GONE GIRL - DAS PERFEKTE OPFER
USA 2014
Regie: David
Fincher
Dt.
Erstaufführung: 02.10.2014
ACHTUNG! Diese
Besprechung enthält Spoiler.
Gone Girl ist, passend zu seiner
weiblichen Hauptfigur, ein Film der zwei Gesichter. Wer einen routiniert
inszenierten, „schicken“ Thriller sehen will, der wird bei David Finchers
neuster Regiearbeit das finden, was er oder sie sucht. Wer Interesse daran hat,
etwas tiefer als die Oberfläche zu sehen, der findet einen durchaus
diskussionswürdigen, dadurch aber nicht automatisch guten Film, dessen größte
Leistung es wohl ist, die Frage nach seiner innewohnenden Misogynie nie
eindeutig zu beantworten. Es geht dem geneigten Zuschauer irgendwann sehr viel
weniger darum, wie Protagonistin Amy ihren elaborierten Plan in die Tat hat
umsetzen können, sondern um die Frage, ob Gone
Girl ein latent (oder nicht ganz so latent) frauenfeindlicher Film ist.
Amy (Rosamund Pike)
ist verschwunden. An ihren fünften Hochzeitstag findet ihr leicht dumpfer
Ehemann Nick (Ben Affleck) einen zerstörten Tisch und umgeworfene Möbelstücke
in ihrem Wohnzimmer und alarmiert die Polizei. Diese findet im Laufe der
Ermittlungen immer mehr belastende Indizien, die Nick als potenziellen Mörder
dastehen lassen. Während er selbst durch sein Verhalten immer wieder dafür
sorgt, dass vor allem die Medien ihn bereits vorverurteilen, zeigt sich bald
sehr deutlich, dass in diesem Fall nichts auch nur im Entferntesten so ist, wie
es scheint.
Um es klar zu
sagen: dass Amy, die weibliche Hauptfigur also, die abgrundtief sozio- und
psychopathische Antagonistin ist, macht Gone
Girl nicht zu einem frauenfeindlichen Film. Sie ist eine Figur, die man
leidenschaftlich hassen kann, keine Frage, eine der grausamsten
Schurken-Figuren der letzten Jahre, aber der Hass schwebt etwas in der Luft,
weil Fincher nicht eine Sekunde den Zuschauer daran zweifeln lässt, dass Amy
nicht so freundlich ist, wie sie tut. Amy ist stets unterkühlt, distanziert,
Rosamund Pikes Chemie mit Ben Affleck ist de facto nicht existent, selbst in
den „glücklichen“ Momenten nimmt man ihnen
ihre Beziehung nicht ab (zumal der Film gerad an dieser Stelle das Spiel
mit der doppelten Wahnehmungsebene nicht aufbricht – man sieht die
Vergangenheit nur durchs Amys sorgfältig gefiltertes Tagebuch). Amy ist in
keinster Weise so charmant, wie es Soziopathen oft zu eigen ist, ihre
Umgarnungstechniken begnügen sich, nach eigener Aussage, damit, mit ihrem tumben
Mann Adam-Sandler-Filme zu schauen und ihm öfters einen zu blasen. So bedient Gone Girl vor allem Klischees – die
Frau, die ihrem Mann Interesse, in welche Richtung auch immer, nur vorspielt
und vom Mann, der nicht den Hauch von Empathie besitzt, um dies zu bemerken.
Letztlich leidet
der Film vor allem unter seinen Charakteren. Amy ist kühl-berechnend, aber dies
wird nie für einen Überraschungseffekt genutzt, sie wird nie zu einer Figur,
die auch die Zuschauer hinters Licht führt (dies wurde, bei allen sonstigen
Problemen, besser in dem 2013er Side
Effects – Tödliche Nebenwirkungen gelöst) und dementsprechend plakativ
wirkt. Man fragt sich nur nach dem Wie, weniger nach dem Warum. Ben Afflecks Nicks
schlafwandelt derweil durch seine Szenen, seine Figur wird einerseits als
unaufmerksamer Slacker gezeichnet, andererseits auch als Mann kodifiziert, der
gar kein „richtiger“ Mann ist – schon allein, weil er eine Katze als Haustier
hält. So weit, so dumm. Der „Twist“, dass der Mann bei seiner ihn missbrauchenden
Frau bleibt und nicht andersherum, wie es sonst „richtig“ ist, verpufft als
Kommentar zu einer wie auch immer gearteten Geschlechterdiskussion, weil Gone Girl insgesamt etwas zu sehr auf
eine bloße Umstellung der Vorzeichen setzt. Im Grunde ist der Film die
Geschichte einer misslungenen Ehe, in der der Mann, auch dass ein Klischee,
sich mit der vollbusigen Studentin einlässt und die Frau, dank einer
behandlungswürdigen Psychose, ihm eine denkbar durchdachte Falle stellt, die
lediglich durch Neil Patrick Harris etwas aus dem Gleichgewicht gebracht wird.
Natürlich hat der
Film ein Geschmäckle, wenn Amy Vergewaltigungen fälscht und sicher auf den
medialen Reflex setzen kann: der Mann ist immer verdächtig. In der medialen
Hexenjagd liegt denn auch das interessanteste Element des Films, dass aber
sträflich vernachlässigt wird. Fincher gibt ein paar Stichworte und Eckdaten,
steigt aber nie in einen wirklichen Diskurs beispielsweise über die
amerikanische Medienwelt ein. Vielleicht hätte man so auch vermieden, dass Gone Girl manchmal wie ein
Männerrechtler-Film wirkt: die Frauen betrügen uns doch wo sie nur können!
Vertrau ihnen nicht! Doch, wie gesagt, weil der Film einen emotionalen Kern
vermissen lässt (etwas, dass bei Fincher seit The Social Network und dem unglaublich-sinnlosen Remake von Verblendung beunruhigend sicher zum
Repertoire zu gehören scheint) und sich dann doch eher für seine
Thriller-Elemente interessiert denn für seine Gender- oder Mediendiskussion,
bleibt auch dies eine Beobachtung unter vielen. Vielleicht liegt die Erkenntnis
auch darin, Gone Girl nicht als
frauenfeindlichen Film zu sehen, sondern als diskurs- und charakterfeindlichen.
Wer kompetent
gemachte, gestalterisch ziemlich vorhersehbare Thriller-Ware sehen möchte, die
2 ½ Stunden durchaus spannend, aber eben auch ziemlich hinterfragungswürdig
dahingleitet, dem sei Gone Girl
empfohlen. Und eigentlich auf jenen, die gerne Debatten über Filme führen. Denn
bei allen Problemen, Stoff für solche bietet Gone Girl mehr als genug.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen