…und schon wieder ist ein Jahr vergangen. Im Angesicht der weniger vorhandenen Zeit (und der wenig beeindruckenden Klickzahlen) hoffe ich, dass es mir niemand übel nimmt, wenn es dieses Mal keinen Videorückblick gibt. Lesen ist ja auch schön, nicht wahr?
2015 habe ich 167 Filme gesehen, satte 46 weniger als im
letzten Jahr. Dafür habe ich mehr „aktuelle“ Werke „geschafft“: 54 im Jahr 2015
in Deutschland veröffentlichte Filme gegenüber 42 Filme im Jahr 2014. Hinzu
kommen 42 Serienstaffeln. Wie immer konnte ich nicht alle Filme sehen, die mich
interessierten und von denen der ein oder andere vielleicht sogar Anwärter auf einen
Platz auf der Top-Liste gewesen wäre (Victoria,
It Follows, Carol, Unsere kleine
Schwester, Hedi Schneider steckt fest,
Crimson Peak, Das Märchen der Märchen, Das
dunkle Gen, Leviathan, Taxi – Teheran, Die Melodie der Meere), habe mir aber auch bewusst Filme gespart,
an denen ich berechtigte Zweifel hatte (Avengers:
Age of Ultron, American Sniper, 50 Shades of Grey, Herz aus Stahl, Fack Yu Göthe
2, The Interview, Er ist wieder da).
Ich muss sagen, dass inzwischen eine gewisse Entspannung eintritt: wenn ich einen Film oder eine Serie nicht innerhalb „seines/ihres“ Jahres schaffe, geht die Welt nicht unter, zumal ich dank Streamingdiensten und vor allem diesem gewissen deutsch-französischen Kulturkanals inzwischen auch ein lohnendes Gegenprogramm zur Hand habe („Hast du vielleicht diese tolle Doku auf arte schon gesehen?“). Es bringt mir persönlich dann mehr, wenn ich einen Film wie Sue – Dinosaurier No. 13 sehen kann und tangiert mich weniger, wenn ich etwas wie Gaspar Noés Love (zunächst) verpasse. Buzz-Filme kommen und gehen und meine Zeit wird mir zusehends zu schade dafür, sie für Filme zu opfern, die ich womöglich nur um des Sehens und des kurzlebigen Mitreden-Könnens sehen würde, an denen aber weniger Interesse besteht. Ich merke, dass mir das gut tut und diesen Trend versuche ich auch 2016 beizubehalten.
Ich muss sagen, dass inzwischen eine gewisse Entspannung eintritt: wenn ich einen Film oder eine Serie nicht innerhalb „seines/ihres“ Jahres schaffe, geht die Welt nicht unter, zumal ich dank Streamingdiensten und vor allem diesem gewissen deutsch-französischen Kulturkanals inzwischen auch ein lohnendes Gegenprogramm zur Hand habe („Hast du vielleicht diese tolle Doku auf arte schon gesehen?“). Es bringt mir persönlich dann mehr, wenn ich einen Film wie Sue – Dinosaurier No. 13 sehen kann und tangiert mich weniger, wenn ich etwas wie Gaspar Noés Love (zunächst) verpasse. Buzz-Filme kommen und gehen und meine Zeit wird mir zusehends zu schade dafür, sie für Filme zu opfern, die ich womöglich nur um des Sehens und des kurzlebigen Mitreden-Könnens sehen würde, an denen aber weniger Interesse besteht. Ich merke, dass mir das gut tut und diesen Trend versuche ich auch 2016 beizubehalten.
Was mich allerdings wirklich ärgert ist mein
Besprechungsoutput: lediglich 36 Reviews haben ihren Weg in diesen Blog
gefunden, dazu schmale zwei Capsule
Reviews. Im Gegensatz zu 2014 mit 113 Besprechungen und sage und schreibe
168 im „Eröffnungsjahr“ 2013 ist das natürlich nicht sehr beeindruckend. Kann
ich Besserung geloben? Ich habe mir zumindest vorgenommen, im Laufe des Jahres
2016 alle James Bond-Filme zu besprechen, also werden wir wohl sehen müssen,
was die Zeit bringt. Dass es neben Filmen auch noch so etwas wie ein Leben
gibt, unglaublich …
Dafür haben mich die Blog-Veranstaltungen wie der Horrorctober und vor allem meine Wünsch dir ein Review!-Aktion sehr
gefreut: tolle Filme, tolle Reaktionen, tolle Filmbloggercommunity. Dank an
alle meine Mitblogger, die mit ihrem Feedback, Anregungen und Gesprächen das
Jahr besonders gemacht haben.
Doch nun zu dem, weshalb ihr hier seid: die Top- und
Flop-Listen. Fangen wir an dieser Stelle mit den Serien(staffeln) an, die
letztes Jahr hier nicht beachtet wurden.
FLOP 5 (Serien,
gesehen 2015)
05.) THE WALKING DEAD
(Staffel 5)
04.) KOMMISSARIN LUND
(Staffel 2)
03.) FEAR THE WALKINGDEAD (Staffel 1)
02.) THE 100
(Staffel 1)
01.) WELCOME TO SWEDEN
(Staffel 1)
TOP 10 (Serien,
gesehen 2015)
10.) THE STRAIN/iZOMBIE (Tie, beide Staffel 1)
09.) ORANGE IS THE NEW
BLACK (alle Staffeln)
08.) THE KNICK
(Staffel 1)
07.) THE LAST MAN ON
EARTH (Staffel 2)
06.) BETTER CALL SAUL
(Staffel 1)
05.) BEASTS (Komplette Serie)
05.) BEASTS (Komplette Serie)
04.) GILMORE GIRLS
(Staffel 1, aber eigentlich die komplette Serie)
03.) BLACK MIRROR
(Staffel 1)
02.) RECTIFY
(Staffel 1)
01.) DIE LANGEN,GROßEN FERIEN (Komplette Serie)
Als nächstes eine kleine Empfehlungsliste jenseits des Filmjahres 2015: eine Top 10 der Filme, die ich in jenem Jahr zum ersten Mal gesehen habe:
10.) DER GENERAL
(1926)
09.) VERBOTENE FILME
(2014)
08.) LETTERS FROM THE BIG MAN (2011)
07.) DER PIANIST
(2002)
06.) FRUITVALE STATION
(2013)
05.) DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM (1975)
04.) AME & JUKI –
DIE WOLFSKINDER (2012)
03.) UNDER THE SKIN
(2013)
02.) NIGHTCRAWLER
(2014)
01.) OSLO, 31. AUGUST
(2011)
Nun aber das Filetstück dieses Rückblicks, die Tops und Flops des Jahres 2015. Behaltet noch einmal im Hinterkopf, dass ich viele Filme nicht gesehen habe und diese Listen einem Evolutionsprozess unterliegen. Wenn ihr in einem Jahr hier vorbeischaut, wird sich dort sicherlich etwas geändert haben.
Bei den Flops habe ich mir, wie gesagt, viele Filme gespart,
von denen ich von vornherein das ungute Gefühl hatte, sie würden auf dieser
Liste landen. Darum ist es nur eine Flop 5, aber ein paar unehrenhafte Nennungen
habe ich dennoch:
Zum einen wäre da M. Night Shyamalans „Rückkehr zu seinen
Wurzeln“, was wohl so viel heißt wie: „Ein paar spannende Szenen sollen ein
lahmes und vorhersehbares Drehbuch retten.“ The
Visit war keine riesige Katastrophe, aber auch keine kleine Offenbarung,
auch wenn sich diese Titulierung wohl dadurch erklären lässt, dass der Film
kein Über-Schwachsinn wie The Happening
war. Ebenfalls enttäuschend waren der bonbonbunte, enervierende Home – Ein smektakulärer Trip (bei dem
ich erfahren musste, dass Selfies während des Films mit Blitzlicht von einigen
Kinogängern augenscheinlich als normal angesehen werden) und die deutsche
Produktion Wir sind jung. Wir sind stark.,
der wieder einmal zu sehr die Seite der rechtsextremen Täter beleuchtet. Gerade
jetzt hat Rostock-Lichtenhagen Anfang der 1990er wieder an Aktualität gewonnen
und der Film schwelgt etwas zu sehr in Zeitlupenaufnahmen von Feuer, Mob und
Aggressionen.
Eine spezielle Nennung hat auch der dreißigminütige
Internetfilm Kung Fury verdient, der
in diesem Jahr die Runden machte. Pseudolustige Trash-Parodie, die die Materie
nicht versteht und sehr viel mehr nervt als dass sie unterhält. Wie las ich so
treffend in einem Kommentar auf Letterboxd:
„Ein Film, wie sich 20-jährige Hipster die Filme der 1980er vorstellen.“ Ein
klassischer Fall von Don’t believe the
Hype.
Last but not least, auch nur weil ich es dank des üblichen
Familienweihnachten gesehen habe: Das
Traumschiff: Macau. TV-Unterhaltung auf tiefstem Niveau mit einem
stümperhaften Drehbuch und grandios hölzernen Darstellern. Eigentlich eine
Unverschämtheit, dass so etwas als seichte Unterhaltung angeboten wird, denn es
beleidigt jegliche gute seichte Unterhaltung.
Wie dem auch sei, hier nun die Flop 5 2015:
05.) AUTÓMATA
(USA/Spanien/Kanada/Bulgarien 2014, Gabe Ibánez)
Roboter entwickeln ein Bewusstsein und fordern Autonomie von
den wie eh und je unvernünftigen Menschen. Bekannte, aber immer wieder starke
Prämisse, ohne Elan und erwähnenswerte Einfälle umgesetzt. Gelungene Tricks und
eine melancholische Grundstimmung können die sich dahin schleppende Story mit
Erlöserkomplex leider nicht übertünchen.
04.) EXTRATERRESTRIAL – SIE KOMMEN NICHT IN
FRIEDEN (Extraterrestrial,
USA/Kanada 2014, Colin Minihan)
Freunde treffen im Wald auf aggressive Aliens und werden in
eine Verschwörung aus dem Papierkorb der Akte
X-Autoren hineingezogen. Genauso überraschungsarm und vorhersehbar wie es
sich anhört, dazu noch billig getrickst und brav alle Klischees bedienend. Muss
man sich wundern, dass so etwas klammheimlich auf Heimmedien veröffentlicht
wird? Wer eine spannende Variante des Themas (sozusagen) sehen will, dem sei Pod von Mickey Keating ans Herz gelegt.
03.) STUNG (Deutschland/USA 2015, Benni
Diez)
Es ist schade, wie wenig der Film seiner Location vertraut,
wie wenig er auf die gegebenen Umstände setzt, die sich vor ihm ausbreiten und
er stattdessen den Weg des geringsten, markttechnisch optimierten Widerstandes
geht. So erstickt Stung eine
potenzielle Einzigartigkeit im Keim und schafft es dann auch nicht, aus dem
Rest zumindest noch ein unterhaltsames Trashfest zu machen.
02.) KINGSMAN – THE SECRET SERVICE
(Großbritannien/USA 2014, Matthew Vaughn)
Eine Verschwendung von Talent, Ressourcen und Zeit.
Reaktionär, kleingeistig und – zur „Würzung“ im rechten Moment –
„ironisch-sexistisch“. In einer Welt, in der gerade der satirische Blick auf
den glorifizierenden Agentenfilm viel Material anbietet, ist Kingsman schlicht zu kurz gegriffen.
01.) SHARKNADO 3: OH HELL NO! (USA 2015,
Anthony C. Ferrante)
Heidewitzka, ohne die Einbettung in das SchleFaZ-Umfeld wäre dieser Film kaum erträglich gewesen. Ach, was
rede ich, er ist es so auch kaum. Ich weiß, diese Filme sind von Haus aus
notorisch schlecht und als Müll designt, aber das macht es kaum besser. Hai-Alarm am Müggelsee ist auch Trash,
aber liebevoll gestalteter. Sharknado 3
ist billig, doof und in seinem forcierten Trash-Willen auch nicht sonderlich
unterhaltsam. An diesen Filmen ist kaum etwas ehrlich, sie plagt also das
gleiche Problem wie Kung Fury.
Schlechter Geschmack und filmische Selbstüberschätzung sind quasi Kunstformen,
die von den Sharknado-Machern nicht
beherrscht werden.
