JURASSIC WORLD
USA 2015
Regie: Colin
Trevorrow
Dt.
Erstaufführung: 11.06.2015
1993 war das Jahr
der Dinosaurier. Die Vorfreude auf Steven Spielbergs Verfilmung des Bestsellers
Dino Park von Michael Crichton
versprach nicht nur ein lohnender Sommerblockbuster zu werden, sondern auch ein
bahnbrechender. Schließlich führten die urzeitlichen Tiere zuvor im Kino ein
Dasein als Stop-Motion-Figuren, leidlich bewegliche Modelle oder Menschen in
Gummikostümen. Jurassic Park
versprach nun Dinosaurier, die mit nichts zuvor gesehenem vergleichbar sein
sollten. Die Medien hatten schnell den Begriff „Dino-Mania“ zur Hand, als die
„schrecklichen Echsen“ immer häufiger, an allen Ecken und Enden, sich in die
Berichterstattung mischten. Nachrichtenmagazine hatten sie ebenso auf dem Titel
wie Boulevardzeitungen, Kinderhefte brachten die Urzeit ausführlich in die
Haushalte, Museen sahen sich schon fast in der Pflicht, sich
(populär-)wissenschaftlich mit den Tieren zu beschäftigen. Als dann auch noch
eine neue Raptorenart entdeckt wurde, die in punkto Physiognomie besser zu
denen im Film nicht ganz akkurat dargestellten Velociraptoren passte, war alles
erreicht, was man sich nur wünschen konnte. Jurassic
Park wurde der erhoffte Kassenschlager, fiel auch bei der Kritik nicht
durch und revolutionierte die Tricktechnik (zum Guten und zum Schlechten, diese
Diskussion wird nun im Angesicht des CGI-Overkills geführt). 14 Jahre und zwei
mittelmäßige Fortsetzungen später schickt sich Jurassic World an, die Dinosaurier wieder massenwirksam unters
Kinovolk zu bringen. Die Reptilien sind zwar nun nicht wieder überall präsent,
die „Dino-Mania“ von einst will sich kein zweites Mal einstellen, aber der Film
ist, gerade nach Jurassic Park III,
besser, als man erwarten durfte. Zumal es ein Jurassic-Film für die 2000er-Jahre ist, in dem kindliches Staunen
einer kalten Wirtschaftsrechnung gewichen ist. Nicht nur das Leben findet einen
Weg, auch die Ökonomie.
Über zwanzig
Jahren nach dem Desaster im ersten Jurassic Park ist auf der gleichen Insel
inzwischen ein voll funktionsfähiger Zoo/Freizeitpark in Betrieb, in dem über
ein Dutzend eigentlich ausgestorbene Tierarten leben. Doch Dinosaurier haben
ihren Wow!-Faktor verloren, durch immer neue und spektakulärere Attraktionen
versucht das Management, den Profit von Jurassic World zu erhöhen. Neuster
Streich ist Indominus Rex, der erste im Labor erzeugte Hybride aus mehreren
Dinosaurierarten, der natürlich größer und beeindruckender sein musste als
alles bisher dagewesene. Dummerweise ist er (bzw. sie, denn auch in diesem Park
scheint der Großteil der Tiere weiblich zu sein) auch gefährlicher und
intelligenter und so kommt es, wie es kommen muss: der Indominus Rex entkommt
und beginnt eine Blutspur durch den Park zu ziehen. Inmitten des Getümmels sind
die Parkleiterin Claire (Bryce Dallas Howard), die ihre entfremdeten Neffen Gray
(Ty Simpkins) und Zach (Nick Robinson) zu retten versucht und der „great white
hunter“ Owen (Chris Pratt), der eine besondere Beziehung zu den vier Raptoren
im Park pflegt…
Bevor Jurassic World zu einer involvierenden
Abfolge von erwartbaren Dino-Action-Szenen wird, beschäftigt sich der von Colin
Trevorrow inszenierte Film durchaus süffisant mit dem Geschehen hinter den
Kulissen. Wie bereits erwähnt, wenn der erste Jurassic Park durch die Faszination, das Staunen, angetrieben wurde
(auch dank der großväterlichen Darbietung von Sir Richard Attenborough), hat in
Jurassic World die wirtschaftliche
Verwertbarkeit vollends Einzug gehalten. Howards Figur wirkt dabei wie das
diametrale Gegenstück zu Hammond (Attenborough): sie pflegt keine Beziehung zu
den Tieren, für sie zählen Verwertbarkeit, Besucherzahlen und das Geld, dass
sie in den Park spülen. Dabei folgt sie zunächst den geradezu grausamen Regeln,
denen die Ökonomie-Superlativen (und, ironischerweise, auch
Hollywood-Fortsetzungen wie diese) folgen: schneller, höher, weiter. Wenn es
nach einem realistischen Standpunkt ginge (was auch immer dieser in einem
Kontext wie Jurassic World für einen Wert
haben sollte) könnte man darüber diskutieren, ob lebende Dinosaurier jemals
ihren Attraktionsreiz verlieren würden, der nur durch einen künstlich designten
Hybriden (der sich äußerlich auch nicht sonderlich von gängigen
Dinosaurierarten unterscheidet) gestillt werden kann, aber darum geht es hier
ebenso wenig wie in District 9 um die
Frage, ob man Aliens wirklich in Slums vor sich hinvegetieren lassen würde.
