Mittwoch, 6. Mai 2015

Ex Machina (2015)




EX MACHINA
Großbritannien 2015
Dt. Erstaufführung: 23.04.2015
Regie: Alex Garland

ACHTUNG! Diese Besprechung enthält Spoiler!
Der Mensch setzt sich gern in Relation. Lange Zeit war dies auf die biologische Welt beschränkt und von einem spezieistischen Absolutismus geprägt: der Mensch sah sich den anderen Tieren grundsätzlich und unumstößlich überlegen. So sehr dieser lange als Wahrheit angesehene Umstand durch die Erkenntnisse der Verhaltens- und Kognitionsforschung immer mehr in Frage gestellt wird, fordert die weiterlaufende Technikevolution eine Auseinandersetzung mit einer ähnlichen Prämisse: was, wenn der Mensch irgendwann einmal Maschinen erschafft, die ihm überlegen sind, die die Biologie obsolet machen? Die Transhumanisten beispielsweise fordern geradezu eine Verschmelzung von Mensch und Maschine, einerseits, um uns nicht überflüssig zu machen, andererseits, weil für sie die Vorteile die Nachteile überwiegen. In Zeiten von Abhörskandalen ist die Vorstellung einer auch in ihrem, im wahrsten Sinne, Innersten vernetzten Menschheit zwar mehr als fragwürdig, die Fragestellungen, die daraus erwachsen, sind allerdings unbestreitbar potent. Das Regiedebüt von Autor Alex Garland (28 Days Later, The Beach) stellt die Fragen nach der Relation der Existenzen auf eine bemerkenswerte Weise, indem es die Hochglanzoptik und die technische Virtuosität eines gängigen Mainstreamfilms mit einer Sensibilität für das Thema verknüpft, die, gerade im Hinblick auf jüngste Maschinenintelligenzfilme wie Chappie und Transendence, über die erste Ebene hinausgeht. Dramaturgisch hat Ex Machina mit ein paar Schwächen zu kämpfen, doch es ist endlich wieder ein Science-Fiction-Film mit größerer Reichweite, der sein Publikum als mitdenkende Erwachsene ernst nimmt.

Der junge Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson) erhält die Chance, seinen Vorgesetzten Nathan (Oscar Isaac), den exzentrischen Erfinder der führenden Internetsuchmaschine, kennenzulernen und besucht ihn in seinem hochtechnisierten Anwesen inmitten der (norwegischen) Wildnis. Dort erfährt Caleb den Grund seines Besuchs: er soll die von Nathan entwickelte künstliche Intelligenz testen, die im verführerischen Körper von Ava (Alicia Vikander) schlummert. Es ist die altbekannte Frage, ob Ava wirklich Intelligenz besitzt oder nur sehr, sehr gut programmiert ist. Während Caleb in therapieartigen Sitzungen dieser Frage nachgeht, wird er immer mehr mit Nathans Machenschaften im Hintergrund als auch der schieren Tragweite seiner Aufgabe konfrontiert.

