IT FOLLOWS
USA 2014
Dt.
Erstaufführung: 09.07.2015
Regie: David
Robert Mitchell
Jugendliche haben
es nicht leicht, besonders in Horrorfilmen. Sobald die Libido erwacht und den
Körper mit Hormonen überflutet, die dann nur noch „das Eine“ suggerieren, führt
das hemmungslose Nachkommen dieser Triebe meist zu einem schnellen Ableben. Nur
wer keusch und in einem puritanischen Sinne „rein“ bleibt (dass das Überleben
meist nur durch Gewaltanwendung möglich ist, eröffnet darüber hinaus einen
Diskurs über eine Gesellschaft, in der Sex verpönt ist, Gewalt aber in all
ihren Spielarten weniger Protest auslöst) hat die Chance auf ein Happy End. So
weit, so konservativ. It Follows
belegt nun den Geschlechtsakt an sich mit einem – nicht nur im übertragenden
Sinne – Fluch. Es ist nicht mehr die ekstatische Unaufmerksamkeit, die es dem
maskierten Killer ermöglicht, sich anzuschleichen, sonder im Akt selbst liegt
gleichermaßen der Auslöser wie die Lösung für die Probleme der Protagonisten.
„Der kleine Tod“ bekommt hier eine ganz neue Intention. Das ist nun ähnlich
altbacken wie die Moral des Slasherfilms (wer keinen Sex hat, hat auch keine
Probleme) und die Interpretationsmöglichkeiten liegen auf der Hand (sexuell
übertragbare Krankheiten als offensichtlichstes Beispiel), aber als Horrorfilm,
vor allem als überdeutliche Hommage an John Carpenter, funktioniert It Follows doch ziemlich gut. Und das
ist viel gesagt, wenn sogar der Regisseur selbst zugibt, dass sich die Prämisse
des Films laut ausgesprochen ziemlich hanebüchen anhört.
In einem Vorort
von Detroit schläft die junge Jay (Maika Monroe) zum ersten Mal mit ihrem Freund
Hugh (Jake Weary). Das Stelldichein nimmt ein jähes Ende, als er sie zuerst mit
Chloroform betäubt, um ihr dann zu eröffnen, dass er sie mit etwas angesteckt
hat. Nein, nicht mit einem Genitalpilz oder ähnlichem, sondern mit einer
mörderischen Entität, einem Wesen, das sie nun verfolgen wird und dabei jede menschliche
Gestalt annehmen kann. Es wird nicht eher ruhen, bis es sie erwischt und
getötet hat, es sei denn, sie schläft mit jemand anderem und gibt so den Fluch
weiter. Zunächst schenkt Jay dem Gesagten keinen rechten Glauben, doch als sie
zusehends von Menschen verfolgt wird, die augenscheinlich nur sie sehen kann,
bewahrheitet sich Hughs Prognose. Zunächst versucht Jay, eine andere Lösung für
das Problem zu finden, auch, weil wenn derjenige, an den sie den Fluch
weitergibt, von dem Wesen getötet wird, es wieder Jagd auf sie machen würde.
Doch das Ding ohne Namen lässt sich nicht abschütteln und Jays Leben wird immer
mehr zu einer Dauertortour.
It Follows hat den genreüblichen
lustfeindlichen Ansatz, der sich allerdings nicht auf die Angstlust bezieht.
Will meinen: der von David Robert Mitchell inszenierte Film ist ziemlich
spannend geraten. Dank der unbehaglichen Atmosphäre, der suggestiven Kameraarbeit
und der (zugegebermaßen mitunter etwas plakativ eingesetzten) Musik verbunden
mit dem Auftreten des Wesens, dass gleichermaßen ruhig wie unaufhaltsam
daherkommt, gelingt es It Follows,
selbst dem versierten Genrefan noch den ein oder anderen Schreckensmoment abzutrotzen.
Manchmal kann sich Mitchell nicht
zurückhalten (am Strand, wenn das Wesen kurz in den Modus des handelsüblichen
Kinodämonen zurückfällt) und frei von Albernheiten (die High Heels des „opening
kills“, die Jurassic World stolz
machen) und groben Schnitten (die Sequenz im Schwimmbad hat keine sinnige
Konklusion) ist sein Film auch nicht, aber auch dank der natürlich agierenden
Darsteller gleitet It Follows nie in
Gefilde ab, in denen man vollkommen aus der Geschichte katapultiert wird.
Dabei gibt es
genügend Dinge, über die man nachgrübeln könnte. Der Film zeigt ausschließlich
heterosexuelle Begegnungen. Heißt das, Homosexuelle sind vor dem Dämon sicher?
Muss es ungeschützter Verkehr sein oder kann das Wesen Kondome und Pille
umgehen? Gilt nur Penetration oder lässt das Ding auch beispielsweise Oralsex
durchgehen? Fragen über Fragen … Immerhin lässt der Film die Frage nach dem
Warum nicht unbeantwortet. Die Entität beraubt ihre Opfer, wenn sie sie einmal
erreicht hat, deren – man muss es wohl so nennen – Lebensenergie und wird so zu
einer modernen Interpretation des Sukkubus/Inkubus-Glaubens, jenen
verführerischen Wesen, die seit jeher dem Menschen nachstellen. Eine sinnige
Motivation ist ja heutzutage auch für außerweltliche Wesen von Belang. Und ist
es Zufall, dass ein solches Etwas sein Unwesen nahe Detroit treibt, einer sich
immer wieder am Abgrund befindlichen Stadt, in der kaum etwas sicher ist, weder
die öffentliche Ordnung noch die ökonomische Existenz? Warum sollte es also der
Sex sein? Neben der Angst vor Krankheiten (der Film lässt auf brillante Art den
Handlungszeitraum im vagen, was zu einer universellen Anwendbarkeit führt) ist
das Wesen als personifizierte Zukunftsangst (in diesem Kontext macht auch die
anhaltende Gestaltwandlung durchaus Sinn – Teenagerprobleme sind nie gleich und
wechseln ständig) sicherlich eine der interessantesten Lesarten.
In einer Zeit, in
der der Vergangenheitsbezug zum Grundrepertoire gehört und die mediale Kindheit
und Jugend der in den 1970ern/1980ern geborenen einer fortwährenden
Revitalisierung unterliegt ist It Follows
sicherlich eins der besten Beispiele, wie man eine Hommage generieren kann,
ohne die eigene Identität vollkommen dranzugeben. John Carpenter ist
allgegenwärtig, doch sklavisch kopiert wird er nie. Vielmehr dient sein Oeuvre
(zumindest jenes bis Mitte der 80er Jahre) als Ankerpunkt, um eine neue
Generation möglichst so zu schocken, wie es wohl Filme wie Halloween – Die Nacht des Grauens anno 1978 getan haben. Das
Ergebnis ist ein gradliniger Horrorfilm, dessen Gerüst einer genaueren Prüfung
zwar nicht standhält, der aber bessere Genreunterhaltung bietet, als es die
Prämisse „Sexuell übertragbarer Dämon“ eigentlich zulassen dürfte. Nicht so
durchdacht wie der andere große Horrorfilm des Jahres 2015, Der Babadook, wohl aber effektiv genug,
um für Unbehagen in finsteren Korridoren zu sorgen.
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