ENTITY – ES GIBT KEIN ENTRINNEN VOR DEM UNSICHTBAREN,
DAS UNS VERFOLGT
(The
Entity)
USA 1982
Dt.
Erstaufführung:20.01.1983
Regie: Sidney J.
Furie
Die ständigen
Querverweise im Internet und gerade in den Filmblogger-Kreisen können mitunter
anstrengend sein. Da erweist sich die eine Sequenz aus jenen Film als eine
Reminiszenz an jenen Film, den man noch nicht gesehen hat, oder dieser Film
trägt viel DNA von diesem anderen Film in sich, der auch schon seit einer
gefühlten Ewigkeit auf der Watchlist versauert. Im Gefühl, nie ganz alles von
Belang übersehen zu können verkleinert sich besagte Liste denn auch eher in
Gletschergeschwindigkeit. Doch manchmal stößt man so auch auf eine Perle an
einem Ort, an dem man sie nie für möglich gehalten hätte. So gab der schnöde Wikipedia-Artikel zu dem
Überraschungshit It Follows den
Hinweis, die Verbindung Sex/Paranormale Aktivität sei bereits 1982 in dem wenig
bekannten Film Entity (der monströse
deutsche Untertitel wird hier ausschließlich oben bei den Basisdaten genannt)
durchexerziert worden. Nun gut, wie empfehlenswert sollte schon ein Film sein,
der auch als der versaute kleine Bruder von Steven Spielbergs/Tobe Hoopers Poltergeist durchgehen könnte? Die
Antwort, um es im Neusprech des enervierenden Online-Clickbaitings zu
formulieren, wird Sie überraschen.
Carla (Barbara
Hershey) ist in ihren 30ern, alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Mädchen
und einem pubertierenden Jungen und setzt alles daran, durch
Weiterbildungsmaßnahmen einen besseren Job ergattern zu können. Der Stress lässt
nie nach, doch Carla gibt ihr Bestes. Doch etwas in ihrem Haus ist ganz und gar
nicht an ihrem Wohlergehen interessiert, im Gegenteil: eines Abends wird die
junge Frau von einer unsichtbaren Gestalt angegriffen und vergewaltigt.
Vollkommen verstört versucht sie, das Erlebte zu vergessen, doch die Entität
lässt sie sehr bald durch eine erneute Vergewaltigung wissen, dass es eben
nicht nur ein böser Traum war. Als sich die Situation immer weiter zuspitzt,
die psychologische Beratung wirkungslos bleibt und das Wesen sogar beginnt,
Carla vor ihren Kindern anzugreifen, gerät sie durch Zufall an ein Team von
Parawissenschaftlern der örtlichen Universität, die sich ihres Falles annehmen.
Ihr Plan: die bösartige Erscheinung mithilfe von flüssigem Helium in der Welt
der Menschen zu bannen …
Entity beruht auf – bitte tief einatmen
und aufseufzen – „realen Ereignissen“. Eine Doris Bither erlebte angeblich in
den 1970er Jahren eine Heimsuchung durch mehrere Poltergeister, von denen sie
einer auch wiederholt vergewaltigt haben soll. Ein Team von Wissenschaftlern
versuchte denn auch wirklich, dem Spuk irgendwie habhaft zu werden. So soll
sich die Filmszene, in der eine Silhouette inmitten eines Indoor-Gewitters mit
grünen Blitzen erscheint, so ähnlich auch in der Realität zugetragen und zur
Ohnmacht einer der wissenschaftlich Beteiligten geführt haben. Nun sollte man
nicht außer Acht lassen, dass Bither starke Alkoholikerin war, in einem
vollkommen verwahrlosten Haus lebte und die Beziehung zwischen ihr und ihren
drei Söhnen von einer permanenten Atmosphäre der Aggression geprägt war. Ihr
Filmpendant ist weitaus angenehmer und der paranormale Befall wird eher zu
einem willkürlichen (und damit weitaus erschreckenderen) Phänomen als etwas,
dass man küchenpsychologisch auch auf ganz andere Faktoren zurückführen könnte.
Dementsprechend
gut man gut daran, Entity wie alle
Filme dieser Art einfach als Gruselmär zu sehen, denn als solche funktioniert
er zudem ausgezeichnet. Entity erschafft
eine Atmosphäre der Angst, ein beinahe permanentes Unbehagen, bei dem man sich
nie sicher sein kann, was als nächstes passieren könnte. Die Angriffe sind
unendlich bösartige Attacken und Barbara Hershey macht mit ihrer engagierten
Darbietung sowohl sie als auch Carlas Leben im ständigen Ausnahmezustand
erfahrbar. Man spürt die Angst, die Erschöpfung, aber auch den Kampfgeist, sich
nicht von dem Erlebten bis zum Äußeren vereinnahmen zu lassen. Im Kern ist Entity demnach auch ein feministischer
Film: eine vergewaltigte Frau zwingt ihre Umwelt dazu, ihre Erfahrung
anzuerkennen und lässt sich nicht mit den üblichen Plattitüden und
Beschwichtigungen abspeisen. Der Aggressor mag außerweltlicher Natur sein, die
Mechanismen, denen sich Carla nach ihrer Vergewaltigung ausgesetzt sieht, sind
nur allzu weltlich. Diesen Kampf verkörpert Hershey mit Bravour, ebenso wie sie
ohne Mühe zwischen Carlas gesellschaftlichen Rollen changiert. Es ist eine
Figur, die weitaus komplexer daherkommt als beispielsweise die
All-American-Family in Poltergeist.
Subtextlich reich
beschenkt, glaubwürdig gespielt und atmosphärisch dicht inszeniert ist Entity auch im Hinblick auf die
handwerkliche Qualität bemerkenswert. Es gibt Effekte in dem Film, die dem
Zuschauer den Mund offenstehen lassen, mehr als einmal fragt man die
altbekannte Frage „Wie haben die das bloß gemacht?“ (es ist eine rein
rhetorische Frage, bitte nicht das Staunen durch nüchterne Fakten zerstören –
ich weiß auch, dass die Antwort wahrscheinlich bemerkenswert einfacher Natur
sein würde). Entity wirkt nie billig,
weder von der Machart noch inhaltlich, obwohl sich die Prämisse auch zu einem
hemmungslosen Exploitationfilm eignen würde. Doch alle Beteiligten nehmen ihr
Sujet so ernst, dass Entity nie zur
Lachnummer verkommt. Der Film mag unbekannt, ja fast vergessen, sein – es ist
an der Zeit, Entity neu zu entdecken:
als einen der besten, durchdachtesten und spannendsten Filme seiner Zunft.
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