Ex Machina ist ein intelligenter Film über Intelligenz, der nie den Fehler begeht, all seine Karten offen zu legen. Es gibt einige haarsträubende Drehbuchkniffe, die verpuffen [sollte es wirklich eine Überraschung sein, dass Kyoko (Sonoya Mizuno) auch ein Roboter ist? Dies und der Sklavereiaspekt waren doch von ihrem ersten Auftritt an klar], auch um Nathans wenig vertrauenswürdiges Wesen wird keinerlei Hehl gemacht, aber der Kern – Avas Intelligenz – wird nie in all ihren Facetten offenbart. So bleibt es letztlich offen, ob sie durch Algorithmen gesteuert wird, die dank ihrer Programmierung einige Variablen selbst berechnen oder genuin eigenständige, von ihrer maschinellen Existenz losgelöste Entscheidungen trifft. Dies führt zwangsläufig zu einem Diskurs über das menschliche Wesen, ob nicht auch wir nur Produkte einer biologischen Programmierung sind, die uns nur scheinbar eine Wahl lassen. Ist Nathans Alkoholsucht nicht auch nur ein Ergebnis eines „Bugs“ in seinem Kopf, eine Struktur, ein chemisches Ungleichgewicht, das ihn zwingt zur Flasche zu greifen und ihm das „Ich kann jederzeit aufhören, wenn ich will“-Mär nur vorgaukelt? Und kann Caleb überhaupt anders, als etwas für Ava zu empfinden, wenn sie nach seinen sexuellen Vorlieben gestaltet ist? Lässt der Roboter so nicht die aus Hormonen und Botenstoffen zusammengewürfelte Programmierung der Menschen deutlich hervortreten, wird so zum einzig rationalen Wesen im Haus? Doch kann etwas, dass von Menschen geschaffen wurde, überhaupt rational sein, zumal Ava, Kyoko und die anderen Androiden doch in erster Linie das Produkt eines misogynen Sexbesessenen sind? Die Roboter in Ex Machina verdanken ihre Existenz nicht einem kanalisierten Forscherdrang, eines Ausloten der technischen Möglichkeiten, sondern dem unverhohlenen Drang Nathans, sich willentliche Sexsklaven zu erschaffen. Von wegen schöne neue Welt, dem technischen Wunder liegt der heterosexuelle männliche Wunsch nach einer möglichst perfekten Liebhaberin zugrunde. Nicht von ungefähr ist Nathan ein Internet-Mogul, schildert sich darin doch nicht nur die Verfügbarkeit der Daten, sondern auch die Verfügbarkeit der Körper. Es gibt immer noch etwas Besseres, nur einen Mausklick entfernt. Dieses Heilsversprechen des Onlinedatings findet so Entsprechung in der Schaffung von Wesen, die ein Konglomerat aus all den personenbezogenen Daten darstellen, die mehr oder minder freiwillig im Internet preisgegeben werden. All die scheinbar stets verfügbaren Traumpartner, zusammengezogen in einem einzelnen, künstlichen Körper, der zudem dank Software stets sexuell zu Diensten sein kann – Ex Machina ist neben der Science-Fiction-Story auch eine radikale, süffisante und zudem beängstigende Satire auf die Welt von „Big Data“ und der gläsernen Bürger.

So ist es sicherlich als besonders augenzwinkernder Kommentar Garlands zu verstehen, wenn sich die Illusion von reuefreier Versklavung letztlich gegen ihre Erschaffer und Nutznießer wendet. Es gibt nichts umsonst, weder soziale Netzwerke noch Roboter, die eher zufällig in ihrer Evolution voranschreiten. Nicht ohne Grund hat Nathan relativ wenig Interesse an der Erforschung der Intelligenz als vielmehr an Vorträgen über künstliche Vaginas.
So bietet Ex Machina auf inhaltlicher Ebene ein ganzes Füllhorn an Diskussionsgrundlagen, und auch auf der rein technischen Ebene wird der Zuschauer nicht enttäuscht. Während im Kino nebenan der Effektregen eines Avengers – Age of Ultron niedergeht, zeigt Garland, zu welch erstaunlichen Bildern zurückhaltende visuelle Bonmots fähig sind, vor allem aber, weil Alicia Vikander nicht hinter den Effekten, die sie in ein Halbwesen verwandeln, zurückstecken muss. Der Computer unterstützt hier den Charakter, den Vikander superb erschafft, anstatt ihn zu dominieren. Überhaupt sind die Schauspieler großartig und erschaffen glaubwürdige, nachvollziehbare Charaktere jenseits reiner Stichwortgeber. Hinzu kommt eine subtil aufgebaute Spannung, die von dem atonalen Soundtrack unterstützt wird, das hervorragende Produktionsdesign und, in den wenigen Außenaufnahmen, auch ein Gespür für die Phänomene der natürlichen Welt, das an Akira Kurosawa und Die sieben Samurai erinnert. Wenn der Wind durch die Gräser streicht, spürt man ihn unwillkürlich auf der Haut und erinnert sich schnell daran, wie sehr die Realität doch sonst im Genrekino exkludiert wird.

Ex Machina ist das beeindruckende Regiedebüt eines talentierten Erzählers, eine sorgfältig konstruierte Geschichte über das technisch machbare und die unvorhergesehenen Wege, die eine Entwicklung manchmal einschlagen kann. Vor allem aber gibt Garland der filmischen Repräsentation künstlicher Intelligenz eine Autonomie zurück, die überrascht und wirft so einen Diskurs in Gang, an dem man sich nur allzu gerne beteiligt. Denn Ex Machina nimmt Intelligenz, egal ob künstlich oder nicht, ernst und schon allein deshalb gebührt ihm Respekt.





1 Kommentar:

  1. Mir hat EX MACHINA auch total gefallen, besonders aufgrund der permanent aufrecht erhaltenen Spannung und den großartigen darstellerischen Leistungen. In den letzten Jahren scheint das Thema der künstlichen Intelligenz ein Revival zu erleben. EX MACHINA zu toppen wird allerdings für alle anderen Filmemacher schwer werden.

    Hier meine Review: https://filmkompass.wordpress.com/2015/05/20/ex-machina-2015/

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