ENEMY
Kanada/Spanien 2014
Regie: Denis
Villeneuve
Dt.
Erstaufführung: 22.05.2014
Denis Villeneuve
darf sich wohl inzwischen Liebling der Kritiker nennen. Nach dem massiv
gefeierten Prisoners, einer um einen
religiösen Aspekt erweiterten Pseudo-US-Version des dänischen Die Jagd konnte auch Enemy, der eigentlich vor dem
erzählerisch konventionelleren Prisoners
entstand, einiges an Lob auf sich ziehen. Ob es die Nachwehen von Prisoners waren und wie die Reaktion
ausgefallen wäre, wenn die Filme in „korrekter“ Reihenfolge erschienen wären,
muss dem Reich der Spekulationen überlassen werden. Schließlich darf man auch
Kritiker nicht eine gewisse Generosität absprechen, wenn sie einen Regisseur
erst einmal in ihr Herz geschlossen haben. Denn so sehr sich Enemy auch bemüht, er ist ein etwas zu
offensichtlicher David Lynch-Abklatsch, ein zu sehr auf dann doch recht einfach
zu entschlüsselnde Mindfuck-Momente ausgelegter Film, der durch die
Dechiffrierung paradoxerweise nicht gewinnt, sonder abbaut.
Der in seinem
Alltagstrott gefangene Uniprofessor Adam (Jake Gyllenhaal) entdeckt in einem
Film, der ihm empfohlen wurde, sein perfektes Ebenbild in einer kleinen
Nebenrolle. Dies wirft ihn völlig aus der Bahn, er beginnt, Nachforschungen
anzustellen und forciert schließlich sogar ein Treffen mit dem wenig
erfolgreichen Mimen Anthony (ebenfalls Gyllenhaal). Dieser entpuppt sich als
unberechenbar und mit dem gegenseitigen Wissen um die Existenz des jeweils
anderen entspinnt sich ein Psychospielchen, in dem die Wahrhaftigkeit der
Realität immer wieder hinterfragt und auf den Kopf gestellt wird.
Enemy ist einer dieser Filme, der für
jeden Zuschauer eine eigene Interpretation bereit hält. Darum ist auch die
folgende nicht in Stein gemeißelt,
orientiert sich aber an der Aussage Villeneuves, es ginge in seinem Film um
einen bald zum Vater werdenden Ehebrecher. Folgt man diesem Ansatz,
entschlüsselt sich die Handlung wie folgt: Anthony, der Schauspieler, ist der
eigentliche Protagonist, Adam nur seine „sanfte Seite“, die sich, entgegen
seiner wahren Natur, über die Schwangerschaft seiner Frau zu freuen imstande
ist. Beide Pole umkreisen sich, testen die Grenzen aus, müssen eine Art
Ko-Existenz finden. Der Film ist also nicht Abbild einer filmisch aufbereiteten
Realität, sondern mehr Illustration des Unterbewusstseins von Gyllenhaals
getriebenen Charakters.
Was sich so als
durchaus interessantes Gedankenspiel liest, wird unter dem Vorzeichen
Villeneuves zu einer recht unangenehmen Sache, weil der Protagonist
schlussendlich vor allem als eins dasteht: als wankelmütiger
Beziehungsphobiker, der eine Frau schwängert, mit der anderen eine freudlose
Affäre hat und insgesamt recht ziellos durchs Leben wandert. Anthony ist im
Grunde ein ähnlich schwer zu ertragender Charakter wie die Hipster in Frances Ha. Natürlich liegt auch in der
Verleumdung der intellektuellen-sanften Seite, denn nichts anderes ist Adam,
eine gehörige Portion Tragik, aber letztlich ist Enemy die Geschichte eines – pardon – Idioten, dem eine gewisse
misogyne Seite nicht abgesprochen werden kann. Dass Villeneuve diesen latenten
Hass Frauen gegenüber auch mit der Gleichsetzung von Weiblichkeit und Insekten
und Spinnentieren bebildert, verbessert den Eindruck nicht. Die Mutter als
riesige Spinne, die haushoch über Adams/Anthonys gesamter Welt wandelt, das
Ende, dass, obgleich für sich genommen ein grandioser Moment, andeutet, dass
die Wandlung der Hauptfigur nur temporärer Natur sein wird, weil die alte Angst
vor Frauen und ihrer Gebärfähigkeit wieder zum Vorschein kommt. Ein Mann hat
Angst vor Frauen und vor der Verantwortung, die die Vaterschaft mit sich bringt
– mehr hat Enemy nicht zu erzählen
und er interessiert sich auch nicht für irgendwie geartete menschliche
Lösungsansätze. Am Ende hat „unser Held“ immer noch irrationale Furcht, nichts
ist gewonnen. Natürlich muss nicht immer alles in Wohlgefallen enden, aber Enemy tritt auf penetrante Weise auf der
Stelle.
Doch hat diese
Interpretation einen Sinn? Freunde des Films werden dies selbstredend sofort
verneinen, aber auch sonst ist der Film derartig offen gestaltet, dass er
mehrere Lösungen bereithält. Dieses sich absolut auf nichts festlegen wollen
kann man nun gleichermaßen als genial wie plakativ empfinden. Macht was ihr
wollt, es ist mir egal, wahrscheinlich stimmt alles. Dies zeigt sich schon
darin, dass Villeneuve seiner Geschichte gar keinen Anker in der Realität geben
will. Die Stadt ist meistens menschenleer, Figuren verhalten sich möglichst
weit von jeder normalen Reaktion entfernt – schlich sich bei Hitchcock die
Ebene hinter dem Offensichtlichen gern langsam in den Vordergrund ist bei Enemy von vornherein klar – hier ist
alles seltsam. Viel zu oft drängt sich der Eindruck auf, Villeneuve drehe
diesen Film nur wegen des Effekts, den Mindfuck um des Mindfucks Willen.
Also eine
gänzlich gescheiterte Angelegenheit? Nein. Handwerklich ist der Film ein
Paradebeispiel mit kafkaesken Bildern, hervorragenden Effekten, die behutsam
eingesetzt werden (offiziell ist Enemy
ein Thriller, bietet aber genügend Alptraumbilder wie ein zünftiger Horrorfilm)
und einer durchaus involvierenden Atmosphäre. Auch wenn man enttäuscht wird,
man wollte dennoch stets wissen, wohin die Reise geht. Die Schauspieler geben
ihr Bestes, um gegen das aufgesetzte Drehbuch anzukommen.
Enemy ist, was der Zuschauer daraus
macht. Das gilt zwar für alle Filme, aber in diesem Fall besonders. Was für den
einen (wie mich) ein misogynes, fragwürdiges Kuriosum ist, ist für den anderen
vielleicht eine komplett stimmige Auseinandersetzung mit (männlichen) Ängsten.
Oder etwas ganz anderes.
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