NEBRASKA
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 16.01.2014
Regie: Alexander Payne
Dt. Erstaufführung: 16.01.2014
Regie: Alexander Payne
IMDB informiert den interessierten
Leser, dass Alexander Paynes Nebraska
auf diversen Filmfestivals in den unterschiedlichsten Kategorien insgesamt
73mal nominiert war, darunter sechsmal für den Oscar. Der Name Bruce Dern
schiebt sich dabei beständig in den Vordergrund und man könnte den Eindruck
gewinnen, Dern würde den Film fast alleine tragen. Umso erstaunter muss man
feststellen, dass dem nicht so ist. Der Altstar ist zwar zweifellos
hervorragend in seiner Rolle, doch der eigentliche Hauptdarsteller ist Will
Forte (TVs Saturday Night Live) als
Filmsohn David. Dennoch wird Forte bestenfalls mit einer Nominierung als bester
Nebendarsteller bedacht, was ihm, seiner Leistung vor allem seiner Rolle
Unrecht tut. Nebraska ist, wenn
schon, ein Film mit zwei gleichberechtigten Mimen, die sich auf unaufdringliche
Art die Seele aus dem Leib spielen und dabei auch noch von einer ganzen Schar
hervorragender Darsteller unterstützt werden. Still und leise erzählt Payne mit
ihnen eine bemerkenswert universell einsetzbare Familiengeschichte, die für
manchen oberflächlich betrachtet vielleicht belanglos wirken mag, aber sehr
viel über menschliche Beziehungen, eben gerade die unaufkündbaren
interfamiliären, erzählt.
Woody Grant (Bruce Dern) ist ein vom fast lebenslangen
Alkoholmissbrauch gezeichneter Mann. Sein Körper wirkt wie eine rostige
Maschine und auch die Zurechnungsfähigkeit lässt nach. So versteht er auch
nicht, dass er einem Werbegag aufsitzt, als ihm eine Postwurfsendung einen
Gewinn von einer Million Dollar verspricht, abzuholen in Lincoln, Nebraska.
Nach einigen fruchtlosen Versuchen, den störrischen Alten von seinem Plan abzubringen,
macht sich der jüngere Sohn David (Will Forte) schließlich mit seinem Vater auf
den Weg von Montana aus zum Ort der Verheißung – nicht ganz uneigennützig, denn
David hofft, auf diesem Weg endlich einen Zugang zu seinem stoischen Erzeuger
zu bekommen. Es wird ein Roadtrip der kuriosen und melancholischen Art und als
die beiden in Montana bei Woodys Bruder Ray (Rance Howard) und seiner Frau
Martha (Mary Louise Wilson) in der Heimatstadt des Vaters zwischenhalten,
beginnen auch bald interfamiliäre Abrechnungen – schließlich ist Woody ja jetzt
Millionär…
Nebraska ist ein
Film über Abhängigkeiten und die wunderlichen Gefüge, die in einer Familie
walten. Woody wird als Mann gezeichnet, der sich zeit seines Lebens nicht viele
Gedanken über die Situationen gemacht hat, in die er hineingerät. Es wurde
geheiratet, weil man das eben so machte, Kinder entstanden aus der
Konstellation katholische Mutter und Vater mit Freude am Sex, ein bewusster
Entscheidungsprozess lag dem nicht zugrunde. So ist es auch nicht
verwunderlich, dass Woody seinen Alkoholismus nie in Frage gestellt hat. Bier
klassifiziert er nicht als Alkohol und wenn man selbst kein Problem erkennt
sucht man auch nicht nach Hilfe. Die Grants sind eine Familie Co-Abhängiger, in
der jeder seine eigenen Wege gefunden hat, mit der belastenden Situation
umzugehen. Der ältere Sohn Ross (Bob Odenkirk) stürzt sich in die Arbeit, die
Mutter Kate (June Squibb) ist nur noch am nörgeln (und hat ihren strengen Katholizismus
im Laufe der Zeit augenscheinlich aufgegeben), was am stets abwesend wirkenden
Woody abprallt. David hingegen schwankt zwischen Resignation und verzweifelten
Versuchen, doch noch an den Mann, der sein Vater ist, heranzukommen. Dabei
begeht Nebraska nicht den Fehler, die
Situation in einer generischen Hollywoodsituation aufzulösen. Es gibt keinen
großen Knall, keine Aussprache, die Woody läutert oder David vollends beglückt
zurücklässt. Am Ende sind die Probleme immer noch da, aber für David haben sich
neue Wege eröffnet, mit der Situation umzugehen. Der Alkoholmissbrauch wird
mosaikartig erklärt, wenn auch nicht entschuldigt – Woody ist ein Opfer seiner
eigenen Biographie und der (wohl generationenbedingten) Unfähigkeit, Gefühle
und Gedanken in eine nicht nach innen gerichtete Sicht zu kanalisieren.
