WHEN ANIMALS DREAM
(Når dyrene drømmer)
Dänemark 2014
Regie: Jonas
Alexander Arnby
Dt.
Erstaufführung: 21.08.2014
Die Pubertät,
ewiger Quell von Grauen und Inspiration. Der widersprüchliche Lebensabschnitt,
der gleichermaßen die Individualität erblühen lässt und größtmögliche
Konformität einfordert, der den Menschen vor Idealismus bersten und am
Weltschmerz verzweifeln lässt, ist ein dankbares Motiv im internationalen Kino.
Während die Welt der Erwachsenen recht eindeutig definiert zu sein scheint und
sich in den Pfaden bewegt, die in der Jugend eingeschlagen wurden, ist dass
Teenageralter auch im Film ein uneindeutiges Gebilde, in dem jegliche Gangart
und –richtung möglich und denkbar ist. Unausgegorene Menschen treffen auf das,
was als Leben gleichzeitig verstörend wie betörend daherkommt. Es ist kein
Wunder, dass im Horrorfilm vornehmlich junge Leute den Tod finden – es ist eben
alles möglich, auch die unvorteilhafte Begegnung mit einem Waffenschwingenden
Wahnsinnigen. When Animals Dream geht
allerdings eleganter zu Werke als ein vergleichbares US-Produkt und schielt
unzweifelhaft auf das Publikum, dass schon So
finster die Nacht wohlwollend aufnahm, auch wenn dieser Film immer noch an
seiner geradezu grotesken Blutleere (im emotionalen Sinn, lieber Genrefreund)
leidet. Doch die Parallelen sind eindeutig, auch wenn der dänische Beitrag zum
Subgenre des übernatürlichen Coming-of-Age insgesamt involvierender daherkommt.
Die junge Marie
(Sonia Suhl) lebt in einer trostlosen Gemeinde, in der die einzige Arbeit für
junge Leute ein wenig einladender Job in der lokalen Fischfabrik zu sein
scheint. Ihre Mutter (Sonja Richter) ist gelähmt und wird von ihrem Vater (Lars
Mikkelsen) liebevoll umsorgt, doch so ganz ist Marie die Natur der Erkrankung
nicht gewahr. Dies ändert sich, als auch sie Veränderungen an sich bemerkt: ihr
beginnt ein Pelz zu wachsen, ihre Emotionen lassen sich nicht mehr im Zaum
halten und durch äußere Trigger beginnt eine buchstäbliche Verwandlung: Marie
ist ein Werwolf und schon bald sieht sie diesen Umstand nicht mehr als Fluch,
sondern als Gabe an…
Die Verbindung
zwischen Pubertät und Lykanthropie ist recht eindeutig und geradezu
lehrbuchhaft: Es wachsen Haare an neuen Stellen, Stimmungsschwankungen werden
sich einstellen, das Verhältnis zu den Eltern wird schwieriger. Es bedarf
keines Dechiffrierungsgenies, um den zugrundeliegenden Code von When Animals Dream zu knacken. Auch der
altbekannte Konflikt zwischen progressiver Jungend (Marie nimmt ihr Wesen an,
stellt es irgendwann gar offen zur Schau und denkt nicht daran, sich der Masse
unterzuordnen) und konservativen Altvorderen (für die Erwachsenen stellt Marie
eine Bedrohung dar, die beherrscht oder ausgemerzt werden muss) ist eindeutig
und wird durch einen Horrorfilm gerechten Showdown gelöst – wer die Jugend
nicht versteht, der wird durch sie beseitigt. Darin steckt selbstredend einiges
an Ermächtigungsphantasie, was aber in einer Coming-of-Age-Geschichte schon
fast zwingend erwartet wird. Und letztlich will auch der Werwolf nichts anderes
als jeder Teenager: Zugehörigkeit, Liebe und dem örtlichen Rowdy eins
auswischen. Letzteres geschieht zwar auf endgültigere Weise als in einem Film
wie Angus – Voll cool, aber auch das
war und ist erwartbar.
So bietet When Animals Dream auf der Deutungseben
nicht viel, was über das Offensichtliche hinaus geht und die pubertäre
Sprachlosigkeit, die zwischen Eltern und Kind herrscht, ist weitestgehend
aufgesetzt und forciert – gerade Lars Mikkelsen als Vater ist mitunter
enervierend stumm. Was den Film aber sehenswert macht, ist seine Atmosphäre.
Regieneuling Jonas Alexander Arnby schafft ein kleinbürgerliches Klima, aus dem
auch der Zuschauer auszubrechen gesucht, zusammen mit der Protagonistin sprengt
er quasi die Grenzen, in denen man sich wiederfindet. Hier liegt der Schlüssel
zum Erfolg jeder Art von Teenagergeschichte: das unmittelbare Erfahrbar machen
der jugendlichen Situation. Für die Dauer des Films ist man wieder in der
Pubertät gefangen, durchlebt die Hoch und Tiefs, mit denen man sich
konfrontiert sah und spürt förmlich den Konformismusdruck. Wie heilsam ist da
die stellvertretende Metamorphose, die Marie durchlebt.
When Animals Dream ist kein perfekter
Film, aber als Erstlingswerk, das mit einer beneidenswert sicheren
handwerklichen Qualität und einem ebensolchen Sinn für Atmosphäre aufwarten
kann, ist er auch für jene Zuschauer einen Blick wert, die um das Horrorgenre
sonst einen Bogen machen – weniger, weil der Film mit Gewalt geizt, sondern weil
er erkannt hat, dass der wahre Horror in jenem Lebensabschnitt liegt, in dem
alles und nichts sicher zu sein scheint. Hormone sind nun einmal
furchteinflößender als alles andere.
Während ich deine Meinung zu "So finster die Nacht" nicht wirklich nachvollziehen kann, teile ich sie komplett zu diesem Film. Ich mochte ihn auch, weil er ein schönes Plädoyer für die Toleranz von Andersartigkeit ist, aber ich habe mich doch ein wenig gewundert, dass er sooo gut aufgenommen wurde. Über das Offensichtliche geht er – wie du schreibst – auch meiner Ansicht nach nicht hinaus. Ein wenig weniger Weichzeichner und eine etwas steilere Spannungskurve hätten ihm bestimmt gut getan.
AntwortenLöschenDem ist nichts mehr hinzuzufügen. Danke für die Ergänzung der etwas zu flachen Spannungskurve. :-)
LöschenFür mich hat vor allem die visuelle Umsetzung auf der atmosphärischen Ebene gewirkt. Dieses grau in grau, das die Trostlosigkeit der Gegend und auch der Personen, symbolisiert, wird bei "When animals dream" wunderbar eingefangen.
AntwortenLöschenGing mir auch so. Atmosphärisch ein großartiger Film, keine Frage.
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