eigentlich auf Männer stehen würde. Wenn dem so
wäre, würde die Situation dort wohl genauso aussehen. Wolfram ist ein
sogenannter „Absoluter Beginner“, ein erwachsener Mensch, der in einem Alter,
in dem andere ihre ersten Kinder bekommen und mit der schmachtenden Suche nach
der großen Liebe bereits durch sind, noch keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet
vorweisen kann. So verfolgt man Wolfram bei seinen (halbherzigen) Versuchen,
die ihm unbekannte Welt zu erschließen. Er trifft platonische Freundinnen,
erhofft sich von einer Bekanntschaft aus Zagreb mehr, lässt sich von hippen
Stilberaterinnen zu neuen Klamotten überreden, wandert auf dem Jakobsweg und
verbringt seinen 30. Geburtstag schließlich im „Haus der Einkehr“, einem
Kloster in Südösterreich.
Love Alien ist im
Grunde weniger ein klassischer Dokumentarfilm denn ein filmischer Essay, dessen
extreme Subjektivität Wolframs Problem, womöglich ungewollt, gut auf den Punkt
bringt. Alles dreht sich um ihn, was okay ist – Love Alien ist schließlich auch sein
Film. Doch er, der als Regisseur und Akteur ständig im Fokus steht, offenbart
dabei auch ein Unvermögen zur kritischen Distanz sich selbst gegenüber. Sicherlich,
so etwas gehört zu den schwierigsten Übungen, die man überhaupt durchführen
kann, aber Wolfram Huke ergeht sich etwas zu sehr in Selbstmitleid, anstatt auf
die Ratschläge zu hören, die er im Off-Kommentar verdammt. Da raten ihm Freude
(von denen man im Film erschreckend wenige zu sehen bekommt), er müsse die
Suche einfach aufgeben, sich selbst annehmen, ein bisschen an sich arbeiten,
dann würde schon alles von selbst kommen. So sehr sich das nach Ratschlägen aus
dem Abreißkalender anhört und so sehr Huke sie bezweifelt – sie wirken, sie
sind wahr. Dies schreibt immerhin jemand, der vor zehn Jahren einen ganz
ähnlichen Film wie Huke hätte drehen können.
Ein bisschen erinnert Love
Alien paradoxerweise an den ähnlich intimen Dokumentarfilm Vergiss mein nicht, in dem Regisseur
David Sieveking mit der wachsenden Demenz seiner Mutter konfrontiert wird.
Anders als Huke schafft Sieveking aber den Balanceakt zwischen persönlicher
Geschichte und der Einordnung in einen größeren Kontext. Sieveking betrauert
weniger sich selbst und den Verlust seiner Mutter, sondern gibt ihr ihre Würde
und ihre Geschichte zurück, indem er ihre Biografie und die Beziehung seiner
Eltern recherchiert auf aufarbeitet und so starke Bilder gegen die
ausschließlich fatalistische Betrachtungsweise der Krankheit findet. Love Alien bleibt ganz bei sich und
unternimmt keinerlei Versuche, die geschilderte Einsamkeit in ein größeres Bild
oder einen gesellschaftlichen Kontrast oder Kontext zu setzen, auch fehlt eine
wirklich kritische oder auch nur interessante Auseinandersetzung mit dem Sujet.
Auf die Frage nach dem Warum, danach, warum ein Mensch in der heutigen
übersexualisierten Welt keinen Anschluss bekommt, findet Huke nur fahrige Antworten
wie: „Ich bin so oft enttäuscht worden und fürchte mich.“ Die Sitzungen bei
seiner resoluten Psychiaterin offenbaren sehr deutlich einige interessante
Punkte, an denen man hätte nachhaken können, doch Huke lässt sie verstreichen.
Stattdessen muss man mit ansehen, wie er die Beziehung zu seiner Bekanntschaft
aus Zagreb mit einer einzigen SMS in den Sand setzt und sich in Marathonläufe
und religiöse Erbauungsveranstaltungen flüchtet.
Dabei gibt es Momente in Love
Alien, die aufhorchen lassen. Wenn Huke emotional distanzierte Familie auf
den Plan tritt und seine Mutter polemische Ansichten zur heutigen Gesellschaft
vom Stapel lässt, der implizit eine Mitschuld an der Beziehungslosigkeit des
Sohnes gegeben wird, dann glitzert etwas in dem visuell wenig aufregenden Film
auf, eine tiefere Ebene, die man gern erkundet hätte. Oder auch eine selbstkritische
Auseinandersetzung mit dem möglichen religiösen Einfluss wäre interessant
gewesen, wer gibt in einem Fragebogen eines Online-Datingportals schon als
Interesse „Religion“ an? Aber Huke schafft es ja nicht einmal, die Geschichte
von einer Bekanntschaft auf dem Jakobsweg zu Ende zu erzählen, obwohl sie ihm
doch „Gänsehaut den Rücken hat runter laufen lassen.“
Bei aller Kritik ist Love
Alien womöglich aber für andere „Absolute Beginner“ als eine Art „Schulungsfilm“
interessant: so macht man es nicht. Und Huke selbst wünscht man weiterhin viel
Erfolg bei seiner Suche, denn er ist ein durchaus sympathischer Kerl, der es
allerdings mit der Hygiene in seiner Wohnung etwas genauer nehmen sollte. Es
ist nicht verwerfliches daran, mit 30 noch in einer Phase zu stecken, die
andere mit 20 durchmachen. Verwerflich wäre es nur, sich darin allzu sehr
einzunisten. Vielleicht bringt die Distanz, die Filmmaterial aufbaut, Huke
persönlich etwas. Als Dokumentarfilm bringt Love
Alien dem Zuschauer wenig Erkenntnis und wenig Diskussionsmaterial, allem Willen
zum Exhibitionismus zum Trotz. Immerhin funktioniert er als Bebilderung der
Gefühle, die einen überkommen, wenn man mehr zurück denn nach vorne blickt;
alles in der Welt scheint nur darauf aus zu sein, den Beziehungslosen zu
verhöhnen und ihm seine Situation unter die Nase zu reiben. Es ist schade, dass
Love Alien seine Nabelschau bis zum
Ende durchzieht und sich nicht auf die tieferliegenden Ebenen einlässt, die er
zweifellos anreißt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen