CHAPPIE
USA/Mexiko/Südafrika
2015
Regie: Neill
Blomkamp
Dt.
Erstaufführung: 05.03.2015
Der
südafrikanische Regisseur Neill Blomkamp ist in gewisser Weise ein Pendant zum
US-Amerikaner J.J. Abrams, indem er sich munter aus dem Fundus der
genrespezifischen Popkultur der letzten Jahrzehnte bedient und sie neu
zusammensetzt: ein Mash-Up-Regisseur, sozusagen. Doch während Abrams sich
weitestgehend auf bloße Hommagen und eklatante Missachtung des Ausgangsmaterials
konzentriert (Star Trek – Into Darkness
ist immer noch in schlechter Erinnerung und den neuen Star Wars-Ausgaben kann man unter diesen Vorzeichen auch nicht
sonderlich unbelastet entgegensehen), versucht Blomkamp wenigstens, seiner
Zitatmaschinerie einen eigenen Anstrich zu verleihen. Sein Spielfilmdebüt District 9 war ein wilder Trip, der
soziale Allegorie, Buddymovie, Thriller und Science-fiction-Action auf furiose
Weise mischte, mit Anleihen an Alien
Nation und RoboCop, das alles in
einem interessanten visuellen Gewand. Letzteres wurde für den Nachfolger Elysium beibehalten, der Film selbst kam
allerdings nicht so gut davon wie sein Vorgänger. Inzwischen hat sich selbst
Blomkamp selbst eingestanden, dass er mit Elysium
nicht den großen Wurf gelandet hatte, den er wohl im Sinn hatte. Nun stellt
sich die bange Frage: kann Chappie
das Ruder herumreißen? Es sei gesagt: Blomkamps dritter Film ist besser als Elysium, aber von District 9 weit entfernt. Zumal sich das Plündern des Genrefundus
diesmal sehr viel deutlicher in den Vordergrund schiebt: Chappie ist eine nach Südafrika verpflanzte Version von (wieder
einmal) RoboCop, dessen
unterschätztes Remake noch gar nicht so lange her ist. Ähnlich wie dieses
erzählt auch Chappie einiges über die
Zeit, aus der er stammt und könnte in einigen Jahrzehnten wohlwollender
aufgenommen werden als zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung. Denn hinter der
manchmal etwas holprigen Narrative stellt Chappie
erstaunlich viele Fragen, die vom Zuschauer auch eigenständig beantwortet
werden wollen.
,
In einer
alternativen Realität hat die Polizei von Johannisburg als erste der Welt
Roboterpolizisten, sogenannte Scouts im Einsatz, als unfehlbar und
unbestechlich geltende Maschinen ohne künstliche Intelligenz, wohl aber einsetzbar
als schier unzerstörbare Schutzschilde für menschliche Gesetzeshüter. Entwickelt
wurden sie vom jungen Computergenie Deon (Dev Patel), der sich insgeheim aber
an die Entwicklung von echter künstlicher Intelligenz gemacht hat, quasi der
menschliche Geist mit all seinen Fähigkeiten verpackt in eine Computerdatei.
Als das Experiment gelingt, entwendet er einen im Kampf schwer beschädigten
Scout, um an ihm seine Entdeckung zu testen, wird aber auf dem Heimweg von zwei
Kleinkriminellen (Ninja & Yo-landi, Rapper der südafrikanischen Band Die Antwoort) entführt, die glauben, er
hätte die Macht, alle Scouts auf einmal abzustellen, um ihnen so einen großen
Raubzug zu ermöglichen. Doch es kommt so, wie es kommen muss: Deon aktiviert
den Scout mitsamt künstlicher Intelligenz und die Gangster sehen ihre Chance,
mit dessen Hilfe noch viel größere Coups landen zu können. Doch der sehr
schnell Chappie getaufte Roboter hat zunächst das Bewusstsein eines Kleinkindes
und muss erst einen (beschleunigten) Lernprozess durchlaufen. Dabei gerät er in
einen Konflikt zwischen den bald als Familie angesehenen Gangster und ihren
Werten und jenen, die Deon von ihm verlangt. Und dann wäre da noch Vincent
(Hugh Jackman), einer von Deons Kollegen und Erfinder eines ungleich klobigeren
Robotersystems, dem die Vorstellung von künstlicher Intelligenz so zuwider ist,
dass er alles daran setzt, Chappie zu vernichten…
Als Film über die
Menschwerdung einer Maschine, über den Unterschied zwischen Emotionalität und
Rationalität, über die Diskrepanz zwischen technisch machbaren und der
ethischen Vertretbarkeit ist Chappie
überfordert, aber er hat zumindest den Mut, hinter dem Spektakel dem Zuschauer
die Fragen danach ans Herz zu legen. Das Blomkamp ein Verfechter einer Ethik,
ja eines Humanismus ist, der über den Menschen hinausgeht, wurde bereits in District 9 deutlich. Egal ob Alien oder
Roboter – Bewusstsein verpflichtet. Chappie
lässt dabei auch einige der metaphysischen Fragen nicht außer Acht, die bei
solch einem Stoff unweigerlich aufkommen. So ist der religiöse Part, die
Gott-Frage, auch das potenteste Element des ganzen Films. Selbstredend ist
Jackmans Part als Antagonist plakativ angelegt, wenn er Chappie auch aus dem
Grund ablehnt, weil er nicht in sein Menschen- und damit Gottesbild passt.
