DER MEDICUS
(The Physician)
Deutschland 2013
Dt. Erstaufführung: 25.12.2013
Regie: Philipp Stölzl
Dt. Erstaufführung: 25.12.2013
Regie: Philipp Stölzl
Der
Medicus, das Mammutwerk von Noah Gordon, erschien 1987 in Deutschland und
entwickelte sich hierzulande, im Gegensatz zu seiner amerikanischen Ausgabe, zu
einem gigantischen Bestseller. Inzwischen wird das Buch als eines der beliebtesten
Bücher der Welt gehandelt. So ist es wenig verwunderlich, dass die erstaunlich
lange hinausgezögerte Verfilmung des Buches von Deutschland aus abgewickelt
wurde (unter den genannten Produktionspartnern findet sich neben den üblichen
Verdächtigen der bundesdeutschen Filmförderung auch die ARD Degeto), nicht ohne
mit der Besetzung internationaler Stars und einem komplett in englischer
Sprache gedrehtem Werk auch auf den internationalen Markt zu schielen.
Verständlich, sieht man dem Film doch an, dass er den einen oder anderen Euro
gekostet hat und möglichst hohe Verkaufszahlen sollen die Einnahmen sichern. Ein
guter Film ist Der Medicus allerdings
nicht geworden, eher ein arg durchschnittlicher, ein mechanisches Werk, dass
möglichst viele Erwartungen erfüllen möchte und am Ende viele davon enttäuscht.
Dass er als Adaption eines so seitenstarken Buches wie dem von Gordon nie
dessen Komplexität erreichen kann, geht noch in Ordnung. Roman und Buch sind
schlicht zwei sehr unterschiedliche Medien. Weniger verzeihlich ist aber, dass Der Medicus einfach fahrig inszeniert
ist.
England, Anfang des 11. Jahrhunderts: die Mutter des jungen
Rob Cole (Adam Thomas Wright) stirbt an der sogenannten „Seitenkrankheit“, die
sehr viel später unter „entzündeter Blinddarm“ bekannt sein sollte. Robs kleine
Geschwister kommen bei einem Farmer unter, Rob muss allein zurechtkommen. Er
forciert ein Zweckbündnis mit dem umherfahrenden Barber (Stellan Skarsgård),
der einzigen medizinischen Versorgung, die man in den mittelalterlichen Tagen
kannte. Als Erwachsener (Tom Payne) wird Rob immer wissbegieriger auf neue
medizinische Fakten. Als ein jüdischer Arzt dem langsam erblindenden Barber
sein Augenlicht wiederschenkt, ist Rob überzeugt, dass es noch sehr viel mehr
zu lernen und erfahren gibt, als es sein Lehrmeister ihm beibringen kann. Rob
erfährt vom größten lebenden Gelehrten Ibn Sina (Ben Kingsley), der im fernen Persien
unterrichtet. Beseelt von der Idee, ein wahrer Medicus zu werden und den
Menschen zu helfen, macht sich Rob auf den beschwerlichen Weg. Unterwegs gibt
er sich als Jude aus, da die Christen unter der Herrschaft von Shah Ala
ad-Daula (Olivier Martinez) vertrieben wurden. Ansonsten herrscht in seiner
Stadt Isfahan eine relative Freiheit, was Religion und Wissenschaft angeht. Rob
wird auf die Schule aufgenommen und beginnt seine Lehre, während sich
fundamentalistische Kräfte immer weiter aufwiegeln, den gottlosem Schah zu
stürzen, widerspricht die Freiheit, die man Ibn Sina und den Seinen gewährt,
doch angeblich den Lehren des Koran…
Gegen politische Anfeindungen kann und muss man Der Medicus in Schutz nehmen. Wenn man
ihm die Fortschreibung gängiger islamkritischer Feindbilder vorwirft, verkennt
man den Kern der Geschichte. Der Medicus
ist im Grunde eine recht progressive Erzählung über die Behinderungen, die Religionen
auf den Weg des Fortschritts darstellen können. Die Islamisten in diesem Film
legen ihre heilige Schrift derartig reaktionär aus, dass sie alles bekämpfen,
was aus diesem eng gesetzten Rahmen fällt. An diesem bedauerlichen Umstand hat
sich bis heute, in keiner Weltreligion, etwas geändert. Und der Film verfällt nicht
einmal in simple Schwarz/Weiß-Malerei, denn auch unter dem vergleichsweise
modernen Schah ist nicht alles zum Besten gestellt. Vielmehr erreicht Der Medicus eine beeindruckende
Aktualität dadurch, dass er den Umstand illustriert, dass auf persischem Gebiet
zivilisatorische Errungenschaften, von denen heute die Menschheit immer noch
profitiert, auf sehr viel fruchtbareren Boden gefallen sind als in Europa. Dies
wird in den polemischen Diskussionen der heutigen Tage gern vergessen. Wenn es
eine Lehre aus Der Medicus gibt, dann
die, dass Religion nie per se gut oder per se schlecht ist und es immer die
Menschen sind, die die Welt formen und sich dabei das eigene Denken nicht
verbieten lassen sollten. Das mag weder überraschend noch sonderlich neu sein,
aber in seiner Aktualität ist es ungebrochen.
So ist das Nachdenken über Einfluss und Spielarten von
Religionen im Spannungsfeld von Tradition und Moderne, auch wenn es das Denken
des 21. Jahrhunderts in das 11. transplantiert und nicht unbedingt „historisch
akkurat“ daherkommt, der stärkste Aspekt des Films. Ansonsten gibt es weniger
Anlass zur Freude.
Der Medicus ist eine Hochglanzproduktion, alles versprüht den Charme von bis ins kleinste Detail geplanter klinischer Künstlichkeit. Der Film merzt den Zufall, das Gefühl des Echten aus. Es geht sehr viel mehr um die opulente Ausstattung als um die Emotionen, die in ihnen stattfinden. Wenn man mit den Figuren eine gerade überfallende und zerstörte Stadt betritt, wirken sogar die umgeworfenen Körbe und die herausgefallenen Äpfel wie jeder einzelne sorgsam platziert. Dementsprechend distanziert ist man von den Figuren. Tom Payne gibt die Hauptfigur und wandelt ohne Elan durch seine Szenen, während Ben Kingsley dagegen beweist, dass er jedem Film einen Funken Ehrfurcht einimpfen kann. Sein Ibn Sina ist nicht nur die unterhaltsamste, sondern auch die interessanteste Figur, in dessen innere Konflikte man gern tiefer eingetaucht wäre. Doch Regisseur Philipp Stölzl (Nordwand) verbringt lieber mehr Zeit mit dem farblosen Payne. Das Desinteresse an seiner Figur geht soweit, dass selbst eine eigenhändig durchgeführte Beschneidung keinen großen Effekt hat. Ebenso wenig funktional ist Robs Gabe, Krankheiten und daraus resultierende Begebenheiten durch eine Berührung im Vorfeld zu erahnen. Diese Superhelden-Fähigkeit ist nicht nur albern, sondern wird auch mit solch verlangsamten Bildern illustriert, dass Zack Snyder, der König dieses nervigen Stilmittels, Stolz wäre. Der Medicus geht größtenteils zu wenig auf seine Figuren ein, alles bleibt frustrierend oberflächlich.
Der Medicus ist eine Hochglanzproduktion, alles versprüht den Charme von bis ins kleinste Detail geplanter klinischer Künstlichkeit. Der Film merzt den Zufall, das Gefühl des Echten aus. Es geht sehr viel mehr um die opulente Ausstattung als um die Emotionen, die in ihnen stattfinden. Wenn man mit den Figuren eine gerade überfallende und zerstörte Stadt betritt, wirken sogar die umgeworfenen Körbe und die herausgefallenen Äpfel wie jeder einzelne sorgsam platziert. Dementsprechend distanziert ist man von den Figuren. Tom Payne gibt die Hauptfigur und wandelt ohne Elan durch seine Szenen, während Ben Kingsley dagegen beweist, dass er jedem Film einen Funken Ehrfurcht einimpfen kann. Sein Ibn Sina ist nicht nur die unterhaltsamste, sondern auch die interessanteste Figur, in dessen innere Konflikte man gern tiefer eingetaucht wäre. Doch Regisseur Philipp Stölzl (Nordwand) verbringt lieber mehr Zeit mit dem farblosen Payne. Das Desinteresse an seiner Figur geht soweit, dass selbst eine eigenhändig durchgeführte Beschneidung keinen großen Effekt hat. Ebenso wenig funktional ist Robs Gabe, Krankheiten und daraus resultierende Begebenheiten durch eine Berührung im Vorfeld zu erahnen. Diese Superhelden-Fähigkeit ist nicht nur albern, sondern wird auch mit solch verlangsamten Bildern illustriert, dass Zack Snyder, der König dieses nervigen Stilmittels, Stolz wäre. Der Medicus geht größtenteils zu wenig auf seine Figuren ein, alles bleibt frustrierend oberflächlich.
Verstärkt wird dies noch durch den miserablen Schnitt und
die holprige Dramaturgie. Szenen werden ohne Chancen zu Leerstellen aneinander
geklatscht, die Charaktere haben keine Chance zu atmen oder auch nur einen
wirklichen Moment der Stille zuzulassen, weil Cutter Sven Budelmann sofort zur
nächsten Szene springt – manchmal mitten in der Bewegung. Getrieben wirkt die Montage,
als habe man fundamentale Angst davor, den Zuschauer auch nur für eine Sekunde
zu langweilen. Dadurch erreicht man aber genau das, weil die Emotionen auch
bedingt durch den Schnitt an der Oberfläche bleiben. Hinzu kommt, dass dem Film
jegliches Zeitgefühl fehlt. Alles läuft glatt und in der braven Dramaturgie
einer Schullektüre ab, oft wirken Ereignisse, die Wochen und Monate
verschlingen, wie ein einziger Tag. Und auch dass Rob keine wirklich
ernstzunehmenden Schwierigkeiten auf seiner Odyssee erfährt, ist nicht nur
durch die Komprimierung der Vorlage zu erklären. Beeindruckend, wie leicht man
in die Schule Ibn Sinas aufgenommen wird und wie rasant man eine völlig fremde
Sprache lesen kann. Der Medicus ist
sehr viel mehr an seinen Schauwerten interessiert als an sich nach wirklichen
Hürden anfühlenden Begebenheiten.
Was bleibt also von dieser Romanverfilmung? Hübsche Bilder,
aber ein holperiges Drehbuch? Gewiss. Ein sehr weites Spektrum an
schauspielerischen Leistungen und eine nicht von der Hand zu weisenden
Oberflächlichkeit? Auch das. Der Medicus
ist etwas zu oft zu zufrieden mit sich selbst, zu sehr mit dem Handwerk anstatt
mit der Generierung echter emotionaler Feedbacks beschäftigt, um ihn voll und
ganz zu empfehlen. Dieser Film vermag es durchaus, Diskussionen zu entfachen,
sei es über seinen interessanten Subtext oder nur darüber, dass er nicht ganz das
liefert, was ihm wohl vorschwebte. Der
Medicus ist genügsames Ausstattungskino, das etwas zu sehr darauf hofft,
dass man mit Schauwerten und nur behaupteten Gefühlen bereits alles zusammen
hat, um einen internationalen Hit bei der Hand zu haben.
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