Donnerstag, 27. Februar 2014

Zoo (2007)




ZOO
USA 2007
Dt. Erstaufführung: 27.11.2011 (DVD-Premiere)
Regie: Robinson Devor

Sind Sie schon einmal an einer Weide voller Pferde vorbeigegangen und haben über Sex mit diesen Tieren nachgedacht? Nein? Dann gehören Sie offensichtlich nicht zur Gruppe der Zoophilen. Glückwunsch. Oder nicht? Genau darüber möchte Regisseur Robinson Devor augenscheinlich, dass wir nachdenken. Ist Sex zwischen Menschen und Angehörigen anderer Arten in irgendeiner Form vertretbar? Was bedeutet so ein Verhalten für beide Parteien? Was für die Gesellschaft, in der so etwas – wahrscheinlich zu recht – ein Tabu darstellt? Zoo, in Deutschland in der DVD-Reihe Kino kontrovers veröffentlicht, ist ein künstlerisch berauschender Film mit poetischen Bildern von Sean Kirby und einem atmosphärischen Soundtrack von Paul Matthew Moore. Doch allein, was ihm völlig fehlt ist ein tiefergehendes Verständnis oder zumindest der Wille, dies zu vermitteln. Geht man davon aus, dass die allermeisten Zuschauer selbst kein sexuelles Interesse an Tieren haben, tut der Film sehr wenig, dies in irgendeinen Kontext zu setzen. Dabei sollte man anmerken, dass der Film eine Dokumentation ist, die auf dem Fall von Kenneth Pinyan aus dem Jahr 2005 beruht, der hunderte tierpornographische Filme drehte, bevor er an einer Bauchfellverletzung innerlich verblutete, nachdem er sich von einem Hengst hat anal penetrieren lassen. Der Film bleibt ganz in der Perspektive der Männer, die sich auf einer Farm im Bundesstaat Washington trafen, um dort ihrer Leidenschaft zu frönen. An den mannigfaltigen sonstigen Fragen, die das Sujet aufwirft, interessiert sich Devor nicht. Zoo verkauft seine Oberflächlichkeit als Lyrik, versucht, die Kinematographie die Arbeit für eine ausgewogene Dokumentation zu überlassen und ist so am Ende ein zutiefst ärgerlicher Film.

Vielleicht ist der Begriff „Dokumentation“ auch zu hoch gegriffen. Der Film setzt sich hauptsächlich aus Reenactment zusammen, Schauspieler stellen die Protagonisten da, die nach dem Tod von Pinyan, der sich Mr. Hands nannte, durch die Medien aufgeschreckt und in ihrem Tun unterbunden wurden. Die als Voice-Over zu hörenden Interviews mit einigen der Involvierten sind allerdings kein Produkt eines filmischen Kunstgriffs. Männer, die sich The Happy Horseman oder Coyote nennen, reden über ihre Liebe zu Tieren, insbesondere Pferden, und das dies doch eine ganz normale sexuelle Ausrichtung sei, wie etwa Hetero- oder Homosexualität. Und genau da liegt der Knackpunkt sowohl des Films als auch der ganzen Debatte. Nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, kurz ICD-10, ist Zoophilie eine gestörte Sexualpräferenz, eine Paraphilie. Unter diesem Oberbegriff finden sich auch andere offensichtliche Störungen wie Pädophilie und Nekrophilie. Und mag Zoo auch noch so schön verpackt sein und die Männer noch so sehr beteuern, sie würden den Tieren ja kein Leid durch ihre Handlungen zufügen, hinwegtäuschen darüber, dass es sich um eine niemals gleichberechtigte Beziehung handeln kann, sollte man sich nicht lassen. Ray Greene vom Boxoffice Magazine bringt es auf den Punkt, wenn er meint, Zoo sei dazu verdammt, für immer unvollständig zu sein, bis jemand das Pferd interviewen kann.