Vincent bekreuzigt sich gern, nennt den Roboter-Protagonisten gottlos – es ist
nicht schwer, darin einen fundamentalen Konflikt zu sehen, der sich auch in der
Konstellation Deon/Chappie fortsetzt und dabei einige Probleme der
transhumanistischen Ethik überraschend deutlich anspricht. Chappies Körper ist
fehlerhaft, seine Batterie kann weder entfernt noch aufgeladen werden, er ist
dazu verdammt, innerhalb weniger Tage wieder dahinzuscheiden. Deon, der in
dieser Sache durchaus ambivalent dargestellt wird, hat als Schöpfer, als Gott,
keine Antwort auf die Frage nach dem Warum: Warum erschafft er Leben, wenn es
doch nur dazu verdammt ist, zu sterben? Daran schließt sich ein ganzer
Rattenschwanz an Fragen an, z.B. danach, ob, nur weil etwas möglich ist, man es
auch tun sollte und wie sich der Mensch im Angesicht von eigenhändig
erschaffender Intelligenz überhaupt definieren soll. Das Ende, unter anderen
Gesichtspunkten sicherlich nicht ohne Probleme, kann denn auch als Aufruf
verstanden werden, die Götter wieder auf die eigene Ebene zurückzuholen. Above us only sky.
Chappie ist ein plakativer Film, keine
Frage. Subtilität ist nicht gerade seine Stärke und dennoch funktioniert das
Ganze doch erstaunlich gut, trotz einer ganzen Palette an geradezu dreisten
Ungereimtheiten (die bloße Darstellung der Erschaffung künstlicher Intelligenz
beispielsweise, die Tatsache, dass die Roboterfirma das mieseste Sicherheitssystem
der Welt hat oder auch, dass Deon Chappie einfach den Gangstern überlässt und
unbehelligt nach Hause fährt – weil die Gang es ihm so gesagt hat). Doch
ähnlich wie der sich nach den Anforderungen der Sequenz verändernde Stil in District 9 stört dies kaum den
Handlungsfluss. Blomkamp weiß, wie er Geschichten am Laufen halten kann, selbst
Elysium konnte noch von dieser
Fertigkeit profitieren. Hinzu kommen die einmal mehr grandiosen Effekte, die in
keiner Sekunde Zweifel daran aufkommen lassen, dass Chappie und die
menschlichen Akteure wirklich zusammen am Set zugegen waren.
Chappie ist eine Art guilty pleasure-Film, ein Werk, von dem
man weiß, dass es sich an allen möglichen Töpfen bedient (Vincents Kampfroboter
ist auch optisch direkt Paul Verhoevens RoboCop
entlehnt), massive narrative Schwächen aufweist, Schauspieler geradezu
vergeudet (Sigourney Weaver ist lediglich da, um ihren Gehaltscheck abzuholen)
und die meisten der aufkeimenden Fragen im Bezug auf sein Sujet nicht direkt
oder nur sehr halbherzig anspricht, aber dennoch, wie durch ein Wunder,
funktioniert das Ganze auf der reinen Popcorn-Ebene dann doch ganz ordentlich.
Zumal er als Grundlage für eine anschließende Diskussion über Ethik und
Philosophie ebenfalls genug Raum bietet. Chappie
ist kein großer Wurf, dafür hat der geneigte Zuschauer schon zu viel in diese
Richtung gesehen, aber er ist auch nicht der Schritt nach unten, den man nach
dem halbherzigen Elysium befürchten
konnte. Zumal ein Film, der in seiner Hauptactionszene die Snowden-Enthüllungen
ins Gedächtnis ruft und wie auf Videos festgehalten wurde, wie das Töten von
Menschen zum Videospiel wurde (hier mit Vincent und seinem Moose-Kampfroboter als Stand-In), der ist einer flächendeckenden
Lobotomie ohnehin unverdächtig.
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