Sonntag, 3. August 2014

Monsieur Claude und seine Töchter (2014)




MONSIEUR CLAUDE UND SEINE TÖCHTER
(Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu?)
Frankreich 2014
Dt. Erstaufführung: 24.07.2014
Regie: Philippe de Chauveron

Rassismus ist eine der hässlichsten Begleiterscheinungen in der Geschichte der Menschheit. Einfaches Schubladendenken, Klischees und Vorurteile ergeben einen explosiven Cocktail, der für einige der schlimmsten Verbrechen der Geschichte verantwortlich gemacht werden kann. Die Frage ist also durchaus berechtigt: Kann man über das Thema eine Feel-Good-Komödie drehen, leichte Unterhaltung, die leicht konsumierbar ist und kaum Konsequenzen mit sich bringt? Man kann, wenn man die Erwartungen zurückschraubt. Monsieur Claude und seine Töchter ist ein weiterer Versuch des internationalen Verleihs, an den Erfolg von Ziemlich beste Freunde anzuknüpfen. Dass das Label „französische Komödie mit multiethnischen Hintergrund“ nicht allein ein Erfolgsgarant ist, bewies 2013 bereits die etwas verzweifelt anmutende Vermarktung von Ein MordsTeam. Monsieur Claude ist zwar besser als das Omar-Sy-Vehikel, bleibt unterm Strich aber auch hinter dem sorgfältig inszenierten Überraschungshit zurück. Gerade im dritten Akt verliert der Film jegliche Kohärenz und wird zu einem fahrig abgekurbelten Treffen der inszenatorischen 08/15-Handgriffe.

Claude Verneuil (Christian Clavier) und seine Frau Marie (Chantal Lauby) haben vier Töchter, Isabelle (Frédérique Bel), Odile (Julia Piaton), Ségolène (Emilie Caen) und Laure (Elodie Fontan). Die ersten drei von ihnen sind bereits verheiratet, doch nicht mit weißen, katholischen Ur-Franzosen, wie es sich die Eltern erträumt hatten, sondern mit dem Juden David (Ary Abittan), dem Araber Rachid (Medi Sadoun) und dem Chinesen Chao (Frédéric Chau). Ständig gibt es ethnisch oder religiös motivierte Reibereien, Missverständnisse und durchaus offen gezeigte Xenophobie, dem erst ein gemeinsames Weihnachtsfest auf dem Anwesen der Eltern Einhalt gebieten kann. Die als „Familie Benetton“ verspotteten Verneuils raufen sich langsam zusammen, da gibt auch das Nesthäkchen Laure ihre Verlobung bekannt – mit dem schwarzen Schauspieler Charles (Noom Diawara). Dies gefährdet den brüchigen Frieden in der Großfamilie und könnte sich zu dem sprichwörtlichen Trofen ausweiten, der das Fass zum überlaufen bringt – zumal Charles‘ Vater André (Pascal N’Zonzi) Claude in Sachen Vorurteilen in nichts nachsteht…

Monsieur Claude und seine Töchter lässt wirklich kein Stereotyp aus, ohne die meisten Klischees als mehr zu sehen denn als Möglichkeit, einen mehr oder minder launigen Gag zu platzieren. Als reelles, zerstörerisches Problem thematisiert der Film Rassismus nicht einmal am Rande. So wird viel geätzt und gemeckert, am Ende aber steht die verbindende Kraft des gemeinsamen Besaufens oder wahlweise der körperlichen Ertüchtigung und alles ist vergeben und vergessen. Der Film läuft nur etwas länger als 90 Minuten, der dritte Akt gerät nach durchaus unterhaltsamen Einführungen der Figuren und ihrer generischen Konflikte zu einem kleinen Desaster. Charaktere ändern ihre Einstellungen innerhalb lächerlich kurzer Zeit, ein Subplot mit der angeblich bevorstehenden Scheidung der Eltern Verneuil läuft geradezu spektakulär ins Leere, eine sich immer mehr herauskristallisierende schwere psychische Störung der Tochter Ségolène verkommt zum geschmacklosen Stichwort. Während sich die Figuren, von denen im Grunde niemand die Dreidimensionalität erreicht, zuvor noch aneinander abarbeiten konnten und die Reaktionen nach dem Gesetz der Komödie, dass sich nur peripher auf die Wirklichkeit bezieht, nachvollziehbar waren, reagieren sie in der dritten Hälfte nur noch so, wie es das Drehbuch gerade will. Ein organischer Fluss wird zerstört, wie unter der plötzlichen Erkenntnis, dass sich das Ende des Films nähert, wird urplötzlich sehr viel mehr Material in die verbleibende Laufzeit gequetscht, als es dem Film gut tut.

In Frankreich war Monsieur Claude ein Kassenmagnet mit über sieben Millionen Zuschauern. In einem Land, in dem eine rechtsextreme Partei wie der Front National salonfähig geworden ist, kann man dies nun als Rückversicherung lesen – seht her, so rassistisch sind wir doch gar nicht. Oder, um es mit den Worten des Film auszudrücken: „Ein bisschen rassistisch sind wir doch alle, aber das ist doch nicht schlimm“. Als Variante des Songs Everybody’s a little bit racist aus dem Off-Musical Avenue Q wohnt dem nun Potenzial für beide Seiten der Medaille inne. Auf der einen Seite zeichnet der Film all seine Figuren als durchaus mit Vorurteilen belastet und schiebt die Schuld nicht einem einzelnen Protagonisten oder Gruppe zu, auf der anderen Seite ist es natürlich alles sehr verharmlosend. Im sicheren Reservat einer Komödie ist es klar, wie die Dinge gemeint sind, doch würden die gleichen Bemerkungen in der Realität bei jedem Zuschauer zu Einsprüchen führen? Sicherlich kann ein Film wie dieser, der schließlich nur auf genügsame Unterhaltung aus ist, nicht die Probleme der Welt lösen, aber gerade im Hinblick auf seinen durchaus ernsten Kontext ist Monsieur Claude etwas zu brav.

Ist man sich der Simplizität bewusst, kann Monsieur Claude und seine Töchter trotz allem, auch im Hinblick auf seine etwas stumpfe Rückversicherung für die französische Mehrheitsgesellschaft, dass Einwanderer nicht per se eine Bedrohung darstellen, sondern gewinnbringend assimiliert werden können, mit einigen vergnüglichen Begebenheiten aufwarten. Wie erwähnt, ein zweiter Ziemlich beste Freunde ist Regisseur Philippe de Chauvernon nicht gelungen, wohl aber eine Komödie, die trotz ihrer diversen Stolpersteine zumindest passable Unterhaltung bietet, die einen echten Diskurs, der ja ohne Frage auch vergnüglich daherkommen kann, scheut.



2 Kommentare:

  1. Ach, lassen wir das doch einfach. Die besten Komödien drehen eh die Briten. Franzosen können das nicht. ;)

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    1. Das würde ich so nicht sagen, auch wenn mein Herz auch eher für den britischen Humor schlägt. Es ist eher die anbiedernden Versuche, einen verdienten Erfolg zu wiederholen, die mir aufstoßen. :-)

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