MONSIEUR CLAUDE UND
SEINE TÖCHTER
(Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu?)
Frankreich 2014
Dt. Erstaufführung: 24.07.2014
Regie: Philippe de Chauveron
Dt. Erstaufführung: 24.07.2014
Regie: Philippe de Chauveron
Rassismus ist eine der hässlichsten
Begleiterscheinungen in der Geschichte der Menschheit. Einfaches
Schubladendenken, Klischees und Vorurteile ergeben einen explosiven Cocktail,
der für einige der schlimmsten Verbrechen der Geschichte verantwortlich gemacht
werden kann. Die Frage ist also durchaus berechtigt: Kann man über das Thema
eine Feel-Good-Komödie drehen, leichte Unterhaltung, die leicht konsumierbar
ist und kaum Konsequenzen mit sich bringt? Man kann, wenn man die Erwartungen
zurückschraubt. Monsieur Claude und seine
Töchter ist ein weiterer Versuch des internationalen Verleihs, an den
Erfolg von Ziemlich beste Freunde
anzuknüpfen. Dass das Label „französische Komödie mit multiethnischen
Hintergrund“ nicht allein ein Erfolgsgarant ist, bewies 2013 bereits die etwas
verzweifelt anmutende Vermarktung von Ein
MordsTeam. Monsieur Claude ist
zwar besser als das Omar-Sy-Vehikel, bleibt unterm Strich aber auch hinter dem
sorgfältig inszenierten Überraschungshit zurück. Gerade im dritten Akt verliert
der Film jegliche Kohärenz und wird zu einem fahrig abgekurbelten Treffen der
inszenatorischen 08/15-Handgriffe.
Claude Verneuil (Christian Clavier) und seine Frau Marie
(Chantal Lauby) haben vier Töchter, Isabelle (Frédérique Bel), Odile (Julia
Piaton), Ségolène (Emilie Caen) und Laure (Elodie Fontan). Die ersten drei von
ihnen sind bereits verheiratet, doch nicht mit weißen, katholischen
Ur-Franzosen, wie es sich die Eltern erträumt hatten, sondern mit dem Juden
David (Ary Abittan), dem Araber Rachid (Medi Sadoun) und dem Chinesen Chao
(Frédéric Chau). Ständig gibt es ethnisch oder religiös motivierte Reibereien,
Missverständnisse und durchaus offen gezeigte Xenophobie, dem erst ein gemeinsames
Weihnachtsfest auf dem Anwesen der Eltern Einhalt gebieten kann. Die als „Familie
Benetton“ verspotteten Verneuils raufen sich langsam zusammen, da gibt auch das
Nesthäkchen Laure ihre Verlobung bekannt – mit dem schwarzen Schauspieler
Charles (Noom Diawara). Dies gefährdet den brüchigen Frieden in der Großfamilie
und könnte sich zu dem sprichwörtlichen Trofen ausweiten, der das Fass zum
überlaufen bringt – zumal Charles‘ Vater André (Pascal N’Zonzi) Claude in
Sachen Vorurteilen in nichts nachsteht…
Monsieur Claude und
seine Töchter lässt wirklich kein Stereotyp aus, ohne die meisten Klischees
als mehr zu sehen denn als Möglichkeit, einen mehr oder minder launigen Gag zu
platzieren. Als reelles, zerstörerisches Problem thematisiert der Film
Rassismus nicht einmal am Rande. So wird viel geätzt und gemeckert, am Ende
aber steht die verbindende Kraft des gemeinsamen Besaufens oder wahlweise der
körperlichen Ertüchtigung und alles ist vergeben und vergessen. Der Film läuft
nur etwas länger als 90 Minuten, der dritte Akt gerät nach durchaus
unterhaltsamen Einführungen der Figuren und ihrer generischen Konflikte zu
einem kleinen Desaster. Charaktere ändern ihre Einstellungen innerhalb
lächerlich kurzer Zeit, ein Subplot mit der angeblich bevorstehenden Scheidung
der Eltern Verneuil läuft geradezu spektakulär ins Leere, eine sich immer mehr
herauskristallisierende schwere psychische Störung der Tochter Ségolène
verkommt zum geschmacklosen Stichwort. Während sich die Figuren, von denen im
Grunde niemand die Dreidimensionalität erreicht, zuvor noch aneinander
abarbeiten konnten und die Reaktionen nach dem Gesetz der Komödie, dass sich
nur peripher auf die Wirklichkeit bezieht, nachvollziehbar waren, reagieren sie
in der dritten Hälfte nur noch so, wie es das Drehbuch gerade will. Ein
organischer Fluss wird zerstört, wie unter der plötzlichen Erkenntnis, dass
sich das Ende des Films nähert, wird urplötzlich sehr viel mehr Material in die
verbleibende Laufzeit gequetscht, als es dem Film gut tut.
In Frankreich war Monsieur
Claude ein Kassenmagnet mit über sieben Millionen Zuschauern. In einem
Land, in dem eine rechtsextreme Partei wie der Front National salonfähig geworden
ist, kann man dies nun als Rückversicherung lesen – seht her, so rassistisch
sind wir doch gar nicht. Oder, um es mit den Worten des Film auszudrücken: „Ein
bisschen rassistisch sind wir doch alle, aber das ist doch nicht schlimm“. Als
Variante des Songs Everybody’s a little
bit racist aus dem Off-Musical Avenue
Q wohnt dem nun Potenzial für beide Seiten der Medaille inne. Auf der einen
Seite zeichnet der Film all seine Figuren als durchaus mit Vorurteilen belastet
und schiebt die Schuld nicht einem einzelnen Protagonisten oder Gruppe zu, auf
der anderen Seite ist es natürlich alles sehr verharmlosend. Im sicheren
Reservat einer Komödie ist es klar, wie die Dinge gemeint sind, doch würden die
gleichen Bemerkungen in der Realität bei jedem Zuschauer zu Einsprüchen führen?
Sicherlich kann ein Film wie dieser, der schließlich nur auf genügsame
Unterhaltung aus ist, nicht die Probleme der Welt lösen, aber gerade im
Hinblick auf seinen durchaus ernsten Kontext ist Monsieur Claude etwas zu brav.
Ist man sich der Simplizität bewusst, kann Monsieur Claude und seine Töchter trotz
allem, auch im Hinblick auf seine etwas stumpfe Rückversicherung für die
französische Mehrheitsgesellschaft, dass Einwanderer nicht per se eine
Bedrohung darstellen, sondern gewinnbringend assimiliert werden können, mit
einigen vergnüglichen Begebenheiten aufwarten. Wie erwähnt, ein zweiter Ziemlich beste Freunde ist Regisseur
Philippe de Chauvernon nicht gelungen, wohl aber eine Komödie, die trotz ihrer diversen
Stolpersteine zumindest passable Unterhaltung bietet, die einen echten Diskurs,
der ja ohne Frage auch vergnüglich daherkommen kann, scheut.
Ach, lassen wir das doch einfach. Die besten Komödien drehen eh die Briten. Franzosen können das nicht. ;)
AntwortenLöschenDas würde ich so nicht sagen, auch wenn mein Herz auch eher für den britischen Humor schlägt. Es ist eher die anbiedernden Versuche, einen verdienten Erfolg zu wiederholen, die mir aufstoßen. :-)
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