MAD MAX: FURY ROAD
USA/Australien
2015
Dt.
Erstaufführung: 14.05.2015
Regie: George
Miller
Mit Actionfilmen
ist es so eine Sache. Das Genre, das sich ganz der Kinetik verschrieben hat,
produziert deshalb so viel Ausschuss, weil sich oft zu sehr auf die
Hauptattraktion konzentriert wird. Das mag paradox klingen, einem Actionfilm
seine Action vorzuwerfen, aber gerade Filme wie die Transformers-Reihe zeigen, dass zu einem organischen Ganzen mehr
gehört als nur ein Haufen Pyrotechnik. Dementsprechend sind die immer wieder
zitierten Genrebeiträge den auch nicht gerade Legion: Stirb langsam ist dabei, weil er den Helden inmitten des Spektakels
immer wieder an seine Menschlichkeit erinnert, Speed, weil er den Rausch der Geschwindigkeit erfahrbar macht und
darüber hinaus die Businsassen nicht aus den Augen verliert. James Cameron ist
ein Meister des Actionfilms, der über das Abfeuern eines Feuerwerks hinausgeht,
vor allem Terminator 2 – Tag der
Abrechnung und Aliens – Die Rückkehr
sind in Erinnerung geblieben, weil auch ihnen die Figuren und ihre Situationen
nicht egal sind. Michael Bay und seine Roboter aus dem Weltall scheren sich
nicht darum, auch nicht um kohärente Actionszenen, und genau da liegt der Kern
des Problems. George Miller erweist sich nun, 30 Jahre nach dem letzten Beitrag
zu seiner Mad Max-Reihe, als
Anti-Michael-Bay: er inszeniert ein Spektakel, das seinesgleichen sucht, einen
Film, der sich auf eine Art bewegt, die man schon fast nicht mehr für möglich
gehalten hatte – und er verliert den menschlichen Kern trotz der
Non-Stop-Action ebenfalls nie aus den Augen. Die Schauspieler rasen in Höllenmaschinen
durch die Wüste, Autos überschlagen sich, Tankzüge explodieren, Motorräder
wirbeln durch die Luft – und das alles im Dienste einer minimalistischen
Geschichte über Empowerment, Aufbrechen von Abhängigkeiten und einen
Diktatursturz.
Fury Road fungiert als Fortsetzung, die
irgendwo zwischen Der Vollstrecker
und Jenseits der Donnerkuppel
angesiedelt ist, und Reboot, indem er Max eine andere Familienkonstellation
gibt und ihn in Visionen auch noch Menschen jenseits seiner Tochter/Ehefrau
anklagen. Was genau passiert ist? Darüber schweigt sich der Film weitestgehend
aus (Aufhänger für ein Sequel?), reicht aber als Ansatzpunkt für einen
Antihelden, der nie ein Mann der vielen Worte war. Der Film ist sich bewusst,
dass er nicht gerade ein Aushängeschild für Neu- und Quereinsteiger ist,
sondern auf einem zumindest rudimentären Wissen um die originale Trilogie
aufbaut. Der Prolog aus Teil Zwei wird weiter minimiert auf ein paar
Nachrichten-Soundclips, die das Ende der bekannten Zivilisation postulieren und
in einen Monolog von Max übergehen. Was danach folgt, ist gleichzeitig schnell
erzählt und ziemlich stimmig: Max (Tom Hardy) wird von den Schergen des
Wüstendiktators Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) gefangen genommen und als
lebender Blutbeutel für einen der gehirngewaschenen Warboys, der
Handlangerelite, missbraucht. Kurz darauf setzt sich Furiosa (Charlize Theron),
ihres Zeichen Mitglied der Führungsebene in Immortans schrägem Reich, mit einem
Tanklaster ab. An Bord: Fünf von Joes Sexsklavinnen, die als Brutmaschinen für
möglichst perfekten männlichen Nachwuchs herhalten sollten. Es beginnt eine
Verfolgungsjagd quer durch die Wüste, der Max zunächst als „Blutspender für
unterwegs“ beiwohnen muss, sich nach seiner Befreiung aber (zunächst typisch
widerwillig) den Frauen auf ihrer Flucht anschließt. Immortan Joe und seine
Gefolgschaft sind ihnen allerdings stets dicht auf den Fersen und die Jagd wird
zu einem Wettlauf auf Leben und Tod.
Fury Road ist wie sein widerwilliger,
oftmals grunzender Protagonist kein Film der vielen Worte, keine Frage. Doch er
beweist, dass Film als Medium eben auch sehr viel über die Bilder
transportieren kann, ohne dass alles noch einmal verbal ausgearbeitet werden
muss. Die Kamera schwenkt über Sets, Charaktere durchqueren sie teilweise nur
sekundenlang und dennoch liefern sie ein stimmiges Bild dieser Welt am Abgrund.
So wird erzählt, wie sich die Menschen in der Zitadelle genannten Enklave
Immortan Joes ernähren, er hält sein Fußvolk mit Wasser gefügig und redet ihnen
ein, dass es wie eine Droge wäre, von der man nicht zu viel konsumieren dürfte
und dann wäre da noch die Sache mit dem Treibstoff. Die ersten beiden Teile der
Trilogie handelten noch von der Ölknappheit und wie die Jagd nach Sprit der
alles entscheidende Faktor bei der Motivation vieler Figuren war. Jenseits der Donnerkuppel hatte den
Zenit dementsprechend schon überschritten. Fury
Road widmet sich (endlich, möchte man hinzufügen), einem elementareren
Bedürfnis, dem Wasser. Das kühle Nass ist hier das Objekt der Begierde, denn
den Treibstoff bezieht Immortans Reich auf einer nahegelegenen Raffinerie, die
einmal am Horizont auftaucht. So mangelt es nicht an Benzin für die Unmengen an
Fahrzeugen, die Joe in die Wüste folgen und fürs Auftanken fährt ein
entsprechender Tanker mit (der natürlich irgendwann spektakulär in die Luft
gehen darf). Das alles wird nicht durch Dialoge ausgewalzt, Miller folgt dem
Prinzip des „show don’t tell“ und setzt darauf, dass sein Publikum trotz all
der halsbrecherischen Action sein Hirn nicht komplett ausstellt. Es bedarf
keiner Mumbo-Jumbo-Erklärungen, die innere Logik des Ganzen hält Fury Road zur Genüge aufrecht.
Dies ist
besonders löblich im Hinblick darauf, dass der Film selbstredend auch gern mit
seiner technischen Machbarkeit angibt. Auch hier liegt der Unterschied darin,
dass Fury Road sich sehr viel mehr
auf analoge, also handgemachte Sequenzen verlässt als auf eine Orgie der
Computeranimation. Es gibt die Bilder aus dem Rechner, aber man hat nie das
Gefühl, dass sie die Oberhand gewinnen. Ein Film wie dieser ist unmittelbarer,
wenn echte Autos zu Schrott gefahren werden anstatt wenn zwei CGI-Modelle
aufeinanderprallen. So steht der vierte Teil wirklich in der Tradition von Max‘
internationalem Durchbruch, Der
Vollstrecker, weil auch dessen oktangeladenes Finale zu den definierenden
Momenten des Genres gehört. Fury Road
definiert den modernen Actionfilm dahingehend, dass ein Genrefilm seine
Hauptattraktion auch in Zeiten des digitalen Overkills kohärent inszenieren
kann. Der Zuschauer verliert schlicht nicht die Orientierung im Spektakel und
damit das Interesse. Der Verweis auf die ermüdende Roboter-Action des eingangs
erwähnten Franchise ist da fast schon Pflicht. Fury Road ist Adrenalin, das die Leinwand füllt und zwei Stunden
nicht abklingt.
Und schließlich
ist Fury Road auch noch ein Film, der
sich, auch das nicht zwingend genretypisch, für gesellschaftliche Fragen
interessiert. Über den Aspekt des female
empowerment, der dadurch Form gewinnt, dass weder Furiosa (wie auch, mit
solch einem Namen) noch die befreiten Sklavinnen zu passiven Opfern degradiert
werden, wurde bereits viel geschrieben und theoretisiert, über den unsäglichen
Aufruf von sogenannten Männerrechtlern, die ob der starken Frauenfiguren zum
Boykott aufriefen, will man indes gar nicht mehr sprechen. Neben diesem
Baustein, um den sich de facto der ganze Film aufbaut und der wie eine
stimmigere Version des Kinderklans aus Jenseits
der Donnerkuppel daherkommt (Max profitiert von der Zusammenarbeit mit den
Frauen dahingehend, dass sie ihn wieder einmal vor dem Wahnsinn rettet und ihn
zu einer Erlöserfigur macht, auch wenn er hier viel mehr sich selbst erlöst als
irgendjemand anderen), kommt man nicht umhin, aktuelle politische Bezüge in
Immortan Joe und seinen Warboys zu erkennen. Joe inszeniert sich als strenger,
aber gerechter weltlicher Führer, der zudem den Schlüssel zum jenseitigen
Paradies kennt. Es ist ein hübsch-absurder Schachzug, wenn die Antagonisten
inmitten der flirrenden Wüste vom Einzug nach Walhalla fantasieren, der nur
weiter das groteske herausarbeitet, dass in der blinden Gefolgschaft zugunsten
einer vermeintlichen Belohnung im nächsten Leben liegt. So hält Joe seine auch
sonst nicht gerade vom Leben gesegneten Warboys (Leukämie könnte einer
Erklärung sein, warum sie Bluttransfusionen brauchen) auf Linie, die ihm mit
blind vertrauen. In einer Zeit, in der junge Menschen sich zu Hauf gemeingefährlichen
Rattenfängern anschließen, um für sie zur Verteidigung zweifelhafter Werte in
den Krieg zu ziehen wünscht man sich mehr Warboys wie Nux (Nicholas Hoult), der
seine Ideale im Zuge der Handlung zu überdenken beginnt. Am Ende kann auch in der
Welt von Mad Max nur der
Diktatorsturz stehen.
Schlussendlich
ist Mad Max: Fury Road die Art
Sommerblockbuster, von der man träumt, wenn man wieder einen schlechten
Vertreter dieser Spezies gesehen hat. Er rast im wahrsten Sinne dahin,
präsentiert Action, die Ihresgleichen sucht und weigert sich zudem beharrlich,
sich einer Lobotomie hinzugeben. Denn in den Händen eines fähigen Regisseurs
wie Miller, der auch mit Happy Feet
die Menschen mit tanzenden Pinguinen ins Kino lockte, um ihnen dort eine sehr
viel größere Geschichte über globale Verantwortung und
Interspezies-Kommunikation zu präsentieren, ist ein Typ mit einer Gitarre, die
gleichzeitig ein Flammenwerfer ist, eben nicht nur das. Vielmehr ist er mit
einem fordernden Phallus ausgestatteter Teil einer diktatorischen Gigantomanie,
die die Vertreter einer auf Humanität und Solidarität aufbauenden neuen Ordnung
durch die Wüste jagt. Der Phallus geht natürlich mit der größten möglichen
Zerstörung zu Grunde und die Welt kann nach der Apokalypse zumindest im Kleinen
beginnen, nicht wieder die Fehler der machthungrigen Vorangegangenen zu
begehen. Und auch wenn man von all diesen Interpretationen nichts halten mag: Fury Road ist eben auch pure Kinetik und
höchst unterhaltsames Genrekino. Zusammen mit der Tatsache, dass er sein
Publikum nicht für dumm verkauft ist er ein Blockbuster der allerbesten Sorte.
Ein bißchen verwirrend ist es schon, dass der titelgebende Actionheld eigentlich nur die zweite Geige spielt. Auf der anderen Seite - aus frauenrechtlicher Sicht - ist diese Taktik vielleicht gar nicht mal so schlecht. Es heißt doch immer, Filme würden immer nur aus der Männersicht gedreht. Und wenn sich die "gestandenen Männer" mal mit einer starken Frau identifizieren müssen, dann finde ich das gar nicht mal schlecht.
AntwortenLöschenHier meine ausführliche Review: https://filmkompass.wordpress.com/2015/06/05/mad-max-fury-road-o-2015/
Was mir besonders gefallen hat: George Miller hat nicht nur in die Vollen gegriffen, er hat auch Liebe zum Detail walten lassen. Alle Special Effects wirken nicht „special“, sondern schmutzig-punkig im allgemeinen Dreck und Staub verankert. Kein „Schaut-mal-jetzt-kommt-was-besonderes“ sondern zeigen, was ab ist (zum Beispiel Charlize Therons Arm).
AntwortenLöschenMehr zum Film unter: http://friendly101.blogspot.de/2015/09/mad-max-fury-road.html