In erfreulicheren Gefilden tummeln sich dieses Jahr wieder
so einige Filme, die entweder im guten Mittelfeld oder darüber hinaus
angesiedelt sind. Einige davon haben gar einige Prügel bezogen, aber da dies ja
meine Liste ist, kann ich sie hier in Schutz nehmen. Bei den ehrenwerten
Nennungen wäre da Jurassic World,
sicherlich eine aufgeblähte Variante des ersten Kinofilms, der im Zuge von
World auf einmal als über alles erhabene Meisterwerk gefeiert wurde, nichtsdestotrotz
aber, ganz im Gegenteil zu dem schwächelnden neuen Star Wars-Kapitel, eine durchweg unterhaltsame Angelegenheit. Aber
ich konnte mich ja auch mit der „Junge spielt seinen Lieblingsfilm
nach“-Mentalität von Peter Jacksons King
Kong arrangieren. Vor allem, weil Jurassic
World auch eine Kritik an der „Höher, schneller, weiter“-Einstellung des
Blockbusters darstellt. Dass er diese Mechanismen gleichzeitig bedient, steht
ja auf einem anderen Blatt.
Zum anderen ist da der dokumentarische Horrorfilm The Nightmare, den ich eher als
Selbsttherapie denn als „ernsthaften“ Dokumentarfilm sehe. Schon der Erstling
von Regisseur Rodney Ascher, der aberwitzige Room 237, kam bei mir besser an als bei vielen anderen, ich denke,
sie subversive Zweideutigkeit, die er auch und gerade den schreibenden
Rezipienten anbietet, ist genau mein Fall.
Ansonsten hat mich noch der Abduktionsthriller Honeymoon überzeugt, vor allem, weil er
sich an den entscheidenden Stellen zurücknimmt und einem die Figuren schnell
ans Herz wachsen, ebenso wie die durchdachte Komödie Ricki and the Flash und der neue Anti-(Pro?)Weihnachtsklassiker Krampus. Ebenfalls sehenswert ist das
traumwandlerische, bemerkenswert sicher inszenierte Drama Nachthelle, die Netflix-Doku My
Own Man, die Männlichkeitsbilder im Angesicht der Vaterschaft in Frage
stellt und die beobachtende Dokumentation Willkommen
auf Deutsch, in der in Zeiten von sogenannten „Montagsdemonstrationen“ und
Massen an Terroranschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte in Form der doch nur so
um ihre Liebsten besorgten Bürger, die argwöhnisch über ihr kleingeistiges
Territorium wachen, ungeahnter Sprengstoff steckt.
10.) MAGGIE (USA 2015, Henry Hobson)
Maggie ist ein ungewöhnlicher Film, mehr
Drama als Horror, und als solcher schon fast auf Kritik der Genrefans
programmiert. Nicht wenigen wird es wie eine Verschwendung vorkommen, dass aus
der Konstellation Schwarzenegger/Zombies nicht eine Reminiszenz an das
Actionkino vergangener Dekaden geworden ist. Für alle, die für eine erweiterte
Definition des Genres offen sind (denn schließlich ist der Verlust einen
geliebten Menschen mehr Horror als alle Zombiefilme zusammen), dem bietet Maggie ein lohnendes, melancholisches,
nachdenkliches Erlebnis. It’s not your
average zombie flick – und genau das macht ihn so stark.
09.) UNDERDOG (Fehér isten, Ungarn/Deutschland/Schweden 2014, Kornél Mundruczó)
Erzählt man die Prämisse des ungarischen Films Underdog – Ein von seinen Menschen
verlassener Hund zettelt mit Artgenossen eine Revolution an – wird schnell die
Frage gestellt, ob es sich hierbei um einen Animationsfilm handelt. Dem ist
nicht so: die Hunde reden nicht und die Revolution geht auch nicht lustig oder
mit Slapstickeinlagen versehen vonstatten. Es ist vielmehr ein Drama mit
einigen pointierten Bildern (der Vater der menschlichen Protagonistin besucht
gleich zu Beginn ein Schlachthaus, Sinnbild der selbsternannten
Entscheidungshohheit des Menschen über das Tier), hervorragend komponierten
Tiersequenzen und auch wenn der politische Anspruch nicht wirklich eingelöst
wird (als Film über das immer weiter nach rechts abdriftende Ungarn taugt Underdog nur eingeschränkt),
funktioniert der international als White
God bekannte Film doch als Parabel. Hund Hagen erhebt sich aus einem
System, dass ihm und den Seinen aufgezwungen wird und dabei geht es gar nicht
darum, möglichst viele Menschen zu töten (was Underdog als Rachefilm disqualifiziert), sondern um die
unmissverständliche Forderung nach Anerkennung. Sicherlich unterstellt man den
Hunden damit menschliche Motivationen, was aber in einer Parabel nicht weiter
negativ auffällt. Underdog ist
sicherlich kein perfekter Film, aber sein Gerechtigkeitsbewusstsein, seine
nicht von ungefähr vage an Planet der
Affen – Prevolution erinnernde Revolution der Marginalisierten, machen ihn
– zumindest für mich – sehr sehenswert. Und unter diesen Vorzeichen ist er dann
wohl doch auch politisch zu verstehen. Es steckt mehr in diesem Underdog, als man auf den ersten Blick
meinen könnte.
08.) DER BABADOOK (The Babadook, Australien 2014, Jennifer Kent)
Als Monsterfilm
wird Der Babadook Genrefans recht
wenig von dem bieten, was sie suchen. Wer hingegen ein emotional ansprechendes,
kompetent inszeniertes Psychodrama sehen möchte, dass entwaffnend ehrlich mit
Gefühlen, auch mit düsteren, umgeht, dem offeriert Regisseurin Jennifer Kent
einen involvierenden Film, dessen Sujet Trauer durchaus auch auf andere
emotionale Ausnahmesituationen angewendet werden kann. Der Babadook kann jeden
besuchen und das Mantra des Film – „Don’t let it in!“ – ist als Plädoyer gegen
emotionale Abschottung zu verstehen. Verdrängung gebiert Monster, die des
Nachts durch knarzende Türen kommen und es bedarf eines emotionalen
Reifungsprozess, um ihrer Herr zu werden. So ist Der Babadook letztlich ein hoffnungsfroher, lebensbejahender Film,
der um die Finsternis der Existenz weiß, sich von ihrer aber nicht beherrschen
lassen will. You can’t get rid of the Babadook – but you can learn to cope with
him.
07.) UPSTREAM COLOR (USA 2013, Shane
Carruth)
Dank dem deutschen Netflix-Ablegers ist dieser Film nun auch
hierzulande ganz offiziell zu sehen und was soll man sagen: vieles, was man
gehört hat, erweist sich als wahr. Upstream
Color ist ein fordernder Film, ohne Frage. Er verlangt Aufmerksamkeit,
Kombinationsgabe, Interpretationsfähigkeit und auch Geduld, wenn die eindeutig
von Terrence Malick inspirierte Kamera sich verselbstständigt. Aber anders als
Malick, der sich gern in einem gefälligen Nichts ergeht, findet Upstream Color immer wieder zu seiner
Geschichte zurück, die gleichermaßen bedrückt, beflügelt, vollkommen klar und
rätselhaft ist. Die wie in einem Zwischenstadium zwischen Traum und Erwachen
erzählte Mär über die Essenz eines Parasiten, der die Fähigkeit besitzt,
verschiedene Spezies‘ (in diesem Fall Mensch und Schwein, im weitesten Sinne
auch noch Made und Orchidee) auf einem nicht ganz greifbaren geistigen Level
zueinander zu führen, stellt unaufgeregt die Frage nach der Verbundenheit des
Lebens auf diesem Planeten. Steht der Mensch allein da oder besteht die
Möglichkeit, in einen Kontakt zu nichtmenschlichen Lebewesen zu treten, der
über das Streicheln und Aufessen hinaus geht? Upstream Color ist schlicht faszinierend.
06.) DAS MÄDCHEN HIRUT (Difret, Äthiopien/USA 2014, Zeresenay
Mehari)
Nicht wenige werden bemängeln, dass Das Mädchen Hirut den Sehgewohnheiten des gängigen Kinos nicht
entspricht. Der Realismus dieser äthiopischen Produktion hat nichts mit der
Lackoberfläche eines durchschnittlichen US-Films zu tun. Aber ist nicht auch
das ein Wert an sich? Und warum den Film darum ablehnen? Weil er solide
inszeniert und eine Geschichte zu erzählen hat? Wohl kaum. Das Mädchen Hirut über die titelgebende Protagonistin, die entführt
wird, ihren Entführer auf der Flucht erschießt und darum vor Gericht zum Tode
verurteilt werden soll (Anmerkung: Hirut ist erst 14 Jahre alt) ist ein über
weite Teile bemerkenswert ruhig erzählter Film, in dem Überzeugungen von der
Gleichberechtigung der Geschlechter mit patriarchalen Strukturen
zusammenprallen. Er gibt Einblick in eine Rechtsprechung, die fremd wirkt, ohne
sie zu dämonisieren. Hirut sind Worte
wichtiger, Überzeugungen, die standhaft verteidigt werden, auch gegen
juristische und soziale Irrungen und Wirrungen. Das Mädchen Hirut ist ein kleiner, starker, selbstbewusster Film
über Rechte, Gesellschaft und die Emanzipation beider Geschlechter von
hinterfragungswürdigen Traditionen.
