DAS ERSTAUNLICHE
LEBEN DES WALTER MITTY
(The Secret Life of Walter Mitty)
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 01.01.2014
Regie: Ben Stiller
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 01.01.2014
Regie: Ben Stiller
Das
erstaunliche Leben des Walter Mitty erfindet mitnichten das Rad neu, es ist
gutmütige, manchmal vielleicht etwas naive Wolhfühl-Unterhaltung. Und genau
dort liegt der Schlüssel zu seinem Erfolg. Die neuste Kinoregiearbeit von Ben
Stiller nach der Kriegsfarce Tropic
Thunder ist ein unschuldiger, ein entwaffnender Film, der sich selbst als
bestes Schild gegen all den Zynismus ins Feld führt, dem ihm vor allem von der
US-Kritik entgegen geschleudert wird. Walter
Mitty beruht auf einer Kurzgeschichte von James Thurber, die 1947 unter dem
Titel Das Doppelleben des Herrn Mitty
verfilmt wurde - mit den in den Staaten sehr bekannten und geschätzten Danny
Kaye in der Hauptrolle. Der Film, der hierzulande erst Mitte des letzten Jahres
bei einem winzigen Label auf DVD erschien und momentan bereits out of print zu
sein scheint, ist den amerikanischen Kollegen offenbar noch so im Gedächtnis,
dass Ben Stillers Version, die nach meinen Informationen sich diverse
Freiheiten in der Interpretation zugesteht, von vornherein einen schweren Stand
zu haben schien. Ein bisschen scheint es wie mit Das Wunder von Manhattan zu sein, dessen Remake bei uns auch besser
ankommt als in den USA, in denen das Original aus den 1940er Jahren zum
Standardrepertoire des Festtagsprogramms der Fernsehsender gehört. Ob die Herangehensweise,
die frei von „Vorbelastungen“ ist, ein Segen oder ein Fluch ist – geschenkt. Stillers
kleine Kinomagie ist trotz simpler Botschaft ein erfreulich warmherziger
Auftakt für das Kinojahr 2014.
Walter Mitty (Ben Stiller) ist der introvertierte
Fotoarchivar des renommierten LIFE-Magazins, dem nun eine Umstrukturierung zu
einem Onlineportal ins Haus steht. Abgewickelt wird das Ganze von dem
schmierigen Ted Hendricks (Adam Scott), der nicht nur keine Ahnung vom Magazin
hat, sondern auch den ständig tagträumenden Mitty verhöhnt. Nur in seinen
Phantasien setzt sich Walter zur Wehr, bekämpft Hendricks im Alleingang, hat
stets den perfekten Spruch auf den Lippen und bekommt natürlich die Frau seiner
Träume, seine Kollegin Cheryl Melhoff (Kristen Wiig), die er vergeblich
versucht, über ein Onlinedatingportal auf sich aufmerksam zu machen. Als wäre
das alles nicht schon genug, glaubt Walter auch noch, ein passendes Bild für
das Cover der letzten Ausgabe parat zu haben, denn das angebliche Meisterwerk
des exzentrischen Fotografen Sean O’Connell (Sean Penn), mit dem Walter über
ein Jahrzehnt korrespondiert hat, ohne im jemals in natura gegenüber zu stehen,
das Negativ No. 25, ist verschwunden. Um es zu beschaffen, muss sich Walter aus
seinen Träumen hinaus in ein echtes Abenteuer wagen, dass ihn von Grönland über
Island bis nach Afghanistan führt…
Das erstaunliche Leben
des Walter Mitty ist auf vielen Ebenen ziemlich clever, ohne damit
hausieren zu gehen. An der Oberfläche ist es natürlich ein leicht zu
goutierendes Werk über die persönliche Reifung eines Introvertierten, aber
Stiller und sein Drehbuchautor Steve Conrad (The Weather Man) achten auf eine Vielzahl von Details, die den Film
über den Durchschnitt heben. Da sind zum einen die Tagträume, die oftmals
bombastisch daherkommen. Den besten hat man zum Glück auch noch nicht durch die
Vorschauen erfahren: Walter duelliert sich mit Hendricks auf eine Art und
Weise, wie sie die Avengers nicht
besser hätten abliefern können. Und ganz nebenbei werden dabei augenzwinkernd
die im Grunde lächerlichen Gesetzte freigelegt, nach denen diese Filme
funktionieren. Eine solch süffisante Superheldenparodie, in der der MacGuffin dieser Filme (ein
außerirdisches Artefakt, ein Edelstein, eine besondere Energiequelle) durch ein
nostalgisch-alberne Actionpuppe ersetzt wird, hätte man einem Film, der sonst
das Schöne, das Märchenhafte in den Vordergrund stellt, gar nicht zugetraut.
Doch bei aller Spielfreude gewinnen die Tagträume nie die Oberhand und am Ende ist die Realität, mit der sich Mitty konfrontiert sieht, um Längen besser und bombastischer. Natürlich kann man nun anführen, dass auch hier die Gesetzte des Films greifen, das „wirklich wahre Leben“ nie so sei, aber Stiller und Conrad machen es den Zuschauer glauben. Außerdem, wer im Urlaub schon einmal vor einer atemberaubenden Kulisse stand oder eine unerwartet schöne Begegnung im Alltag hatte, der dürfte den Gedanken dahinter durchaus verstehen. Und die Botschaft des Films („Stop Dreaming. Start Living.“) bedeutet ohnehin für jeden etwas anderes.
Doch bei aller Spielfreude gewinnen die Tagträume nie die Oberhand und am Ende ist die Realität, mit der sich Mitty konfrontiert sieht, um Längen besser und bombastischer. Natürlich kann man nun anführen, dass auch hier die Gesetzte des Films greifen, das „wirklich wahre Leben“ nie so sei, aber Stiller und Conrad machen es den Zuschauer glauben. Außerdem, wer im Urlaub schon einmal vor einer atemberaubenden Kulisse stand oder eine unerwartet schöne Begegnung im Alltag hatte, der dürfte den Gedanken dahinter durchaus verstehen. Und die Botschaft des Films („Stop Dreaming. Start Living.“) bedeutet ohnehin für jeden etwas anderes.
Neben den Darstellern, zu deren Riege auch Shirley McLaine
oder der aus The Deep inzwischen
hoffentlich bekanntere Ólafur Darri Ólafsson gehören, sind die Bilder von
Kameramann Stuart Dryburgh (Die letzte
Kriegerin) das Element, das dem Film ein ungeheures Flair verleiht.
Dryburgh hat ein gutes Gespür für Kamerapositionen und Licht, er weiß mit der
Tiefe des Raums ebenso umzugehen wie mit den Ebenen in räumlich beschränkten
Umgebungen. Walter Mitty ist ein sehr
schön anzusehender Film, in dessen Mittelpunkt stets Ben Stiller steht. Und was
auch immer man von ihm persönlich bzw. von der Auswahl seiner Filme halten mag
(und ich mache keinen Hehl daraus, dass ich kein Stiller-Fan bin), so ist sein
Walter Mitty doch eine bemerkenswert sympathische Kreation. Von der ersten
Szene an, in der er zu schüchtern ist, um auf einen Button innerhalb der
Datingseite zu klicken, gewinnt Stiller den Zuschauer für sich. Mitty dürfte
eine seiner besten Darbietungen sein, schon allein, weil sie auf grelle Comedy
und enervierende Einlagen verzichtet. Waren seine Everyman-Qualitäten in Meine Braut, ihr Vater und ich noch eher
behauptet, kommen sie hier voll zum Tragen.
Schlussendlich ist Das erstaunliche Leben des Walter Mitty
auch ein ungemein nostalgischer Film, mit echter Sorge darüber, wie eine Welt
aussieht, in der alles digital ist. Walters Büro ist ein Kleinod von einem Set,
ständig tauchen Verweise auf eine analoge Welt auf, die vielleicht nicht besser
war, aber es auch nicht verdient hat, in einer zweifelhaften Modernisierungswut
unterzugehen. Wenn Walter nach seinen Abenteuern in die Firmenzentrale
zurückkehrt und aus dem gedruckten, sorgfältig erstellten LIFE Magazin nun LIFE
Online geworden ist, dann kommt man nicht umher, auch hier einen
unmissverständlichen Seitenhieb zu erkennen. Die Digitalisierung bringt auch
Segen, Mitty nutzt auch die Annehmlichkeiten der Zeit, aber sowohl er als auch
sein Film verwehren sich einer Hörigkeit gegenüber der „Moderne“. Letztlich
kann auch Mitty den Niedergang des Printjournalismus bevor sein nur online existierender
Cousin eine sinnige Form gefunden hat, nicht verhindern. Das erstaunliche Leben des Walter Mitty hat auch seine
schwermütigen Seiten, seine Nostalgie wird nicht nur durch Erinnerungskultur,
sondern auch echter Sorge angetrieben.
So bietet Das
erstaunliche Leben des Walter Mitty durchaus vieles, was einen Kinobesuch
lohnt. Die an sich unspektakuläre Geschichte wird durch ihren Subtext und die
vielen liebevollen Details enorm aufgewertet, die Darsteller sind mit Elan
dabei, der Soundtrack kommt ausgesucht daher, die Bilder von teils
beeindruckender Schönheit. Walter Mitty
ist schlicht entwaffnend liebevoll, völlig egal, wie Thurber seine
Kurzgeschichte schrieb und Kaye die Hauptrolle interpretierte. Stiller beweist
hier ungeahnten Mut zu diversen Brüchen mit dem gängigen Hollywood-Wohlfühlkino
und allein seine Sensibilität sollte man beachten. Dieser Walter Mitty ist
wirklich erstaunlich.
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