Dienstag, 3. März 2015

Gone Girl - Das perfekte Opfer (2014)




GONE GIRL - DAS PERFEKTE OPFER
USA 2014
Regie: David Fincher
Dt. Erstaufführung: 02.10.2014

ACHTUNG! Diese Besprechung enthält Spoiler.

Gone Girl ist, passend zu seiner weiblichen Hauptfigur, ein Film der zwei Gesichter. Wer einen routiniert inszenierten, „schicken“ Thriller sehen will, der wird bei David Finchers neuster Regiearbeit das finden, was er oder sie sucht. Wer Interesse daran hat, etwas tiefer als die Oberfläche zu sehen, der findet einen durchaus diskussionswürdigen, dadurch aber nicht automatisch guten Film, dessen größte Leistung es wohl ist, die Frage nach seiner innewohnenden Misogynie nie eindeutig zu beantworten. Es geht dem geneigten Zuschauer irgendwann sehr viel weniger darum, wie Protagonistin Amy ihren elaborierten Plan in die Tat hat umsetzen können, sondern um die Frage, ob Gone Girl ein latent (oder nicht ganz so latent) frauenfeindlicher Film ist.

Amy (Rosamund Pike) ist verschwunden. An ihren fünften Hochzeitstag findet ihr leicht dumpfer Ehemann Nick (Ben Affleck) einen zerstörten Tisch und umgeworfene Möbelstücke in ihrem Wohnzimmer und alarmiert die Polizei. Diese findet im Laufe der Ermittlungen immer mehr belastende Indizien, die Nick als potenziellen Mörder dastehen lassen. Während er selbst durch sein Verhalten immer wieder dafür sorgt, dass vor allem die Medien ihn bereits vorverurteilen, zeigt sich bald sehr deutlich, dass in diesem Fall nichts auch nur im Entferntesten so ist, wie es scheint.

Um es klar zu sagen: dass Amy, die weibliche Hauptfigur also, die abgrundtief sozio- und psychopathische Antagonistin ist, macht Gone Girl nicht zu einem frauenfeindlichen Film. Sie ist eine Figur, die man leidenschaftlich hassen kann, keine Frage, eine der grausamsten Schurken-Figuren der letzten Jahre, aber der Hass schwebt etwas in der Luft, weil Fincher nicht eine Sekunde den Zuschauer daran zweifeln lässt, dass Amy nicht so freundlich ist, wie sie tut. Amy ist stets unterkühlt, distanziert, Rosamund Pikes Chemie mit Ben Affleck ist de facto nicht existent, selbst in den „glücklichen“ Momenten nimmt man ihnen  ihre Beziehung nicht ab (zumal der Film gerad an dieser Stelle das Spiel mit der doppelten Wahnehmungsebene nicht aufbricht – man sieht die Vergangenheit nur durchs Amys sorgfältig gefiltertes Tagebuch). Amy ist in keinster Weise so charmant, wie es Soziopathen oft zu eigen ist, ihre Umgarnungstechniken begnügen sich, nach eigener Aussage, damit, mit ihrem tumben Mann Adam-Sandler-Filme zu schauen und ihm öfters einen zu blasen. So bedient Gone Girl vor allem Klischees – die Frau, die ihrem Mann Interesse, in welche Richtung auch immer, nur vorspielt und vom Mann, der nicht den Hauch von Empathie besitzt, um dies zu bemerken.

Letztlich leidet der Film vor allem unter seinen Charakteren. Amy ist kühl-berechnend, aber dies wird nie für einen Überraschungseffekt genutzt, sie wird nie zu einer Figur, die auch die Zuschauer hinters Licht führt (dies wurde, bei allen sonstigen Problemen, besser in dem 2013er Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen gelöst) und dementsprechend plakativ wirkt. Man fragt sich nur nach dem Wie, weniger nach dem Warum. Ben Afflecks Nicks schlafwandelt derweil durch seine Szenen, seine Figur wird einerseits als unaufmerksamer Slacker gezeichnet, andererseits auch als Mann kodifiziert, der gar kein „richtiger“ Mann ist – schon allein, weil er eine Katze als Haustier hält. So weit, so dumm. Der „Twist“, dass der Mann bei seiner ihn missbrauchenden Frau bleibt und nicht andersherum, wie es sonst „richtig“ ist, verpufft als Kommentar zu einer wie auch immer gearteten Geschlechterdiskussion, weil Gone Girl insgesamt etwas zu sehr auf eine bloße Umstellung der Vorzeichen setzt. Im Grunde ist der Film die Geschichte einer misslungenen Ehe, in der der Mann, auch dass ein Klischee, sich mit der vollbusigen Studentin einlässt und die Frau, dank einer behandlungswürdigen Psychose, ihm eine denkbar durchdachte Falle stellt, die lediglich durch Neil Patrick Harris etwas aus dem Gleichgewicht gebracht wird.

Natürlich hat der Film ein Geschmäckle, wenn Amy Vergewaltigungen fälscht und sicher auf den medialen Reflex setzen kann: der Mann ist immer verdächtig. In der medialen Hexenjagd liegt denn auch das interessanteste Element des Films, dass aber sträflich vernachlässigt wird. Fincher gibt ein paar Stichworte und Eckdaten, steigt aber nie in einen wirklichen Diskurs beispielsweise über die amerikanische Medienwelt ein. Vielleicht hätte man so auch vermieden, dass Gone Girl manchmal wie ein Männerrechtler-Film wirkt: die Frauen betrügen uns doch wo sie nur können! Vertrau ihnen nicht! Doch, wie gesagt, weil der Film einen emotionalen Kern vermissen lässt (etwas, dass bei Fincher seit The Social Network und dem unglaublich-sinnlosen Remake von Verblendung beunruhigend sicher zum Repertoire zu gehören scheint) und sich dann doch eher für seine Thriller-Elemente interessiert denn für seine Gender- oder Mediendiskussion, bleibt auch dies eine Beobachtung unter vielen. Vielleicht liegt die Erkenntnis auch darin, Gone Girl nicht als frauenfeindlichen Film zu sehen, sondern als diskurs- und charakterfeindlichen.

Wer kompetent gemachte, gestalterisch ziemlich vorhersehbare Thriller-Ware sehen möchte, die 2 ½ Stunden durchaus spannend, aber eben auch ziemlich hinterfragungswürdig dahingleitet, dem sei Gone Girl empfohlen. Und eigentlich auf jenen, die gerne Debatten über Filme führen. Denn bei allen Problemen, Stoff für solche bietet Gone Girl mehr als genug.





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