05.) MAD MAX: FURY ROAD (USA/Australien
2015, George Miller)
Mad Max: Fury Road ist die Art
Sommerblockbuster, von der man träumt, wenn man wieder einen schlechten
Vertreter dieser Spezies gesehen hat. Er rast im wahrsten Sinne dahin,
präsentiert Action, die Ihresgleichen sucht und weigert sich zudem beharrlich,
sich einer Lobotomie hinzugeben. Denn in den Händen eines fähigen Regisseurs
wie Miller ist ein Typ mit einer Gitarre, die gleichzeitig ein Flammenwerfer
ist, eben nicht nur das. Vielmehr ist er mit einem fordernden Phallus
ausgestatteter Teil einer diktatorischen Gigantomanie, die die Vertreter einer
auf Humanität und Solidarität aufbauenden neuen Ordnung durch die Wüste jagt.
Der Phallus geht natürlich mit der größten möglichen Zerstörung zu Grunde und
die Welt kann nach der Apokalypse zumindest im Kleinen beginnen, nicht wieder
die Fehler der machthungrigen Vorangegangenen zu begehen. Und auch wenn man von
all diesen Interpretationen nichts halten mag: Fury Road ist eben auch pure Kinetik und höchst unterhaltsames
Genrekino. Zusammen mit der Tatsache, dass er sein Publikum nicht für dumm
verkauft ist er ein Blockbuster der allerbesten Sorte.
04.) BIRDMAN oder DIE UNVERHOFFTE MACHT DER AHNUNGSLOSIGKEIT (Birdman or The Unexpected Virtue of
Ignorance, USA 2014, Alejandro G. Iñárritu)
Birdman ist eine einzige Hinterfragung.
Er hinterfragt schöpferische Motivationen, künstlerische Terrains und auch den
Geisteszustand der Menschen, die sich in den sogenannten schönen Künsten und
ihren Peripherien bewegen. Es ist eine schwarze Komödie, die, wie es gute Filme
nun einmal tun, mehrere Betrachtungsebnen anbietet. Egal ob Psychogram, Satire
oder schlichter Mindfuck (auch wenn diese Elemente nicht so prätentiös
daherkommen wie beispielsweise in Enemy)
- Birdman ist ein involvierender Film.
03.) ALLES STEHT KOPF (Inside Out, USA 2015, Pete Doctor und
Ronnie Del Carmen)
Man musste ja schon Sorge um PIXAR haben: das inzwischen zu
Disney gehörige Animationsstudio schien seit ihrem Erstling Toy Story Midas‘ Hände zu besitzen. Dann
irgendwann kam Cars und erzählte Doc Hollywood mit sprechenden Autos
nach. Er folgte der von der Kritik zu Unrecht gescholtene Merida – Legende der Highlands, die belanglosen Fortsetzungen Cars 2 und Die Monster-Uni und plötzlich war nicht mehr klar, ob irgendetwas
abhanden gekommen sein könnte. Mit Alles
steht Kopf meldet sich PIXAR zurück und auch wenn man in den Untiefen des
Internets einige ziemlich Publikumsverachtende „Interpretationen“ geboten
bekommt, ist dies eine pointierte Darstellung des menschlichen Gefühlsleben,
ausagiert von personalisierten Emotionen, die (nein, die menschliche
Protagonistin nicht lenken und zur willenlosen Sklavin machen) nachvollziehbar
(natürlich vereinfachend, aber darum nicht weniger wertig) auf die Zerwürfnisse
in der Welt außerhalb von Rileys Kopf reagieren. Denn der Film funktioniert
auch, wenn man die „Innenansichten“ herausschneidet, was ihn nur noch mehr zu
einem Portrait sich verändernder Gemütszustände und auch psychischer Problemen
wie Depressionen macht. Es ist insofern auch ein erwachsener Film, weil er
gerade im Gewand eines bunten Animationsfilms ein Stück weit die heile Welt
demontiert, mit der die Gefühls- und Erfahrungswelt von Kindern gerne dargestellt
wird. Alle steht Kopf gesteht gerade
seinen jüngeren Zuschauern eine erfrischende emotionale Komplexität zu. So
fügen sich unzählige Details zu einem stimmigen Ganzen zusammen, dass Menschen
nicht die Autonomität über ihren Willen nimmt, sondern sie im Gegenteil dazu
auffordert, mit ihren Gefühlen zu reifen. Nur wie Emotionen selbst
unterschiedliche Emotionen haben können ist eine Nuss, die man besser nicht zu
knacken versuchen sollte.
