EX MACHINA
Großbritannien
2015
Dt.
Erstaufführung: 23.04.2015
Regie: Alex
Garland
ACHTUNG! Diese Besprechung enthält Spoiler!
Der Mensch setzt
sich gern in Relation. Lange Zeit war dies auf die biologische Welt beschränkt
und von einem spezieistischen Absolutismus geprägt: der Mensch sah sich den
anderen Tieren grundsätzlich und unumstößlich überlegen. So sehr dieser lange
als Wahrheit angesehene Umstand durch die Erkenntnisse der Verhaltens- und
Kognitionsforschung immer mehr in Frage gestellt wird, fordert die
weiterlaufende Technikevolution eine Auseinandersetzung mit einer ähnlichen
Prämisse: was, wenn der Mensch irgendwann einmal Maschinen erschafft, die ihm
überlegen sind, die die Biologie obsolet machen? Die Transhumanisten
beispielsweise fordern geradezu eine Verschmelzung von Mensch und Maschine,
einerseits, um uns nicht überflüssig zu machen, andererseits, weil für sie die
Vorteile die Nachteile überwiegen. In Zeiten von Abhörskandalen ist die
Vorstellung einer auch in ihrem, im wahrsten Sinne, Innersten vernetzten
Menschheit zwar mehr als fragwürdig, die Fragestellungen, die daraus erwachsen,
sind allerdings unbestreitbar potent. Das Regiedebüt von Autor Alex Garland (28 Days Later, The Beach) stellt die Fragen nach der Relation der Existenzen auf
eine bemerkenswerte Weise, indem es die Hochglanzoptik und die technische
Virtuosität eines gängigen Mainstreamfilms mit einer Sensibilität für das Thema
verknüpft, die, gerade im Hinblick auf jüngste Maschinenintelligenzfilme wie Chappie und Transendence, über die erste Ebene hinausgeht. Dramaturgisch hat Ex Machina mit ein paar Schwächen zu
kämpfen, doch es ist endlich wieder ein Science-Fiction-Film mit größerer
Reichweite, der sein Publikum als mitdenkende Erwachsene ernst nimmt.
Der junge
Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson) erhält die Chance, seinen Vorgesetzten
Nathan (Oscar Isaac), den exzentrischen Erfinder der führenden
Internetsuchmaschine, kennenzulernen und besucht ihn in seinem
hochtechnisierten Anwesen inmitten der (norwegischen) Wildnis. Dort erfährt
Caleb den Grund seines Besuchs: er soll die von Nathan entwickelte künstliche
Intelligenz testen, die im verführerischen Körper von Ava (Alicia
Vikander) schlummert. Es ist die altbekannte Frage, ob Ava wirklich Intelligenz
besitzt oder nur sehr, sehr gut programmiert ist. Während Caleb in therapieartigen
Sitzungen dieser Frage nachgeht, wird er immer mehr mit Nathans Machenschaften
im Hintergrund als auch der schieren Tragweite seiner Aufgabe konfrontiert.
Ex Machina ist ein intelligenter Film
über Intelligenz, der nie den Fehler begeht, all seine Karten offen zu legen.
Es gibt einige haarsträubende Drehbuchkniffe, die verpuffen [sollte es wirklich
eine Überraschung sein, dass Kyoko (Sonoya Mizuno) auch ein Roboter ist? Dies
und der Sklavereiaspekt waren doch von ihrem ersten Auftritt an klar], auch um Nathans
wenig vertrauenswürdiges Wesen wird keinerlei Hehl gemacht, aber der Kern –
Avas Intelligenz – wird nie in all ihren Facetten offenbart. So bleibt es
letztlich offen, ob sie durch Algorithmen gesteuert wird, die dank ihrer
Programmierung einige Variablen selbst berechnen oder genuin eigenständige, von
ihrer maschinellen Existenz losgelöste Entscheidungen trifft. Dies führt
zwangsläufig zu einem Diskurs über das menschliche Wesen, ob nicht auch wir nur
Produkte einer biologischen Programmierung sind, die uns nur scheinbar eine
Wahl lassen. Ist Nathans Alkoholsucht nicht auch nur ein Ergebnis eines „Bugs“
in seinem Kopf, eine Struktur, ein chemisches Ungleichgewicht, das ihn zwingt
zur Flasche zu greifen und ihm das „Ich kann jederzeit aufhören, wenn ich
will“-Mär nur vorgaukelt? Und kann Caleb überhaupt anders, als etwas für Ava zu
empfinden, wenn sie nach seinen sexuellen Vorlieben gestaltet ist? Lässt der
Roboter so nicht die aus Hormonen und Botenstoffen zusammengewürfelte
Programmierung der Menschen deutlich hervortreten, wird so zum einzig