Zoo appelliert so auf höchst irritierende Weise an die Toleranz der Zuschauer. Es ist doch nur eine Form der Liebe, die halt nicht jeder teilt, ist der Tenor, als könnten sich Pferde und Hunde in einem dem menschlichen Denkprozess ähnlichen Verfahren bewusst für Sex, für eine Beziehung mit einem Menschen entscheiden. Es geht nicht darum, Tiere als bewusstseinslose Wesen zu diskreditieren, aber all das Gerede von wahrer Tierliebe verdeckt nur die tiefe Kluft, die zwischen den Arten in Beziehungsfragen besteht. Mehr noch, all die Rechtfertigungen der Männer, die sie anbringen und die unmissverständlich darauf abzielen, sie doch genauso als sexuelle Minderheit anzuerkennen wie alles andere, was aus der Heteronormativität herausfällt, sind ähnlich schwache Argumente wie jene, die von bekennenden Pädophilen vorgetragen werden; in Deutschland erinnert man sich noch gut an die gerade wieder hochgeschwemmten Debatten aus den 1970ern, ob gleichberechtigter sexueller Kontakt zwischen Erwachsenen und Kindern in irgendeiner Form realisierbar wäre. Die Liebe, die von den Zoophilen so vehement als ihr Recht (mit Betonung auf ihr Recht) verteidigt wird, beruht schlicht nicht auf dem Kontakt zwischen zwei Wesen auf gleicher Ebene. Auch der Einwand, die Tiere würden sich ja aus den Situationen herausziehen, wenn es ihnen nicht gefiele, ist wacklig, eben weil der Mensch gerade gegenüber sogenannten Nutztieren in einer Machtposition steht.

Zoo ist nicht wertungsneutral, auch wenn er den Zuschauer dies gern Glauben lassen möchte. Eben weil er de facto alle anderen Stimmen ausblendet, keinen Diskurs eröffnet und die Männer sich in Kreisen um ihre Rechtfertigungen drehen lässt, stößt Devor den Zuschauer durch die Ästhetik abgefedert, aber dennoch bestimmt in eine Richtung. Der Zuschauer soll die Männer kennenlernen und ihre Neigungen, wenn nicht gutheißen, dann zumindest verstehen. Es sind halt einsame, seltsame Gestalten, die bei Tieren subjektiv mehr Zuneigung erfahren als bei anderen Menschen. Dieser Umstand wird betont, verweist auf das wahrscheinlich bei vielen im Publikum bekannte Gefühl, einem Haustier, dem Familienhund oder Großmutters Katze etwa, schon mal emotional näher gewesen zu sein als den nächsten Mitmenschen. Dass man daraus aber auch ein Verständnis für den Sex mit eben jenen Tieren ableiten soll, ist geradezu skandalös manipulativ, auch wenn es nur einen geringen Prozentsatz der Menschen betreffen mag.

Was bleibt also am Ende? Zum einen das Gefühl, dass andere Tiere in der Rechtsprechung des Menschen eine sehr seltsame Position einnehmen, dass es augenscheinlich mit großem Unbehagen verknüpft ist, sich ihnen juristisch als mehr als Sachen oder Besitz zu nähern. Und dass manche Menschen genau daraus einen kruden Anspruch generieren, ihre sexuellen Neigungen den Tieren aufzuerlegen. Sie sind ja ohnehin die wahren Tierfreunde.
Doch all dies unterstützt Zoo als Film nur bedingt. Er aalt sich in seinen zugegebenermaßen ansprechenden Bildern (explizite Aufnahmen kommen vor, sind aber nur für Sekundenbruchteile auf einem TV-Schirm zu sehen), wirkt dadurch aber auch seltsam artifiziell, als hätte Terrence Malick entschieden, einen Film über Sodomie zu drehen. So bleibt ein ungemein leeres Werk zurück, dass die Debatte scheut und Therapiewürdigen Leuten eine groteske Plattform bietet. Zoo will Verständnis für seine Protagonisten, aber wenn man sich vor den wirklichen Fragen und Diskursen verschließt, kann man nicht erwarten, dass der Zuschauer auch gewillt ist, dies zu gewähren.



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