Letztlich fragt auch Jurassic World
wieder einmal nach der ethischen Vertretbarkeit der ganzen Prämisse, bringt gar
Tierrechte ins Gespräch („Ausgestorbene Tiere haben keine Rechte, sie sind
Produkte.“) und tut dies auf erstaunlich zynische Art und Weise. Ein
Kapitalismus, in dem geklonte Urwelttiere möglich sind, läuft zwangsläufig aus
dem Ruder. Da ist auch der Traum von Hoskins (Vincent D’Onofrio) gar nicht weit
her geholt, modifizierte Dinosaurier als lebende Waffen einzusetzen. Tiere
waren schon immer (unfreiwillige) Protagonisten in menschlichen Kriegen, also
warum nicht auch Dinosaurier, wenn sich die Gelegenheit bietet?! Die Kälte, mit
der der Film diese Ideen präsentiert, ist mitunter bemerkenswert und einer der
Hauptgründe, warum die Menschen in diesem Film nur als schmückendes Beiwerk zu
betrachten sind.
Nun ist es eine
Binsenweisheit, dass Menschen gegen Dinosaurier nur den Kürzeren ziehen können,
aber etwas mehr hätte man wohl schon erwarten dürfen. Zwar waren auch die
Menschen in Jurassic Park Stereotype,
sie waren aber etwas mehr ausformuliert. Hier gibt es den toughen Helden, die
Karrierefrau, die der Film ein bisschen wegen dieses Umstandes ankreidet, die
durch die Zusammenarbeit mit dem Helden erst ihre gänzlichen Qualitäten
entdeckt, das aufgeregte Schlaukind (das aber sehr viel weniger nervt als Tim
im Original), den Teenager, der nicht zuhört und nur mit seinen sich
anbahnenden Erektionen beschäftigt ist, wann immer ein attraktives Mädchen in
sein Blickfeld gerät (also: fast immer), den schmierigen Bösewicht, den Nerd,
der bei Frauen abblitzt. Jurassic World
nutzt seine Klischees nicht als Abkürzungen, sondern begnügt sich mit ihnen, so
dass sich die Sorge um die Figuren in Grenzen hält. Zudem hasst der Film seine
Figur der leicht überforderten britischen Nanny. Warum? Aus Gründen,
offensichtlich.
Dementsprechend
hat der Film auf der menschlichen Ebene nichts zu sagen, vergeudet Schauspieler
wie Omar Sy (der Pratt nur ständig auf die Schulter klopfen darf) und Judy
Greer und orientiert sich soziologisch eher an klassischen Abenteuerfilmen wie African Queen. Modern ist hier nichts,
wer Ausgewogenheit sehen will, der muss nochmal Mad Max: Fury Road ansehen. Wer jedoch Actionrevivals wie
„hochhackige Schuhe in Extremsituationen“ á la Cliffhanger – Nur die Starken überleben sehen will, der wird
vollends bedient.
Überhaupt punktet
Jurassic World im Hinblick auf die
Actionsequenzen auch ohne interessante menschliche Fixpunkte. Warum? Weil die
Dinosaurier diesmal geradezu als Charaktere ausgearbeitet werden. Denkt man den
Indominus Rex als cartoonartigen Schurken, die Raptoren als Glücksritter und
den T-Rex als deus-ex-machina-Held,
dann hat man eine sehr viel unterhaltsamere Konstellation zusammen. Jurassic World schwelgt in den Ideen,
wie er Menschen und Dinos zusammenbringen kann und als Zuschauer ist man immer
mehr auf der Seite der Reptilien, sei es ein Ankylosaurus, der gegen Indominus
Rex verliert oder ein Dimorphodon, der von einem Jäger vom Himmel geholt wird.
Schließlich sind sie die Spielbälle in dieser von Menschen künstlich am Leben
gehaltenen Welt.
Jurassic World ist ein Multimillionen
Dollar B-Movie, das als solches durchaus flott zu unterhalten weiß. Langweilig
wird es in den zwei Stunden niemals, der Film bewegt sich kontinuierlich voran,
entschuldigt sich im Finale ausführlich für Jurassic
Park III und dürfte damit alle schnaubenden Fanboys glücklich machen
(überhaupt wirkt der Endkampf wie ein Zehnjähriger, der seine
Plastikdinosaurier gegeneinander antreten lässt, was durchaus seinen Charme
hat) und macht seine fehlende Spannung (fällt jemand über 12 noch auf die
üblichen Fakeattcken herein?) durch seinen konsequente Weiterentwicklung der Dinosaurier
Vermarktungsmechanismen wett.
Jurassic World ist klischeebeladen, sei
es in der Figurenzeichnung, der Interaktion selbiger und dem dramaturgischen
Aufbau, aber vom Geist und Gefühl ist er (vielleicht gerade aufgrund der genannten
Gründe) dem ersten Film sehr viel mehr verpflichtet als seine Vorgänger.
Bahnbrechend ist hier nichts, aber es ist einer dieser Blockbuster, der es
schafft, dass man ihn trotz des Wissens um seine Schwächen gut goutieren kann –
also wirklich wie Jurassic Park. Jurassic World ist im Grunde genau das,
was man erwarten durfte, nur unterhaltsamer und rasanter als erhofft. Und sei
es nur, dass wir uns wieder wie Kinder fühlen, die im Spiel mit ihren
Plastiksauriern versinken.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen