DIE KOMMUNE
(Kollektivit)
Dänemark/Schweden/Niederlande
2016
Dt.
Erstaufführung: 21.04.2016
Regie: Thomas
Vinterberg
ACHTUNG! In
folgender Besprechung werden ein paar „plot points“ verraten bzw. angedeutet.
Erstaunlich, dass
dieser Film vom gleichen Regisseur wie der hervorragende Die Jagd stammt. Was sich auf dem Papier interessant liest, wird in
Thomas Vinterbergs Film zu einem inkohärenten Ganzen, in dem vor allem die
mitunter furchtbar geschriebenen Figuren sauer aufstoßen.
Um ein geerbtes, über alle Maßen
großzügiges Haus halten zu können beschließt eine Kleinfamilie aus Dänemark
Ende der 1960er Jahre, sich zahlende Mitbewohner in selbiges zu holen – sie
gründen eine Kommune. Zunächst sind Vater Erik (Ulrich Thomsen), Mutter Anna
(Tine Dyrholm) und die vierzehnjährige Tochter Freja (Martha Sofie Wallstrøm
Hansen) noch sehr glücklich mit ihrer Entscheidung, unter anderem mit langjährigen
Familienfreunden unter einem Dach zu wohnen. Nach und nach stoßen im
gemeinsamen Zusammenleben jedoch Idealbild und Realität aufeinander.
Vor allem der
Familienvater, der zunächst noch gegen die Kommune ist, sich dann aber eine
junge Studentin anlacht und das Prinzip der freien Liebe den Anderen de facto
aufoktroyiert, ist wirr. Wutausbrüche kommen unmotiviert aus dem Nichts, seine
Liebschaft ebenfalls, die Argumentationsweise der Figur und sein Auftreten
lassen jegliches rationales Maß vermissen. Wenn dies irgendwie im Charakter
begründet läge, wäre dies eine Sache, aber --- leidet wie der gesamte Film
unter einem anorganischen Fluss. Genuin fühlt sich hier nichts an, vielmehr hat
man das Gefühl, Vinterberg und sein Ko-Drehbuchautor Tobias Lindholm würden mit
einer Checkliste neben ihrem Film sitzen und einen Pflichtpunkt nach dem
Anderen abhaken. Montage vom Finden der Kommune? Check. Erster Eindruck einer
tollen Zeit? Check. Erste kleinere Probleme, die in ihrer plakativen Gestaltung
später im größeren Rahmen wieder auftauchen? Check. Die Kommune fühlt sich dank dieser „Malen nach Zahlen“-Dramaturgie
nur in wenigen Sequenzen natürlich an (eine positive Ausnahme ist der
Zusammenbruch des kleinen Jungen an Weihnachten, der dank der Inszenierung, die
in diesem Moment an Vinterbergs beste Arbeiten erinnert, tatsächlich
funktioniert).
Die Figuren sind
denn auch größtenteils das, was man im internationalen Programmkino so als
„quirky“ und „edgy“ ansieht. Die weitestgehend stumme Tochter, die einen
unbekannten Jungen verführt (schön übrigens auch die Reaktion des männlichen
Gegenübers. Nach dem Namen oder der Motivation fragen? Warum, es gibt ja Sex …)
und so wohl als Abziehbild für jugendliche Rebellion gelesen werden will, der
frühreife Junge, der allen erzählt, dass er mit Neun sterben wird (und dann an
gebrochenem Herz geradezu eingeht – oh, the Smacht), der eine Mitbewohner, der
gern das Eigentum anderer Leuten verbrennt, der andere Mitbewohner, der ständig
weinen muss – das Figurenpanoptikum definiert sich entweder aus einer einzigen
Eigenschaft heraus oder gar nicht. Einige Kommunenmitglieder laufen Gefahr,
schon vergessen zu werden, während der sich ziehende Film noch läuft.
Einzig Anna, die als Initiatorin der Kommune irgendwann mit den Entwicklungen hadert und an der psychischen Belastung zu zerbrechen droht, wäre von größerem Interesse, wenn ihre Geschichte nicht der faden Charakterisierung und der beliebigen Regie bei allen anderen gegenüberstehen würde, sie also gegen eine Wand aus Script agiert. Trine Dyrholm spielt denn auch mit sehr viel mehr Einsatz als es Die Kommune verdient hat.
Die Themen liegen
ja quasi auf der Hand: die (Un-)Möglichkeiten alternativer Lebensentwürfe,
wirkliche zwischenmenschliche Verwicklungen – Die Kommune sollte eigentlich ein soziologischer Leckerbissen von
Film sein. Doch weder die Figuren noch der Regisseur interessieren sich
wirklich für die gesamte Bandbreite der Prämisse, warum sollte es also das
Publikum tun. Die Kommune hinterfragt
so gut wie nichts, weiß nicht, wohin er eigentlich will, seine Leerstellen
bleiben genau dies. Dieser Film gibt nur vor, zu atmen, zu leben und zu denken.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen