BONE TOMAHAWK
USA 2015
Dt.
Erstaufführung: 21.01.2016 (DVD-Premiere)
Regie: S. Craig
Zahler
Die Zeiten des
Unterkomplexen sind eigentlich vorbei. TV-Serien sind ohne folgen- bzw.
staffelübergreifende Handlungsstränge kaum noch denkbar und Filme ohne eine
zumindest rudimentäre Reflexionsebene werden in Zeiten des dankbaren
Meinungspluralismus schnell demaskiert. Umso erstaunlicher, wie wenig der in
Deutschland gleich auf Heimmedien erschienene Horrorwestern Bone Tomahawk in seinen Subtext
investiert. Gerade in seiner Grundidee liegt im Kern ein Kommentar zur
Xenophobie des Westerngenres, ein Nachdenken über den Hurra-Patriotismus einer
Filmgattung, die die „Eroberung“ eines Kontinents und die damit einhergehende
Enteignung und Entmenschlichung der indigenen Bevölkerung lange Zeit relativ
kritiklos als „Abenteuer“ inszeniert hat. Doch das Regiedebüt von S. Craig
Zahler ist weit entfernt von solchen Brechungen, es fehlt ihm der Mut zum
Subversiven, eben zur Reflexion jenseits des Boulevardblatt-Charakters seines
Sujets. Das Ganze ist zwar stilistisch bemerkenswert sicher und gekonnt
inszeniert und Zahler hat eindeutig ein Händchen für Dialoge, aber am Ende des
Tages ist Bone Tomahawk ein Film, der
allzu leichtfertig lediglich auf die Symbiose zweier Genres hin konzipiert
wurde. Cannibal Holocaust trifft auf Tombstone ist als einzig tragendes
Element der Handlung dann doch etwas wenig.
Im verschlafenen
Westernstädtchen Bright Hope kommt eines Abends ein Fremder an, der sich als
Buddy (David Arquette) vorstellt, durch seine Art aber sofort das Misstrauen
des Sheriffs Hunt (Kurt Russell) und seines schlichten Deputys Chicory (Richard
Jenkins) auf sich zieht. Schnell bewahrheitet sich der Verdacht, denn ein Clan
kannibalistischer Indianer verfolgt Buddy, weil er ihre Grabstätte entweiht hat
und entführt kurzerhand nicht nur ihn, sondern auch den zweiten Deputy (Evan
Jonigkeit) und die Ärztin des Ortes, Samantha (Lili Simmons). Hunt, Chicory,
der Pseudo-Gentleman Brooder (Matthew Fox) und der dank eines gebrochenen
Beines eigentlich ziemlich immobile Mann Samanthas, Arthur (Patrick Wilson)
nehmen die Verfolgung auf, in der Hoffnung, die Entführten noch zu retten,
bevor sie in den Mägen der in Höhlen hausenden Antagonisten enden.
Bone Tomahawk will nicht als
rassistisch, auch nicht als ein bisschen xenophob, gelten. So trauern die
ausnahmslos weißen Protagonisten offensiv um einen schwarzen Stallburschen, der
von den Indianern getötet wurde und der wie ein Feigenblatt daherkommende
Ureinwohner mit Sprechrolle soll klar machen, dass die Höhlenbewohner jenseits
jeder menschlicher Ordnung, ob nun indianisch oder europäisch, stehen. Man
kämpft in dieser Logik nicht mit Menschen, sondern mit Monstern. Die
Entmenschlichungsbestreben sind eines Eli Roth würdig, der Film setzt viel
daran, die komplette Vernichtung des Stammes zu legitimieren. Nun ist es
wahrlich kein feiner Zug, Gefangene bei lebendigen Leib in der Mitte zu
zerteilen, um sie hernach zu kochen, aber irgendwie wirkt alles wie ein
Vorwand, mal wieder zum Stereotyp des „Wilden“ zurückzukommen, der nicht
Zivilisationsfähig ist und durch seine Handlungen den Tod verdient hat. Wenn
schon die anderen First Nations nicht mit ihnen klar kommen und sie außerdem
mit Vorliebe Weiße verspeisen, ist doch alles klar, oder? Gerade im letzten
Fakt, der beiläufig eingestreut wird, blitzt etwas von der Subversivität auf,
die Bone Tomahawk hätte kennzeichnen
können – die Antagonisten als Antwort auf die Landnahme, die die Aggressoren in
einem Akt der Verzweiflung verschlingen wie diese es vorher mit ihrer
Lebensgrundlage und Kultur getan haben. Ansätze, die Bone Tomahawk zugunsten des plakativen Horroraspekts vollkommen
außer Acht lässt. Man wartet ständig auf einen Twist, auf eine clevere Brechung
im Portrait der Kannibalen, die niemals eintritt. Die Troglodyten genannten
Schurken bleiben kulturlose Heiden (was auch nicht aufgeht, weil der Film ihnen
zu dramaturgischen Zwecken eine Spiritualität und beeindruckende
chirurgische Kenntnisse andichtet), ihr
Tod ist gerecht, zumal sie auch ihre Frauen nicht so zuvorkommend behandeln wie
der weiße Mann (vgl. eine der letzten Szenen in der Höhle). Say what?
Wenn man in der
Lage ist, all diese soziologischen und gesellschaftlich frustrierenden
Implikationen außer Acht zu lassen, der bekommt mit Bone Tomahawk immerhin einen sauber in Szene gesetzten Film mit
detailverlebter Ausstattung und jenen deftigen Effekten, die die Gorehounds
anlocken sollen, vorgesetzt. Die Dialoge erinnern in ihren besten Momenten an
die Wortwechsel bei Quentin Tarantino (wenn auch hier mit weniger
Schimpfwörtern) und die Dramaturgie setzt Wert darauf, die Länge und Strapazen
der Reise zu zeigen. Die bereits angesprochenen Gorehounds könnten dabei leicht
ungeduldig werden, dabei ist Bone
Tomahawk dann am besten, wenn er sich seinen Figuren und ihren Beziehungen
widmet. Gerade weil sich der Film in seinem Mittelteil größtenteils so gut
macht wirken das Finale und der xenophobische Impetus (natürlich wird man
unterwegs auch von Mexikanern überfallen) wie ein nachträglich eingeworfener
Zweitgedanke, wie einer Selbsterinnerung, dass man ja hier einen modernen
Exploitationfilm drehen wollte.
Bone Tomahawk ist ein sehr
unausgegorener Film, der eindeutig inszenatorisches Potenzial seitens Zahler erkennen
lässt, aber auch zu sehr einem unreflektierten Horroraspekt huldigt, der in
dieser Form dem Film eher schadet als das er ihn aufwertet. Oder sollte das
ganze Unterfangen etwa eine Origin-Story für die US-amerikanische „culture of
fear“ darstellen?
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