Montag, 20. Januar 2014

Rückkehr zum Planet der Affen (1970)




RÜCKKEHR ZUM PLANET DER AFFEN
(Beneath the Planet of the Apes)
USA 1970
Dt. Erstaufführung: 01.05.1970
Regie: Ted Post

Wer glaubt, sinnlose Sequels seien eine Erfindung der letzten Jahre, der irrt. Schon 1970 entschied man sich, eine fragwürdige Fortsetzung zum grandiosen Planet der Affen in die Kinos zu bringen. Das Ergebnis ist überdeutlich am Vorgänger orientiert, versucht, dessen Erfolg zu wiederholen und scheitert dabei.
Zur Auffrischung der Erinnerung beginnt Rückkehr zum Planet der Affen mit den letzten fünf Minuten des ersten Films: der einzige Überlebende aus dem die Jahrtausende überwundenen Raumschiff, Taylor (Charlton Heston), macht sich mit seiner Gefährtin Nova (Linda Harrison) auf in die verbotene Zone, während Dr. Zaius (Maurice Evans) die Hinweise auf die Vergangenheit in der Ausgrabungshöhle zerstören lässt. Etwa zeitgleich stürzt ein weiteres Raumschiff von der Erde in der verbotenen Zone ab. An Bord überlebt nur Brent (James Franciscus), der mit seiner Crew auf die Suche nach Taylor und seiner Mannschaft geschickt wurde und ebenfalls in den zweifelhaften Genuss des Zeitsprungs kam. Brent muss nun im Schnelldurchlauf die gleiche Odyssee wie Taylor durchmachen, der auf mysteriöse Weise in der verbotenen Zone verschwand und den Nova nun mit Brents Hilfe wiederfinden will. Vorher gibt es ein Widersehen mit den wohlgesonnenen Schimpansenwissenschaftlern Zira (Kim Hunter) und Cornelius (David Watson), während der Gorillageneral Ursus (James Gregory) einen Präventivschlag gegen die möglicherweise jenseits des Affentals lebenden Menschen plant. Der Kulturschock, den Taylors pure Existenz ausgelöst hat, sitzt noch tief. So finden sich alle Handlungsstränge in den unterirdischen Überresten von New York in der verbotenen Zone wieder, in der eine Gruppe mutierter Menschen eine Bombe mit ungeahnter Zerstörungskraft anbetet und sich zum Kampf gegen die Affen vorbereitet…

Man merkt schon, Rückkehr zum Planet der Affen ist ein inhaltliches Durcheinander. Zunächst werden die Erkenntnisse aus dem ersten Teil nochmals verinnerlicht, was keine neuen Einblicke in die äffische Gesellschaft mit sich bringt und dementsprechend schleppend daherkommt. Been there, done that. James Franciscus wurde derweil augenscheinlich nur wegen seiner enormen Ähnlichkeit mit Charlton Heston besetzt. So darf er auf dessen Spuren wandeln, was für den Zuschauer diverse Déjà-Vu-Momente mit sich bringt. Überhaupt Charlton Heston: dieser hatte im Grunde keine Lust darauf, seine Rolle zu wiederholen und bestand darauf, kaum im Film aufzutauchen. Aufgrund der geringen Laufzeit von knapp 90 Minuten ist es dann zwar eher eine Nebenrolle geworden, aber ebenfalls auf Heston geht das fatalistische Ende zurück, das weitere Fortsetzungen verhindern sollte. Für Heston ist diese Rechnung aufgegangen, für den Kinozuschauer nicht, wie sich schon sehr bald herausstellen sollte. So wirkt diese Fortsetzung mehr als einmal wie eine Suppe, an der etwas zu viele Köche mitarbeiten wollten. Vor allem die telekinetisch begabten Menschen in den Ruinen von New York wirken eher wie Überbleibsel aus einem gänzlich anderen Drehbuch als organische Bestandteile des Planet der Affen-Kosmos.

Ist Rückkehr zum Planet der Affen also ein Desaster? Seltsamerweise nicht komplett, obwohl er so viel mehr schlecht als recht durcheinander wirbelt. Die Dilemmas, mit denen sich die Affengesellschaft konfrontiert sehen, sind auch im zweiten Aufguss noch interessant, auch wenn die Satire deutlich zugunsten des Action-/Abenteueraspekts heruntergeschraubt wurde. Und die verstrahlten Menschen sind an sich weniger interessant, ihr Kult um die Bombe entbehrt aber nicht einer gewissen bösartigen Komik, auch wenn aus der Prämisse selbst herzlich wenig gemacht wird. So clever wie sein Vorgänger ist Rückkehr zum Planet der Affen nie, wohl aber auf genügsame Weise unterhaltsam. Und auch wenn man dem Film sein geringeres Budget ansieht funktioniert die Illusion dieser Parallelwelt doch auch noch bemerkenswert gut. Nicht jeder Komparse trägt das wunderbare Make-Up von John Chambers, aber diejenigen, die es tun, erschaffen auch hier Figuren jenseits des reinen Effekts.

Bei allem Potenzial, bei aller Hoffnung auf einen weiteren Erfolg ist Rückkehr zum Planet der Affen dennoch ein Schatten des Vorgängers. Innerhalb des Affen-Kanons ist er nicht der schlechteste Beitrag zur Reihe, wohl aber einer, der unter seinen repetitiven Elementen und seinem unentschlossenen Tempo leidet. Es wäre interessant zu wissen, wie das arg abrupte Ende 1970 bei den Zuschauern ankam. Wahrscheinlich würde man erfahren, dass auch cineastische WTF?-Momente keine Erfindung der Kinoneuzeit sind.



Freitag, 17. Januar 2014

The Wolf of Wall Street (2013)




THE WOLF OF WALL STREET
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 16.01.2014
Regie: Martin Scorsese

Eine kleine Geschichte aus der von mir besuchten Kinovorstellung von The Wolf of Wall Street: eine Gruppe von vielleicht sieben oder acht Personen packte ungefähr nach einer Stunde ihre Sachen zusammen und verließ das Kino, während die Gruppe junger Männer neben mir jeden Winkelzug des Films goutierte und ganz offensichtlich eine sehr gute Zeit bei Martin Scorseses dreistündigem Mammutwerk hatte. Dies scheint der bisherige Konsens zu sein – entweder man liebt The Wolf of Wall Street oder man hasst ihn. Dabei gibt es durchaus einen Mittelweg, offeriert der Film doch mindestens genauso viele abstoßende wie gelungene Elemente. Wenn man dem Film eins aber grundlegend vorwerfen muss, dann ist das seine fragwürdige Haltungslosigkeit dem Sujet gegenüber. Die Satire funktioniert schlicht nicht immer, wenn der Film der Darstellung des Exzess erliegt.

The Wolf of Wall Street erzählt die wahre Geschichte des ehrgeizigen Broker-Neulings Jordan Belfort (Leonardo DiCaprio), der an der Wall Street in der Agentur des exzentrischen Mark Hanna (Matthew McConaughey) in den 1980er seine Feuertaufe besteht, nur um Sekunden nach seinem ersten Einsatz als Aktienhändler den Untergang von Hannas Agentur am „schwarzen Montag“, dem tiefsten Fall des Dow Jones seit den 1920er Jahren, mitzuerleben. Belfort kommt danach in einer kleinen Klitsche unter, die sogenannte Pennystocks an Kleinanleger verkauft – Anteile an Garagenfirmen mit beschränktem Potenzial und anderem sinnlosen Blödsinn, der nicht an der Wall Street gelistet wird. Mit seinem einzigartigen Verkaufstalent gelingt es Belfort, den unbedarften Leuten am anderen Ende der Telefonleitung tatsächlich all die wertlosen Aktien zu verkaufen und verdient durch eine 50%ige Gewinnbeteiligung sehr gut. Dann lernt er den Kindermöbelfabrikanten Donnie Azhoff (Jonah Hill) kennen, der Belfort schon seit einiger Zeit aus der Ferne bewundert und mit ihm zusammenarbeiten will. Kurzerhand eröffnen sie ihren eigenen Pennystock-Handel, werben noch ein paar Mitarbeiter auf der Suche nach dem schnellen Geld an, und erweise sich bald als äußerst raffiniert und profitabel darin, Menschen das Geld aus den Taschen zu ziehen und sich daran zu bereichern. Belforts Agentur wächst und wächst, die Gewinne schießen in ungeahnte Millionenhöhen – und mit ihnen der Drogenkonsum, die Anzahl der Sexparties und die zwielichtigen Geschäfte. Dies ruft irgendwann auch das FBI in Form des Agenten Patrick Denham (Kyle Chandler) auf den Plan, doch Belfort fühlt sich da bereits unbesiegbar.

Der Beginn von The Wolf of Wall Street ist hervorragend, energiegeladen, bösartig-witzig und Leonardo DiCaprio spielt so unglaublich gut, dass man schon Sorge hat, dies könne er nicht den ganzen Film über durchhalten. Doch weit gefehlt, DiCaprio zeigt eine beeindruckende Bandbreite, sogar eine skurrile Slapsticknummer fehlt nicht im Repertoire. Nur sympathisch, dass wird er nie. Beziehungsweise ist dies wohl tatsächlich Ansichtssache, denn wie bereits erwähnt mangelt des Regisseur Scorsese und Drehbuchautor Terence Winter (TVs Boardwalk Empire) an eindeutiger Haltung gegenüber des realen Belforts und seinen Machenschaften. The Wolf of Wall Street erliegt etwas zu sehr der hohlen Glamourwelt, deren Verkommenheit wahrlich beachtlich ist, und damit auch dem Charisma des bad guy. Dies zeigt sich schon daran, dass der Film einen kaum übersehbaren Hang zur Wiederholung hat: das Karussell von Drogen und Sex dreht sich munter weiter auch wenn man die entsprechenden Szenen bereits ein paarmal durchexerziert hatte. Doch Scorsese und Winter können offensichtlich gar nicht genug davon bekommen, DiCaprio nochmal beim Koksen oder dem Einwerfen von sogenannten Quaaludes zu zeigen oder noch einen nackten Frauenkörper mehr in die Aufnahmen zu quetschen. Bei drei Stunden Laufzeit (die eindeutig eine Straffung hätte gebrauchen können) wird dies weitaus schneller langweilig als es die Involvierten wohl glaubten. Wohlwollend kann man hier durchaus noch eine Absicht erkennen: durch die zunehmende Tristesse des Exzess wird das menschliche Scheitern, wird der Nihilismus der Situation freigelegt. Entweder das oder Scorsese fühlte sich nicht imstande, etwas wegzulassen. Zumal der Film viel dramatisches Potenzial einfach außen vor lässt, beispielsweise die krude Lebensweise von Belfort und Donnie kaum im Spiegel ihrer Familien oder der Gesellschaft zeigt. Wenn man sich gegen Ende dann doch noch entschließt, eine äußerst gelungene Szene zwischen Belfort, seiner Frau (Margot Robbie) und ihrem Kind einzubauen, in deren Verlauf Belfort versucht, seine Tochter zu entführen, dann wirkt das wie eine zu spät kommende Erkenntnis, dass man hier mehr hätte erzählen können als die Geschichte eines amoralischen Widerlings im Dauerrausch. Wenn man sich schon drei Stunden Zeit nimmt, warum sich dann nicht auch Zeit für solche „Details“ nehmen?

Ist The Wolf of Wall Street eine Glorifizierung all dessen, was er nicht müde wird, zu zeigen? Einerseits ja, eben weil er zu keinem wirklichen Standpunkt findet, andererseits nein, weil er auf das Publikum setzt, dass die moralische Verwerflichkeit und das ultimativ grauenhaft-leere Getue schon durchschauen wird. Doch kann diese Rechnung aufgehen, wenn man Belfort nie wirklich entlarvt und sogar die integerste Figur, den Agenten Dunham, am Ende seine Entscheidung, gegen den Makler vorzugehen, still in Frage stellen lässt? Man weiß, was der Film bezweckt und es liegt auch gerade darin viel Sprengstoff, dass er den Zuschauer mit seinen eigenen Träumen von Reichtum und Hedonismus konfrontiert, aber der Schuss kann auch schnell nach hinten losgehen. Die Mischung aus Vertrauen in die Abstraktionsfähigkeit des mündigen Zuschauers bei gleichzeitigem oberflächlichen Spaß und gewisser Honorierung Belforts ist eine ambivalente, aber auch nicht immer funktionelle Mischung.

Es gibt genügend Material in The Wolf of Wall Street, dass es wert ist, bemerkt zu werden. Neben dem hervorragenden Spiel DiCaprios sind es vor allem die Dialoge, die Beachtung finden. Angefüllt mit Schimpfworten und Widerlichkeiten sind sie dennoch präzise und oftmals witzig, während der lauernde Worttausch zwischen Belfort und Denham auf einer Jacht zum heimlichen Höhepunkt des Films wird. Sequenzen wie diese sind es, die das Interesse wach halten, nicht die repetitiven Parties oder die ohnehin fragwürdige Objektivierung aller Frauenfiguren.
The Wolf of Wall Street ist wahrlich kein Meisterstück, zu sehr verheddert er sich in jenem amoralischen Bombast, den er eigentlich satirisch unterwandern will. Die grandiosen Elemente befinden sich im Dauerstreit mit den weniger funktionierenden Parts und der Film wirkt dadurch unkonzentriert.
Der Film basiert auf dem Memoiren von Jordan Belfort und vielleicht hätte ihm ein Blick über den Tellerrand gut getan. So vertröstet der Film das Gewissen des Zuschauers damit, dass Belfort dazu verurteilt wurde, Geld an die Geschädigten zurückzuzahlen. Dass er bis heute dieser Forderung nur ungenügend nachgekommen ist, verschweigt das Werk. Scorsese wirkt wie halb geblendet und das ist angesichts des Inhalts von The Wolf of Wall Street keine gute Sache. 



Mittwoch, 15. Januar 2014

Love Alien (2012)




LOVE ALIEN
Deutschland 2012
Dt. Erstaufführung: 16.05.2013
Regie: Wolfram Huke

Wolfram ist 29, als er sein Filmdebüt in Angriff nimmt. Der Student der Hochschule für Fernsehen und Film in München nimmt sich selbst auf, sein Leben, seine Begegnungen – und seine Suche nach einer Freundin. Seiner ersten. Denn Wolfram hat in seinem Leben noch nie eine Frau geküsst, Händchen gehalten, geschweige denn mit einer geschlafen. Und das liegt nicht daran, dass er eigentlich auf Männer stehen würde. Wenn dem so wäre, würde die Situation dort wohl genauso aussehen. Wolfram ist ein sogenannter „Absoluter Beginner“, ein erwachsener Mensch, der in einem Alter, in dem andere ihre ersten Kinder bekommen und mit der schmachtenden Suche nach der großen Liebe bereits durch sind, noch keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet vorweisen kann. So verfolgt man Wolfram bei seinen (halbherzigen) Versuchen, die ihm unbekannte Welt zu erschließen. Er trifft platonische Freundinnen, erhofft sich von einer Bekanntschaft aus Zagreb mehr, lässt sich von hippen Stilberaterinnen zu neuen Klamotten überreden, wandert auf dem Jakobsweg und verbringt seinen 30. Geburtstag schließlich im „Haus der Einkehr“, einem Kloster in Südösterreich.

Love Alien ist im Grunde weniger ein klassischer Dokumentarfilm denn ein filmischer Essay, dessen extreme Subjektivität Wolframs Problem, womöglich ungewollt, gut auf den Punkt bringt. Alles dreht sich um ihn, was okay ist – Love Alien ist schließlich auch sein Film. Doch er, der als Regisseur und Akteur ständig im Fokus steht, offenbart dabei auch ein Unvermögen zur kritischen Distanz sich selbst gegenüber. Sicherlich, so etwas gehört zu den schwierigsten Übungen, die man überhaupt durchführen kann, aber Wolfram Huke ergeht sich etwas zu sehr in Selbstmitleid, anstatt auf die Ratschläge zu hören, die er im Off-Kommentar verdammt. Da raten ihm Freude (von denen man im Film erschreckend wenige zu sehen bekommt), er müsse die Suche einfach aufgeben, sich selbst annehmen, ein bisschen an sich arbeiten, dann würde schon alles von selbst kommen. So sehr sich das nach Ratschlägen aus dem Abreißkalender anhört und so sehr Huke sie bezweifelt – sie wirken, sie sind wahr. Dies schreibt immerhin jemand, der vor zehn Jahren einen ganz ähnlichen Film wie Huke hätte drehen können.