rationalen Wesen im Haus? Doch kann etwas, dass von Menschen geschaffen wurde,
überhaupt rational sein, zumal Ava, Kyoko und die anderen Androiden doch in
erster Linie das Produkt eines misogynen Sexbesessenen sind? Die Roboter in Ex Machina verdanken ihre Existenz nicht
einem kanalisierten Forscherdrang, eines Ausloten der technischen
Möglichkeiten, sondern dem unverhohlenen Drang Nathans, sich willentliche
Sexsklaven zu erschaffen. Von wegen schöne neue Welt, dem technischen Wunder
liegt der heterosexuelle männliche Wunsch nach einer möglichst perfekten
Liebhaberin zugrunde. Nicht von ungefähr ist Nathan ein Internet-Mogul,
schildert sich darin doch nicht nur die Verfügbarkeit der Daten, sondern auch
die Verfügbarkeit der Körper. Es gibt immer noch etwas Besseres, nur einen
Mausklick entfernt. Dieses Heilsversprechen des Onlinedatings findet so
Entsprechung in der Schaffung von Wesen, die ein Konglomerat aus all den
personenbezogenen Daten darstellen, die mehr oder minder freiwillig im Internet
preisgegeben werden. All die scheinbar stets verfügbaren Traumpartner,
zusammengezogen in einem einzelnen, künstlichen Körper, der zudem dank Software
stets sexuell zu Diensten sein kann – Ex
Machina ist neben der Science-Fiction-Story auch eine radikale, süffisante
und zudem beängstigende Satire auf die Welt von „Big Data“ und der gläsernen
Bürger.
So ist es
sicherlich als besonders augenzwinkernder Kommentar Garlands zu verstehen, wenn
sich die Illusion von reuefreier Versklavung letztlich gegen ihre Erschaffer
und Nutznießer wendet. Es gibt nichts umsonst, weder soziale Netzwerke noch
Roboter, die eher zufällig in ihrer Evolution voranschreiten. Nicht ohne Grund
hat Nathan relativ wenig Interesse an der Erforschung der Intelligenz als
vielmehr an Vorträgen über künstliche Vaginas.
So bietet Ex Machina auf inhaltlicher Ebene ein
ganzes Füllhorn an Diskussionsgrundlagen, und auch auf der rein technischen
Ebene wird der Zuschauer nicht enttäuscht. Während im Kino nebenan der
Effektregen eines Avengers – Age of
Ultron niedergeht, zeigt Garland, zu welch erstaunlichen Bildern
zurückhaltende visuelle Bonmots fähig sind, vor allem aber, weil Alicia
Vikander nicht hinter den Effekten, die sie in ein Halbwesen verwandeln,
zurückstecken muss. Der Computer unterstützt hier den Charakter, den Vikander
superb erschafft, anstatt ihn zu dominieren. Überhaupt sind die Schauspieler
großartig und erschaffen glaubwürdige, nachvollziehbare Charaktere jenseits
reiner Stichwortgeber. Hinzu kommt eine subtil aufgebaute Spannung, die von dem
atonalen Soundtrack unterstützt wird, das hervorragende Produktionsdesign und,
in den wenigen Außenaufnahmen, auch ein Gespür für die Phänomene der
natürlichen Welt, das an Akira Kurosawa und Die
sieben Samurai erinnert. Wenn der Wind durch die Gräser streicht, spürt man
ihn unwillkürlich auf der Haut und erinnert sich schnell daran, wie sehr die
Realität doch sonst im Genrekino exkludiert wird.
Ex Machina ist das beeindruckende
Regiedebüt eines talentierten Erzählers, eine sorgfältig konstruierte
Geschichte über das technisch machbare und die unvorhergesehenen Wege, die eine
Entwicklung manchmal einschlagen kann. Vor allem aber gibt Garland der
filmischen Repräsentation künstlicher Intelligenz eine Autonomie zurück, die
überrascht und wirft so einen Diskurs in Gang, an dem man sich nur allzu gerne
beteiligt. Denn Ex Machina nimmt
Intelligenz, egal ob künstlich oder nicht, ernst und schon allein deshalb
gebührt ihm Respekt.
Mir hat EX MACHINA auch total gefallen, besonders aufgrund der permanent aufrecht erhaltenen Spannung und den großartigen darstellerischen Leistungen. In den letzten Jahren scheint das Thema der künstlichen Intelligenz ein Revival zu erleben. EX MACHINA zu toppen wird allerdings für alle anderen Filmemacher schwer werden.
AntwortenLöschenHier meine Review: https://filmkompass.wordpress.com/2015/05/20/ex-machina-2015/