Samstag, 8. Februar 2014

Thale - Ein dunkles Geheimnis (2012)




THALE – EIN DUNKLES GEHEIMNIS
(Thale)
Norwegen 2012
Dt. Erstaufführung: 30.11.2012 (DVD-Premiere)
Regie: Aleksander Nordaas

Geht man nach dem Klischee, dann sind die skandinavischen Wälder voll mit mysteriösen Kreaturen, die dem Menschen mal mehr, mal weniger wohlgesonnen sind. Und da augenscheinlich niemand aus dem erwachsenen Publikum einen Film über wohlmeinende Heinzelmännchen sehen möchte, tendiert man bei der kinotauglichen Folklore-Aufarbeitung zur letzteren Kategorie. Thale ist da keine Ausnahme, auch wenn der werbewirksame Verweis auf den verdienten Exportschlager Trollhunter hinkt. Mit der aufwendig produzierten, augenzwinkernden Mockumentary hat der Low-Budget-Film Thale nicht mehr zu tun als das Entstehungsland Norwegen und den besagten folkloristischen Hintergrund. Sehenswert aber ist auch er.

Die beiden Tatorteiniger Elvis (Erlend Nervold) und Leo (Jon Sigve Skard) werden zu einer entlegenen Waldbehausung in der norwegischen Wildnis geschickt, um dort nach dem Tod des Eigentümers ihrem Beruf nachzugehen. Im Keller entdecken sie, gut versteckt, ein gleichsam provisorisch wie professionell anmutendes Labor, in dem sie schnell auf ein Lebewesen stoßen: Thale (Silje Reinåmo). Doch Thale ist trotz ihres attraktiven Äußeren kein Mensch, sondern eine Huldra, eine Art Sirene aus der skandinavischen Mythologie. Und da ihr Ziehvater nun tot ist, ruft dies ihre wildlebenden Verwandten auf den Plan…

Gedreht mit einem winzigen Budget, mit Aleksander Nordaas als Regisseur, Drehbuchautor, Produzent, Kameramann, Schnittmeister und Bühnenbildner in Personalunion und hauptsächlich im elterlichen Keller entstanden, ist Thale weitaus besser, als man bei so einem Setup erwarten dürfte. Nordaas weiß um die Beschränkungen, denen er unterliegt, und nutzt diese zu seinem Vorteil. Geschickt suggeriert er eine Welt, die sehr viel größer ist als jene, in der Elvis und Leo leben. Thale reißt vieles an, ohne sich in ausführlichen Erklärungen zu ergehen und dies kommt hier dem Film zugute. Es geht, natürlich, auch um Verschwörungen, um finstere Machenschaften, die im Hintergrund ablaufen, aber Nordaas bleibt so konsequent bei seinen Protagonisten, dass auch der Zuschauer nicht die gesamte Bandbreite des Geschehens abschätzen kann. So bewahrt sich der Film eine im besten Sinne mysteriöse Aura. Ein Low-Budget-Werk wie Thale kann die ungeheuerliche Welt der Huldras nur anreißen, sie aber nicht ganz durchdringen und es hilft dem Film deutlich beim funktionieren.

Thale kombiniert Fantasy, Horror, Mystery und trockenen Humor. Leo hat sich größtenteils dem Nihilismus ergeben und schaut mit einem gewissen Zynismus auf die Welt, während Elvis noch versucht, sein Leben zu ordnen. Silje Reinåmo ist derweil über weite Teile des Films (halb)nackt, ohne dass dies zu einem unpassenden erotisierenden Effekt verkommt. Ohne Worte gelingt es Reinåmo so, eine ambivalente Sphäre um sich selbst zu generieren. Man ist nie ganz sicher, was diese Huldra als nächstes Tun wird, ob ihre menschliche Sozialisation (soweit man davon reden kann) oder die eher gefährliche Natur ihrer Verwandten aus den Wäldern die Oberhand gewinnen wird. So hält Nordaas den Zuschauer auch hier gekonnt in der Schwebe und schafft es, die Spannung aufrecht zu erhalten.

Man sieht Thale an, dass er ein geringes Budget hatte, aber Nordaas unbestreitbares Talent, aus wenig viel herauszuholen, hebt den Film weit über den Durchschnitt. Wenn man unbedingt möchte, kann man die computergenerierten Effekte bemängeln, die aber nur in Nahaufnahmen weniger funktionell daherkommen. Werden sie im Hintergrund eingesetzt, sind sie äußerst effektiv. Atmosphärisch dicht ist Thale eine unerwartete Überraschung. Mit seinem ganz eigenen Spleen ist Nordaas Film sicher nicht jedermanns Sache, aber wenn man sich am Ende dabei ertappen sollte, über die Dimensionen der Lebensvielfalt auf der Erde nachzudenken, kann man nur sagen: Hut ab, Low-Budget-Film.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen