Donnerstag, 26. Juni 2014

RoboCop (2014)




ROBOCOP
USA 2014
Dt. Erstaufführung: 06.02.2014
Regie: José Padilha

„Remake“ ist ein Wort mit „Geschmäckle“. Wirklich gerne nehmen es Filmschaffende und vor allem Vermarkter nicht in den Mund, verbreitet es doch den dezenten Duft von Ideenausverkauf. Man spricht gern von Neuinterpretation, zumal wenn die Prämisse auf ein anderes Medium, einen Roman etwa, zurückgeht oder von einer Neuauflage für eine nachgewachsene Generation. Da sich die Menschheit gefühlt ohnehin nur ein Dutzend Geschichten in variierenden Konstellationen erzählt, hat das sogar eine gewisse Berechtigung, zumindest aber einer Erklärung. Gute Geschichten kommen auch deshalb immer wieder, weil sie in modifizierter Form aktuell bleiben. Dem RoboCop-Remake gelingt es nun, aufbauend auf Paul Verhoevens brachialer Satire von 1987, zu einer eigenen Sichtweise auf den kybernetischen Gesetzeshüter zu gelangen. Die Kritik war nicht unbedingt gnädig zu dem Film, die niedrige Altersfreigabe sorgte bereits im Vorfeld für Empörung: RoboCop ohne exzessive Gewalt ist doch nicht RoboCop! Doch der Brasilianer José Padilha hatte augenscheinlich auch keine sklavische Adaption des Originals im Sinn. RoboCop 1987 und RoboCop 2014 sind zwei sehr unterschiedliche Filme, die mehr als Randnotiz den gleichen albernen Titel tragen.

Im Jahr 2028 werden die Krisenherde dieser Welt von diversen Kampfrobotern kontrolliert, die allesamt vom OmniCorp Konglomerat stammen. Nur in den USA selbst sind die metallenen, unbestechlichen und angeblich auch nahezu unfehlbaren Gesetzteshüter noch nicht im Einsatz, weil der Senat sich bisher weigerte, eine Erlaubnis für derlei Projekte zu erteilen. Umfragen lassen zudem den Schluss zu, dass die Amerikaner einem rein künstlichen Polizisten ohne jegliche menschliche Regungen nicht vertrauen würden. Als der idealistische Detroiter Polizist Alex Murphy (Joel Kinnaman) im Zuge einer Ermittlung gegen einen Waffenhändler (Patrick Garrow) schwer verwundet wird, kommt die Zeit für ein neues OmniCorp-Projekt: den kybernetischen Polizisten, körperlich schwer angeschlagene Cops sollen mithilfe von Robotertechnologie wieder in den Dienst zurückkehren können. Drei Monate nach seinem Unfall erwacht Alex in Gestalt des von den Medien und der Bevölkerung bald „RoboCop“ getauften Inkarnation. Doch was heißt es, wenn man ein menschliches Hirn in eine hochentwickelte Maschine steckt – und was bedeutet das vor allem für Murphy selbst?

RoboCop ist beileibe kein perfekter Film, manchmal versagt er sogar auf den Basisleveln des Unterhaltungskinos. Das liegt vor allem an der bemerkenswert emotionslosen Darstellung von Joel Kinnaman. So arbeitet sich der Film fruchtlos an der Beziehung zwischen Alex und seiner Frau Clara (Abbie Cornish) und Sohn David (John Paul Ruttan) ab, ohne auch nur einmal eine genuine Emotion zu generieren. Kinnamans Darbietung reicht für das Grundverständnis des Subtextes, ehrlich mitgenommen wird das Publikum nicht. Auf dem emotionalen Level war Verhoevens RoboCop und sein Ausflug in sein leer stehendes Haus sehr viel erfolgreicher.

