Dienstag, 3. November 2015

Der Junge und sein Hund (1975)




DER JUNGE UND SEIN HUND
(A Boy and his Dog)
USA 1975
Dt. Erstaufführung: 1984 (Videopremiere)
Regie: L.Q. Jones

Es gibt Filme, von denen man weiß, dass sie länger bei einem verharren werden als sie es eigentlich verdient hätten. Die 70er-Jahre-Obskurität Der Junge und sein Hund ist so ein Fall. Basierend auf der (nach allen Berichten sehr viel besseren) gleichnamigen Kurzgeschichte von Harlan Ellison, die in der Folge Fortsetzungen und Comicadaptionen erfahren sollte, steckt hier, wie so oft, mehr Potenzial in der Prämisse als der fertige Film imstande ist zu realisieren. Zumal ein nicht unerheblicher Faktor für ein Drittel des Films schlicht ausgeblendet wird – der nichtmenschliche Part des Titels. Viele weitere Probleme plagen Der Junge und sein Hund, der auch unter Titeln wie In der Gewalt der Unterirdischen (ein kleiner Seitenhieb des deutschen Verleihs?) und Apokalypse 2024 – A Boy and his Dog (DVD-Titel) bekannt und vertrieben wird, allen voran einen nicht von der Hand zu weisenden Misogynie und eine völlig zerfahrende Inszenierung. Es sind eher einzelne Ideen, die das Interesse wecken und das Ende, das eine überraschende Bösartigkeit an den Tag legt und gerade deshalb eben länger beim Zuschauer bleiben wird, als es dem Gesamtwerk zugestanden hätte.

Es ist die Post-Apokalypse in einer alternativen Zeitlinie, in der die Kubakrise nie stattfand und im kalten Krieg sehr viel Zeit auf die Kreation von nicht-menschlicher biologischer Intelligenz verwendet wurde. Nach verheerenden Atombombenwürfen sind die Städte der Welt begraben, das Land karg und leer und marodierende Horden ziehen herum. Es ist auch die Welt von Vic (Don Johnson) und Blood (Stimme von Tim McIntire), dem Hund, der in der Lage ist, mit Vic telepathisch zu kommunizieren. Es ist nicht nur deutlich, wer bei diesem Duo der Intelligentere ist, sondern auch, wie krude ihre Symbiose ist: Blood braucht Vic zur Nahrungsbeschaffung, weil er mit Zunahme seiner geistigen Fähigkeiten seinen Jagdinstinkt eingebüßt hat und Vic braucht Blood zur Aufspürung von Frauen – die Vic dann vergewaltigen kann. Denn neben Nahrungsaufnahme ist die Befriedigung seiner sexuellen Gelüste das Einzige, was Vic antreibt. Da kommt es ihm gerade recht, dass er durch eine junge Frau, die ihm auf irgendwelchen Gründen zugetan ist, in eine unterirdisch lebende Gesellschaft gerät, in der er als Samenspender eine neue Generation zeugen soll – doch wie alles in der Endzeit hat auch dieser Umstand einen Haken …

Der Junge und sein Hund ist seltsam, wie aus einer Fieberphantasie entsprungen. Es gelingt ihm, seine Basis, die Beziehung zwischen Blood und Vic, gut zu verkaufen, nur um dann immer wieder auf die furchtbaren Implikationen zurückzukommen. Sex scheint in dieser Welt nicht zu existieren, es gibt nur Vergewaltigung und uralte Pornos, die aus unerfindlichen Gründen auf Filmrollen überlebt und gelegentlich öffentlich vorgeführt werden. Zwischenmenschliches ist in eine so groteske Schieflage geraten, dass der Film gar keinen Anlass dazu sieht, Vic einen weiblichen Gegenpart entgegenzustellen. Quilla June (Susanne Benton) ist eine berechnende Opportunistin, wie der Rest der Figuren unsympathisch und kühl. Wohlwollend mag man noch darin eine kollektive posttraumatische Belastungsstörung erkennen, schließlich ist der Untergang der Zivilisation noch gar nicht lange her, aber damit würde man Der Junge und sein Hund zu einfach davonkommen lassen. In seinem Herzen ist es eine pervertierte Parodie, die nicht genügend Schlagkraft besitzt. Sicher, die unterirdische Gesellschaft ist ein überzeichnetes Bild der US-amerikanischen Mittelschicht und die Oberwelt dementsprechend ein Zerrbild einer White-Trash-Gesellschaft, aber beides ist so fahrig, mitunter willkürlich, und ohne weitergehende Gedanken inszeniert, dass die satirische Wirkung weitestgehend ausbleibt. Dass der Film es bei weniger als 90 Minuten Spielzeit zudem schafft, streckenweise quälend langatmig zu werden, hilft dem Ganzen auch nicht weiter.

So bleibt der Film vor allem wegen seine Details, die die Funktionsweise dieser Welt wie beiläufig erklären (Blood nötigt Vic dazu, etwas über die Geschichte zu lernen und informiert so nebenbei über die alternative Zeitlinie in dieser Welt), und dem Ende in Erinnerung – auch wenn es unendlich chauvinistisch daherkommt. Der Junge und sein Hund ist kein angenehmer Film und das nicht auf eine Art, wie eine Endzeitmär wie beispielsweise The Road unangenehm zu sein hat, sondern auf eine Weise, die den in diesem Fall misogynen Kern offen legt. Irgendwie möchte man den Film wegen seiner Obskurität und dem Subtext, der einige Gedanken zum Wesen der nicht-menschlichen Intelligenz zulässt, mögen – aber aus den genannten Gründen macht er es dem Zuschauer schwerer, als es sein müsste.




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