DER JUNGE UND SEIN HUND
(A
Boy and his Dog)
USA 1975
Dt.
Erstaufführung: 1984 (Videopremiere)
Regie: L.Q. Jones
Es gibt Filme,
von denen man weiß, dass sie länger bei einem verharren werden als sie es
eigentlich verdient hätten. Die 70er-Jahre-Obskurität Der Junge und sein Hund ist so ein Fall. Basierend auf der (nach
allen Berichten sehr viel besseren) gleichnamigen Kurzgeschichte von Harlan
Ellison, die in der Folge Fortsetzungen und Comicadaptionen erfahren sollte,
steckt hier, wie so oft, mehr Potenzial in der Prämisse als der fertige Film
imstande ist zu realisieren. Zumal ein nicht unerheblicher Faktor für ein Drittel
des Films schlicht ausgeblendet wird – der nichtmenschliche Part des Titels.
Viele weitere Probleme plagen Der Junge und
sein Hund, der auch unter Titeln wie In
der Gewalt der Unterirdischen (ein kleiner Seitenhieb des deutschen
Verleihs?) und Apokalypse 2024 – A Boy
and his Dog (DVD-Titel) bekannt und vertrieben wird, allen voran einen
nicht von der Hand zu weisenden Misogynie und eine völlig zerfahrende
Inszenierung. Es sind eher einzelne Ideen, die das Interesse wecken und das
Ende, das eine überraschende Bösartigkeit an den Tag legt und gerade deshalb
eben länger beim Zuschauer bleiben wird, als es dem Gesamtwerk zugestanden
hätte.
Es ist die
Post-Apokalypse in einer alternativen Zeitlinie, in der die Kubakrise nie
stattfand und im kalten Krieg sehr viel Zeit auf die Kreation von
nicht-menschlicher biologischer Intelligenz verwendet wurde. Nach verheerenden
Atombombenwürfen sind die Städte der Welt begraben, das Land karg und leer und
marodierende Horden ziehen herum. Es ist auch die Welt von Vic (Don Johnson)
und Blood (Stimme von Tim McIntire), dem Hund, der in der Lage ist, mit Vic
telepathisch zu kommunizieren. Es ist nicht nur deutlich, wer bei diesem Duo
der Intelligentere ist, sondern auch, wie krude ihre Symbiose ist: Blood
braucht Vic zur Nahrungsbeschaffung, weil er mit Zunahme seiner geistigen
Fähigkeiten seinen Jagdinstinkt eingebüßt hat und Vic braucht Blood zur
Aufspürung von Frauen – die Vic dann vergewaltigen kann. Denn neben
Nahrungsaufnahme ist die Befriedigung seiner sexuellen Gelüste das Einzige, was
Vic antreibt. Da kommt es ihm gerade recht, dass er durch eine junge Frau, die
ihm auf irgendwelchen Gründen zugetan ist, in eine unterirdisch lebende
Gesellschaft gerät, in der er als Samenspender eine neue Generation zeugen soll
– doch wie alles in der Endzeit hat auch dieser Umstand einen Haken …
Der Junge und sein Hund ist seltsam, wie
aus einer Fieberphantasie entsprungen. Es gelingt ihm, seine Basis, die
Beziehung zwischen Blood und Vic, gut zu verkaufen, nur um dann immer wieder
auf die furchtbaren Implikationen zurückzukommen. Sex scheint in dieser Welt
nicht zu existieren, es gibt nur Vergewaltigung und uralte Pornos, die aus
unerfindlichen Gründen auf Filmrollen überlebt und gelegentlich öffentlich
vorgeführt werden. Zwischenmenschliches ist in eine so groteske Schieflage
geraten, dass der Film gar keinen Anlass dazu sieht, Vic einen weiblichen
Gegenpart entgegenzustellen. Quilla June (Susanne Benton) ist eine berechnende
Opportunistin, wie der Rest der Figuren unsympathisch und kühl. Wohlwollend mag
man noch darin eine kollektive posttraumatische Belastungsstörung erkennen,
schließlich ist der Untergang der Zivilisation noch gar nicht lange her, aber
damit würde man Der Junge und sein Hund
zu einfach davonkommen lassen. In seinem Herzen ist es eine pervertierte
Parodie, die nicht genügend Schlagkraft besitzt. Sicher, die unterirdische
Gesellschaft ist ein überzeichnetes Bild der US-amerikanischen Mittelschicht
und die Oberwelt dementsprechend ein Zerrbild einer White-Trash-Gesellschaft,
aber beides ist so fahrig, mitunter willkürlich, und ohne weitergehende
Gedanken inszeniert, dass die satirische Wirkung weitestgehend ausbleibt. Dass
der Film es bei weniger als 90 Minuten Spielzeit zudem schafft, streckenweise
quälend langatmig zu werden, hilft dem Ganzen auch nicht weiter.
So bleibt der
Film vor allem wegen seine Details, die die Funktionsweise dieser Welt wie
beiläufig erklären (Blood nötigt Vic dazu, etwas über die Geschichte zu lernen
und informiert so nebenbei über die alternative Zeitlinie in dieser Welt), und
dem Ende in Erinnerung – auch wenn es unendlich chauvinistisch daherkommt. Der Junge und sein Hund ist kein
angenehmer Film und das nicht auf eine Art, wie eine Endzeitmär wie
beispielsweise The Road unangenehm zu
sein hat, sondern auf eine Weise, die den in diesem Fall misogynen Kern offen
legt. Irgendwie möchte man den Film wegen seiner Obskurität und dem Subtext,
der einige Gedanken zum Wesen der nicht-menschlichen Intelligenz zulässt, mögen
– aber aus den genannten Gründen macht er es dem Zuschauer schwerer, als es
sein müsste.
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