Ein bisschen erinnert Love Alien paradoxerweise an den ähnlich intimen Dokumentarfilm Vergiss mein nicht, in dem Regisseur David Sieveking mit der wachsenden Demenz seiner Mutter konfrontiert wird. Anders als Huke schafft Sieveking aber den Balanceakt zwischen persönlicher Geschichte und der Einordnung in einen größeren Kontext. Sieveking betrauert weniger sich selbst und den Verlust seiner Mutter, sondern gibt ihr ihre Würde und ihre Geschichte zurück, indem er ihre Biografie und die Beziehung seiner Eltern recherchiert auf aufarbeitet und so starke Bilder gegen die ausschließlich fatalistische Betrachtungsweise der Krankheit findet. Love Alien bleibt ganz bei sich und unternimmt keinerlei Versuche, die geschilderte Einsamkeit in ein größeres Bild oder einen gesellschaftlichen Kontrast oder Kontext zu setzen, auch fehlt eine wirklich kritische oder auch nur interessante Auseinandersetzung mit dem Sujet. Auf die Frage nach dem Warum, danach, warum ein Mensch in der heutigen übersexualisierten Welt keinen Anschluss bekommt, findet Huke nur fahrige Antworten wie: „Ich bin so oft enttäuscht worden und fürchte mich.“ Die Sitzungen bei seiner resoluten Psychiaterin offenbaren sehr deutlich einige interessante Punkte, an denen man hätte nachhaken können, doch Huke lässt sie verstreichen. Stattdessen muss man mit ansehen, wie er die Beziehung zu seiner Bekanntschaft aus Zagreb mit einer einzigen SMS in den Sand setzt und sich in Marathonläufe und religiöse Erbauungsveranstaltungen flüchtet.

Dabei gibt es Momente in Love Alien, die aufhorchen lassen. Wenn Huke emotional distanzierte Familie auf den Plan tritt und seine Mutter polemische Ansichten zur heutigen Gesellschaft vom Stapel lässt, der implizit eine Mitschuld an der Beziehungslosigkeit des Sohnes gegeben wird, dann glitzert etwas in dem visuell wenig aufregenden Film auf, eine tiefere Ebene, die man gern erkundet hätte. Oder auch eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem möglichen religiösen Einfluss wäre interessant gewesen, wer gibt in einem Fragebogen eines Online-Datingportals schon als Interesse „Religion“ an? Aber Huke schafft es ja nicht einmal, die Geschichte von einer Bekanntschaft auf dem Jakobsweg zu Ende zu erzählen, obwohl sie ihm doch „Gänsehaut den Rücken hat runter laufen lassen.“

Bei aller Kritik ist Love Alien womöglich aber für andere „Absolute Beginner“ als eine Art „Schulungsfilm“ interessant: so macht man es nicht. Und Huke selbst wünscht man weiterhin viel Erfolg bei seiner Suche, denn er ist ein durchaus sympathischer Kerl, der es allerdings mit der Hygiene in seiner Wohnung etwas genauer nehmen sollte. Es ist nicht verwerfliches daran, mit 30 noch in einer Phase zu stecken, die andere mit 20 durchmachen. Verwerflich wäre es nur, sich darin allzu sehr einzunisten. Vielleicht bringt die Distanz, die Filmmaterial aufbaut, Huke persönlich etwas. Als Dokumentarfilm bringt Love Alien dem Zuschauer wenig Erkenntnis und wenig Diskussionsmaterial, allem Willen zum Exhibitionismus zum Trotz. Immerhin funktioniert er als Bebilderung der Gefühle, die einen überkommen, wenn man mehr zurück denn nach vorne blickt; alles in der Welt scheint nur darauf aus zu sein, den Beziehungslosen zu verhöhnen und ihm seine Situation unter die Nase zu reiben. Es ist schade, dass Love Alien seine Nabelschau bis zum Ende durchzieht und sich nicht auf die tieferliegenden Ebenen einlässt, die er zweifellos anreißt.