Hervorragend aber gelingt Padilha das Update des intellektuellen Parts der Geschichte. 1987 war RoboCop noch eine zynische Abrechnung mit dem Amerika der Reagan-Ära, 2014 ist RoboCop ein Kind des WikiLeaks-Zeitalters, der Welt der Drohnenkriege und der ständigen Verfügbarkeit von Daten. Alles wird irgendwo gespeichert, jeder Schritt kann, wenn man an den richtigen Stellen sucht, nachverfolgt werden. So ist RoboCop zunächst genauso überfordert mit der schieren Masse an Daten wie jeder durchschnittliche Bewohner der digitalen Welt, die (menschliche) Fähigkeit zur Analyse, zum Filtern, muss erst erworben werden. Geradezu süffisant ist in diesem Zusammenhang der Versuch der Verantwortlichen, Alex‘ Gefühle durch eine Hirnmanipulation vollkommen zurückzuschrauben – der Mensch ist nur noch Blendwerk für die Öffentlichkeit, im Hintergrund zieht ein nüchterner Computer die Fäden. Alex ist abwechselnd eine Maschine, die sich für einen Menschen hält und ein Mensch, der glaubt eine Maschine zu sein. RoboCop stellt damit nicht nur die ewig junge Frage nach dem Wesen des Menschen im Umfeld einer zunehmend technisierten Welt, er plädiert auch für einen besonnenen, ja geradezu ethischen Umgang mit Daten. Nicht alles, was man aufgrund von Informationen tun oder entscheiden kann, muss auch zwangsläufig durchgeführt werden. Im WikiLeaks-Beispiel wäre das eine Unterscheidung zwischen Informationen, die Verstoße gegen die Menschenrechte aufklären und solchen, deren Verfügbarkeit eher jenen in die Hände spielen, die genau diese Rechte angreifen. Der Computer handelt rational, der Mensch denkt. Beide Systeme produzieren Fehler, geradezu zwangsläufig, und RoboCop ist ein Triebwerk, dass unter der Oberfläche des etwas holprigen Popcornfilms ständig auf Hochtouren läuft.

In diese Kerbe schlägt auch die ätzende Satire, die Padilha mit der TV-Show von Pat Novak (Samuel L. Jackson) inszeniert, und die als eine Art Rahmen, Exposition und Kommentar zum eigentlichen Geschehen dient. Hier kommt Padilha Verhoeven am nächsten, wenn er Jackson als Moderator mit unbestimmter politischer Gesinnung als Medienstellvertreter mal so, mal so argumentieren lässt und aus komplexen Diskurs ein populistischer Reflex wird, der den Zuschauer am Ende mit dumpfen Patriotismus wieder schlafen legt.
So bietet Padilhas RoboCop weitaus mehr, als Puristen ihm zugestehen wollen. Sicherlich war Verhoevens Film greller, überlebensgrößer und in letzter Konsequenz auch unterhaltsamer inszeniert, aber unter der generischen Oberfläche des Remakes schlägt ein ambitioniertes Herz, das seine Ideen und Diskurse vom Zuschauer freigelegt sehen möchte. Sieht man RoboCop als reines Konsumprodukt an, kann er wohl nur enttäuschen, vor allem, wenn man die Meinung vertritt, Verhoevens Gewaltfetischismus sei ein unabkömmlicher Bestandteil der Narrative. Doch letztlich sind die beiden Version der Geschichte recht unterschiedliche Filme, die beide in die jeweilige Zeit passen.
RoboCop 2014 hat das Zeug dazu, in zwanzig, dreißig Jahren sehr viel besser besprochen zu werden als zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung, erzählt er hinter den Actionsequenzen und den mitunter etwas hölzernen Darbietungen doch bemerkenswert viel über die Zeit, aus der er stammt. Und das Bild eines von seiner „Rüstung“ befreiten Alex, der nur noch aus Kopf, Lungenflügeln, Luftröhre und einer Hand besteht, ein „head on a stick“ sozusagen, könnte sich zu einem definierenden Moment in der filmischen Darstellung der Mensch/Maschinen-Beziehung mausern.





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