HARTE SCHULE
(Bully)
USA 2011
Dt. Erstaufführung: 15.02.2013 (DVD-Premiere)
Regie: Lee Hirsch
(Bully)
USA 2011
Dt. Erstaufführung: 15.02.2013 (DVD-Premiere)
Regie: Lee Hirsch
Dokumentationen haben einen schweren
Stand. Mit Ausnahme von großangekündigten Naturfilmen, wie dem fürs Kinos
aufbereiteten TV-Serien-Zusammenschnitt Unsere
Erde oder die durch Disney gepushten Produktionen wie Schimpansen laufen
Dokus oftmals unter dem Radar. Sie finden selten den Weg in die Multiplexe und
gehen selbst in den Kunstkinos unter. Oder sie werden gleich auf den kaum zu
überschauenden DVD-Markt geworfen. So erging es auch der preisgekrönten Doku Bully über Mobbing an US-Schulen, die
mit einem schrecklichen Cover und unter dem noch schrecklicheren Titel Harte Schule nach knapp zwei Jahren auch
den Weg nach Deutschland fand.
Harte Schule
erzählt vom alltäglichen Phänomen des Mobbings (engl. bullying) an US-Schulen.
Der Zuschauer macht Bekanntschaft mit den Teenagern Alex Libby, der aufgrund
seines Aussehens und seiner sozialen Inkompetenz gemobbt wird und mir Kelby
Johnson, deren Homosexualität zum „Problem“ wird. Und man bekommt den Fall von
Ja’Meya Jackson geschildert, die den heimlichen Rachetraum eines jeden
Gemobbten auslebte und die Waffe ihrer Mutter zur Einschüchterung gegen ihre
Peiniger zog. Kein Schuss fiel, niemand wurde verletzt und trotzdem drohen Ja’Meya
mehrere Hundert Jahre im Gefägnis… Zwei Mobbingopfer werden posthum vorgesellt.
Ein Junge hat sich erschossen, ein zweiter erhängt, weil die mit den täglichen
Schikanen nicht mehr leben konnten und wollten.
Es dürfte niemanden verwundern, dass der Autor dieser Zeilen
selbst zum Opfer von Mobbing in seiner Schulzeit wurde, schließlich ist er ein
Nerd, der Filmkritiken schreibt… Die teilweise extremen Formen physischer und
psychischer Gewalt habe ich zwar nicht kennengelernt, aber Harte Schule hat vollkommen recht mit der Aussage, dass letztere
Form nicht nur die schwerer für Außenstehende nachvollziehbare Form von Gewalt darstellt,
sondern auch die tiefergehende. Der Leidensdruck, unter den die portraitierten
Teenager stehen und standen, wird manchmal geradezu körperlich spürbar, auch
wenn der Film als solcher stets eine dokumentarische Distanz übt, Texteinblendungen
nur zur Information nutzt. Regisseur Lee Hirsch muss nicht auch noch seine
eigene Meinung explizit kundtun, die teilweisen Ungeheuerlichkeiten sprechen
für sich. So wird man Zeuge einer forcierten Entschuldigung zwischen Täter und
Opfer, nach der das Opfer von der Lehrkraft ermahnt wird und der Täter ob
seiner angeblichen Gutherzigkeit für sie in einem deutlich positiveren Licht
erscheint. Oder der Polizist, der Ja’Meyas Verhalten mit nichts entschuldigen
kann. Auch wenn das Ziehen einer Waffe sicherlich der Falsche Weg ist – wäre es
nicht besser, nach den Ursachen zu fragen, anstatt die Gemobbte erneut zum
Opfer zu machen? Die Erwachsenen auf der „ausführenden“ Seite, sprich Lehrer
und andere Autoritäten, sind fast durchweg erschreckend ahnungslos darüber, was
in der Welt der Kinder vor sich geht. Und vor handfesten Beweisen oder
Berichten verschließen sie die Augen. Kids
will be kids, dieser Satz erhält in Harte
Schule eine ungeahnt bösartige Konnotation.
Letztlich ist der Film etwas zu viel Beobachtung und zu
wenig Lösungsansatz. Eine Dokumentation kann natürlich nicht das Übel aus der
Welt schaffen, aber sie kann mehr tun als Angst und Hilflosigkeit abzubilden. Ein
Jugendlicher berichtet beispielsweise davon, dass er selbst den Teufelskreis
des Mobbings durchbrochen hat. Wie, diese Antwort bleibt der Film einfach
schuldig. Stattdessen wird der Junge danach spielend mit einem Hund gezeigt.
Wenige Sätze mehr hätten die Situation viel erhellender gemacht, aber Hirsch
scheint daran weniger Interesse zu haben. Auch die von Eltern ins Leben gerufene
Aktionen gegen Mobbing werden nur im Hinblick auf die Aktion, nicht aber die
Reaktion gezeigt. Für jeden Gemobbten, der sich vom Film zumindest ein klein
wenig Hilfe erhofft, die über die „Es-geht-anderen-wie-mir“-Erkenntnis
hinausgeht, für den hält Harte Schule
wenig Material bereit. Ohne positive Signale wird man zwar nicht gelassen (vor
allem Kelbys Geschichte sorgt für einige Sequenzen von geradezu poetischer
Lebensfreude), aber manchmal ist er mehr Aufklärungsfilm für Erwachsene als
alles andere.
Unterm Strich ist Lee Hirschs Film ein interessantes
Dokument über die alltägliche Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, die aus
welchen Gründen auch immer zu Außenseitern gestempelt werden. Die Aussagen
mancher Erwachsener sind erschreckend, ebenso die Erlebnisse der Protagonisten.
Und dass Mobbing einige in den Tod treibt, ist herzzerreißend. Als Film
knirscht es an manchen Stellen, als Dokument ist Harte Schule durchaus der ein oder andere Blick wert. Schon allein
aufgrund des brisanten, aber seltsam unter dem Radar verlaufenden Themas hat es
der Film nicht verdient, unerkannt auf DVD in den hinteren Regalen zu
versauern.
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