Evil Dead (2013)




EVIL DEAD
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 16.05.2013
Regie: Fede Alvarez

Wenn Evil Dead etwas schafft, dann ist es eine verstärkte Honorierung des Originals zu erreichen. Für sich genommen ist die von Sam Raimi inszenierte Vorlage Tanz der Teufel kein überragender Film, eher Amateur-Trash, der es zu Kultstatus gebracht hat, aber im Vergleich mit diesem Remake bemerkt man seine subtilen Stärken. Vor allem aber muss man schlicht den Sinn von Evil Dead in Frage stellen. Die in Tanz der Teufel gezeigten Konstellationen und Settings haben inzwischen unzählige Nachahmer gefunden, die „verlassene Hütte im Wald“-Prämisse gehört zu den am meist genutzten Setups des Horrorgenres. Und mit der wunderbaren Parodie/Erklärung Cabin in the Woods hat man eigentlich inzwischen auch alles erzählt, was es rund um diese Hütten zu erzählen gibt. Evil Dead ist ein Remake, das dementsprechend sinnlos ist, da es dem Original oder dem Gere nichts hinzufügt und lediglich die Effekte updatet. Mehr noch, in punkto Figuren ist der von Newcomer Fede Alvarez in Szene gesetzte Film sogar eher ein Rückschritt, auch wenn er sich sehr anstrengt, dem Ganzen einen eigenen Stempel aufzudrücken.

Fünf Freunde aus Kindertagen besuchen eine abgelegene Waldhütte, um dort der nach dem Tod ihrer Mutter drogenabhängig gewordenen Freundin Mia (Jane Levy) in ruhiger Atmosphäre einen kalten Entzug zu ermöglichen. Mit dabei sind Mias entfremdeter Bruder David (Shiloh Fernandez), der Nerd Eric (Lou Taylor Pucci), die angehende Krankenschwester Olivia (Jessica Lucas) und Davids Freundin Natalie (Elizabeth Blackmore). Es dauert nicht lange und Mia bekommt den Entzug zu spüren und auch innerhalb der Gruppe kommt es zu Spannungen. Da entdecken sie im Keller der Hütte die Überreste eines offensichtlich satanischen Rituals, einige tote Katzen und ein in Menschenhaut gebundenes Buch. Eric nimmt sich diesem an und als er ein paar Worte daraus laut vorliest, beschwört er dummerweise die Dämonen herauf, die im Wald leben. Sie ergreifen Besitz von Mia und machen sich daran, einen nach dem anderen der dysfunktionalen Gruppe zu töten.