02.) EX MACHINA (Großbritannien 2015,
Alex Garland)
Ex Machina ist das
beeindruckende Regiedebüt eines talentierten Erzählers, eine sorgfältig
konstruierte Geschichte über das technisch machbare und die unvorhergesehenen
Wege, die eine Entwicklung manchmal einschlagen kann. Vor allem aber gibt
Garland der filmischen Repräsentation künstlicher Intelligenz eine Eigenständigkeit
zurück, die überrascht, und wirft so einen Diskurs in Gang, an dem man sich nur
allzu gerne beteiligt. Denn Ex Machina
nimmt Intelligenz, egal ob künstlich oder nicht, ernst und schon allein deshalb
gebührt ihm Respekt.
01.) NIGHT WILL FALL (Großbritannien 2014,
André Singer)
Der Zweite
Weltkrieg in Farbe! Wenn bisher nicht veröffentlichte Farbaufnahmen von Hitlers
Schäferhund als Sensation verkauft werden, könnte man meinen, dass inzwischen
alles zum Dritten Reich gesagt und gezeigt wurde. Die Geschichte findet ein
Ende, was einem nicht unerheblichen Anteil der Deutschen, die finden, die
Beschäftigung mit den zwölf Jahren Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten
müsste aufhören, natürlich entgegenkommen würde. Die ist selbstredend Blödsinn,
denn weder kann man einen Geschichtsschnitt machen, nur weil man zu bequem, zu
ignorant oder schlicht zu wenig empathisch ist, um sich mit dem deutschen
Sündenfall zu beschäftigen, noch sind alle Geschichten erzählt, alle Teilchen
ins Mosaik eingefügt. Hitlers Schäferhund sieht auch in Farbe aus wie ein
normaler Schäferhund, was Night will fall
zeigt ist jedoch von einer drastischen Intensität, vor allem aber von einem
Perspektivwechsel geprägt, der nur allzu willkommen ist bei der Flut von
Dokumentationen, die sich fast ausschließlich für die Täter interessieren und
in denen die Opfer eher „schmückendes Beiwerk“ sind. Night will fall zwingt zum hinsehen, zum Blick in den Abgrund toter
Augen und ausgemergelter Körper. Technisch ist der Film den Sehgewohnheiten des
öffentlich-rechtlichen Dokumentationskonsumenten verpflichtet, inhaltlich ist
er ein regelrechter Leviathan.
Von deiner Best of Top 10 Liste kenne ich gerade einmal zwei (Mad Max und Birdman). Die waren aber auch bei mir recht hoch in der Gunst. "Das Mädchen Hirut" habe ich leider nicht gesehen. Das wird aber definitiv noch nachgeholt. Man kann halt nicht immer alles interessante eines Jahres sofort sehen (wie du ja auch angemerkt hast). Und manchmal ist es auch ganz gut, damit noch etwas zu warten, um den Abstand für eine objektivere Kritik zu nutzen.
AntwortenLöschenDas ist wahr. Ich hätte meine Besprechung zum aktuellen "Star Wars" wohl auch anders verfasst (und die Wertung um einen halben Stern nach unten korrigiert), aber manchmal juckt es einen dann doch in den Fingern. Generell ist Abstand gut. Und "Das Mädchen Hirut" solltest du in der Tat nachholen. ;-)
LöschenZumindest einer, der MAGGIE zu schätzen weiß :)
AntwortenLöschenIch verstehe gar nicht, wie man den nicht schätzen kann nach all dem redundanten "Walking Dead"-Kram. :) Wenn er ins Kino gekommen wäre, hätte er bestimmt mehr Aufmerksamkeit bekommen.
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