Nebraska hat seine
durch und durch humorvolle Szenen, spart aber auch in ihnen nicht an einer
melancholischen Grundhaltung. So ist der Abstecher zum Mount Rushmore, den
Vater und Sohn auf dem Weg nach Lincoln unternehmen, gleichermaßen amüsant,
weil Woody eine sehr eigene Sicht auf das Nationaldenkmal formuliert, wie
ernüchternd, weil Davids Freude an der Möglichkeit, ein Erlebnis mit dem Vater
zu teilen, vollkommen konterkariert wird. Dem Alkoholiker ist die Gefühlswelt
anderer noch egaler als die eigene und David tut sich sichtlich schwer daran,
diese Tatsache zu akzeptieren. Auch die grandiose Szene, in der Ross und David
einem vermeintlich ihrem Vater gehörenden Kompressor stehlen, beinhaltet das
Element der Ernüchterung, weil Woody einfach unfähig ist, seine Gedanken in
einem normalen Dialog zu äußern.
Neben der sehr kenntnisreichen Schilderung einer Beziehung zu einem trinkenden Familienmitglied wirft der Film auch einen wissenden Blick auf sonstige familiäre Gefüge. So sind die tumben Cousins Davids natürlich Karikaturen, Klischees, aber auch gar nicht mal so abwegige Platzhalter für all jene Familienmitglieder, mit denen eine fruchtbare Diskussion nicht möglich ist, weil sich die Denk- und Erfahrungswelten so sehr voneinander unterscheiden. Natürlich sieht Payne den Zuschauer mehr in der Rolle Davids, weil ihm wohl bewusst ist, dass die Cousins des echten Lebens eher keinen Schwarz/Weiß-Film wie Nebraska schauen. Das mag man plump finden, entbehrt aber auch nicht einem gewissen Wahrheitsgehalts, ebenso wie die einsilbige Kommunikation, die Payne unterhaltsam-quälend in Szene setzt. Wohl dem, dessen Familie zu den kommunikativeren zählt.
Neben der sehr kenntnisreichen Schilderung einer Beziehung zu einem trinkenden Familienmitglied wirft der Film auch einen wissenden Blick auf sonstige familiäre Gefüge. So sind die tumben Cousins Davids natürlich Karikaturen, Klischees, aber auch gar nicht mal so abwegige Platzhalter für all jene Familienmitglieder, mit denen eine fruchtbare Diskussion nicht möglich ist, weil sich die Denk- und Erfahrungswelten so sehr voneinander unterscheiden. Natürlich sieht Payne den Zuschauer mehr in der Rolle Davids, weil ihm wohl bewusst ist, dass die Cousins des echten Lebens eher keinen Schwarz/Weiß-Film wie Nebraska schauen. Das mag man plump finden, entbehrt aber auch nicht einem gewissen Wahrheitsgehalts, ebenso wie die einsilbige Kommunikation, die Payne unterhaltsam-quälend in Szene setzt. Wohl dem, dessen Familie zu den kommunikativeren zählt.
So ist Nebraska
ein sehr ehrlicher Film mit einem ruhigen, aber nicht langweilenden Duktus
geworden. Getragen von grandiosen Darstellern, vielen wunderbaren Nuancen
(Forte und Odenkirk beispielsweise kommunizieren auf eine Weise, als wären sie
wirklich Geschwister), einem herrlichen Score und einem feinen Blick für
Beziehungen und deren Dynamiken ist es sicher kein Film der großen Worte oder
der definierten Narrative (die Handlung ist eine Momentaufnahme). Aber wenn
sich die Figuren und mit ihnen der Zuschauer am Ende wieder auf den Weg nach
Montana machen, kommt man nicht umhin, sich bereichert von diesem
tragisch-komischen ganz normalen Lebenswahnsinn zu fühlen.
Eine überzeugende Apologie der Elemente in "Nebraska", die mir nicht so gut gefielen (die Cousins und der Umgang mit Alkoholismus etwa). Schön auch, dass du Will Forte so ausdrücklich lobst. Ich fand es sehr bedauerlich, dass er in der allgemeinen Rezeption so wenig bedacht wurde, obwohl er dem Film so viel Wärme schenkt und Bruce Dern erst einen menschlichen Gegenspieler bietet.
AntwortenLöschenOhne Forte wäre "Nebraska" so ein radikal anderer Film geworden. Ich finde es auch sehr befremdlich, dass alle Bruce Dern so sehr loben, wodurch sie Forte darüber vollkommen vergessen.
LöschenUnd die Cousins liebt man oder hasst man, glaube ich. Aber man kennt solche Leute, darum drücke ich dir die Daumen, dass das bei dir nicht so ist und sie deshalb bei dir durchgefallen sind. ;-)