Evil Dead wirkt, als habe Alvarez sich Tanz der Teufel angesehen und gesagt: „Das ist ja alles ganz gut, aber wir brauchen mehr Blut.“ Dazu sollte noch gesagt werden, dass Raimis Film in gänzlich ungeschnittener Fassung bis heute in Deutschland beschlagnahmt ist, Alvarez‘ Version aber ab 18 durchgekommen ist (auch wenn es so scheint, als wolle man diese Entscheidung rückwirkend ändern – die ungeschnittene, mit der deutschen Fassung inhaltsgleiche Blu-Ray aus Kanada ist bereits auf dem Index gelandet). Eklige, aber eindeutig als Trash erkennbare Effekte sind also schlimmer als monströs-realistisch gehaltene Verstümmelungen? In einer Zeit, in der der einst so gescholtene Das Ding aus einer anderen Welt von John Carpenter ungeschnitten ab 16 freigegeben wird, sollte man diese hanebüchene Einteilung vielleicht nochmal überdenken.
Das Plakat des Films wirbt mit dem Spruch „Der schockierendste Film, den du jemals sehen wirst“. Wer so etwas behauptet hat ein krudes Verständnis von „schockierend“. Denn Evil Dead ist alles andere als spannend, es ist vor allem eine vorhersehbare Aneinanderreihung von blutigen Effekten, die die unterschwellige Ironie des Originals nicht erreichen. Tanz der Teufel nahm sich nie wirklich ernst, Evil Dead weidet sich etwas zu sehr in seinen Möglichkeiten und wirkt eher wie ein schamloses Plagiat denn ein Remake. Schlimmer noch, ein Remake, das seine Vorlage nicht wirklich durchdrungen hat. Evil Dead hat deutlich mehr gekostet als Raimis Feuertaufe, das ist unbestreitbar, aber das Geld wurde hauptsächlich in die (immerhin praktischen) Effekte gesteckt. Wer sehr viel Gewalt und sehr viel Kunstblut sehen möchte, wer Interesse daran hat, wie es aussieht, wenn eine Zunge durch ein Teppichmesser fährt oder was mit einem Körper passiert, wenn man ihm eine laufende Kettensäge ins Gesicht rammt, der ist hier an der richtigen Adresse. Doch alles ist Selbstzweck, alles ist Show, alles dient nur zur Befriedigung der Gore-Fans. Alvarez (und, zu gewissen Teilen, Raimi) hat nicht verstanden, was einen gelungenen Horrorfilm ausmacht, vielleicht hat er auch einfach schon zu viele negative Beispiele gesehen, die er nun in Evil Dead Revue passieren lässt. Die Figuren verhalten sich bedeutend dümmer als im Original, beschwören sie ihr Schicksal doch durch eigene Gedankenlosigkeit herauf. Tanz der Teufel identifizierte die Stimme vom Band eindeutig als unüberlegten Schurken, die Protagonisten selbst waren weit weniger für ihre Misere verantwortlich als hier. Vor allem aber sind sie vollkommen farblos. Die küchenpsychologischen Ansätze, die Alvarez zur Legitimation der Charaktere neu einführt, wirken forciert, er bleibt sogar dem alten „Grundsatz“ treu, dass das einzige nicht-weiße Mitglied der Gruppe als erstes sterben muss. Nichts, wirklich nichts in diesem Film bringt das Genre irgendwie voran oder unterhält zumindest. Denn Evil Dead ist eine hohle Zurschaustellung des tricktechnisch Machbaren, ohne Empathie für die Figuren oder einem wirklichen Sinn für Bedrohung. Alvarez schraubt nur den Gewalt- und Ekelfaktor nach oben: kann man die Vergewaltigung durch Bäume (schon bei Tanz der Teufel ein ziemlich dämliches Element) noch ekliger gestalten? Wie sehr kann man die Menschen quälen, bis man sie über die Klinge springen lässt? Er findet darauf durchaus Antworten, warum sie überhaupt existieren mussten steht aber auf einem ganz anderen Blatt.

So bleibt es am Ende beim Gefühl, dass ein sinnloses Remake die eine Sache ist, ein sinnloses Remake ohne Unterhaltungsfaktor eine ganz andere. Evil Dead ist handwerklich ohne Beanstandung, büßt dadurch aber natürlich auch den handgemachten Charme ein, den Raimi 1981 noch verbreiten konnte. Dass er aber keinerlei Entsprechung zum Kulthelden Ash (Bruce Campbell, der nach dem Abspann einen sekundenlanges, völlig kontextfreies Cameo hat) findet, die Charaktere an die üblichen, dämlichen Verdächtigen des Genres anlehnt und viel mehr an der Ausstellung von Gewalt denn an der Generierung einer spannenden Atmosphäre interessiert ist, sind eindeutig Alvarez‘ Fehler. Und so nerven irgendwann auch die als Hommage an das Vorbild gedachten Details: Ja, das letzte Bild im Buch ist an das Poster von Tanz der Teufel angelehnt, wir haben es verstanden. Das ist ungefähr so subtil wie das prominent im Keller hängende Plakat von The Hills Have Eyes im Original. Evil Dead ist weder als Remake noch als eigenständiger Film von Interesse.