SCHULD SIND IMMER DIE ANDEREN
Deutschland 2012
Dt. Kinostart: 28.02.2013
Regie: Lars-Gunnar Lotz
Deutschland 2012
Dt. Kinostart: 28.02.2013
Regie: Lars-Gunnar Lotz
Der Jugendliche Benjamin Graf (Edin Hasanovic) ist wahrlich
kein Sympath. Zu seinem Repertoire gehören hauptsächlich Überfälle und schwere
Körperverletzungen. So hat er nicht nur einer Serviererin, die ihm nichts mehr
ausschenken sollte, den Kiefer gebrochen, sondern auch eine Frau brutal
zusammengetreten, nachdem er sie zur Herausgabe von 500 € genötigt hat. Doch
schließlich kommt auch Bens kriminelle Karriere zum Erliegen und er findet sich
im Gefängnis wieder.
Der Sozialarbeiter Niklas (Marc Benjamin Puch) bietet ihm den
Aufenthalt in einem Rehabilitationszentrum an und Ben nimmt widerwillig, hält
er dies doch für „schwul“ und „Opferkacke“, an. Im idyllischen Waldhaus gelten strenge Regeln der
gegenseitigen Kontrolle und vor allem Bens Zimmergenosse Tobi (Pit Bukowski)
achtet akribisch auf deren Einhaltung.
Nach einer Phase der Eingewöhnung macht sich Ben allerdings recht gut und fügt sich in die Schicksalsgemeinschaft ein. Doch dann erscheint Niklas‘ Frau Eva (Julia Brendler) nach längerer Arbeitspause wieder und Ben erkennt die Frau, die er einst zusammengetreten hat, wieder…
Das Kinodebüt des Regisseurs Lars-Gunnar Lotz ist ein
kleiner Glücksfall, was die Enttäuschung einer berechtigten Erwartungshaltung
betrifft. Denn wie schnell hätte aus der Prämisse ein moralinsaurer Cocktail
für das ARD-Abendprogramm werden können?! Schuld
sind immer die Anderen schafft es erstaunlich souverän, die gefährlichsten
Klippen zu umschiffen, um die das Drehbuch manövriert, was vor allem den
hervorragenden Darstellern zu verdanken ist.
Hasanovics Benjamin ist eine wahre Naturgewalt, man spürt den Hass und die Anspannung unter seiner Oberfläche und gerade zu Beginn des Films ist man sich nie ganz sicher, was der Charakter als nächstes tun wird. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist es bemerkenswert, wie gut Hasanovic den Wandel seiner Figur verkörpert, obwohl das Drehbuch gerade hier einen Schlenker macht und einen Zeitsprung einbaut, der zuviel Zeit unkommentiert überspringt. Innerhalb eines Szenenwechsels hat sich Ben eingelebt und der zweite Teil des Films beginnt. Es ist dem Nachwuchsschauspieler anzurechnen, dass dieser Wechsel zwar nicht unbemerkt, so aber relativ glimpflich vonstatten geht. Auch gelingt es Hasanovic und Julia Brendler als Eva eine durchaus stimmige Chemie zu entwickeln. Das psychische Katz-und-Maus-Spiel, das sich die beiden liefern, ist schlicht brillant, eine fast stumme Autofahrt der beiden entlang der Stätten des Überfalls ist der in allen filmischen Belangen Höhepunkt des Films. Dabei ist Schuld sind immer die Anderen kein Film der übertriebenen Gesten. Alles geht subtil und nach Möglichkeit in realistischen Bahnen vonstatten, auch wenn Lotz manchmal vom suspension of disbelief Gebrauch macht. Die Frage, ob sich Ben und Eva auch in der Realität unter solchen Umständen wieder sehen könnten, ist aber letztlich müßig, wenn nicht gar vollkommen überflüssig.
Das naturalistische Spiel kann allerdings nicht über einige
Mängel hinwegtäuschen. Auch wenn der Film inhaltlich weit über einem
durchschnittlichen TV-Film steht, optisch ist dies nicht der Fall. In punkto
Bildgestaltung geht Schuld sind immer die
Anderen keinerlei Wagnis ein, der Film sieht nicht nach großem Kino aus. Ein
weiterer Pluspunkt für die Darsteller, da ihr Spiel so interessant ist, dass es
die Eintönigkeit der Bilder vergessen macht. Wohingegen die Schauspieler nicht
anspielen können sind Drehbuchleichen wie die Beziehung von Ben zu einer
Praktikantin im Waldhaus, Mariana (Natalia Christina
Rudziewicz), die nirgendwo hinführt und ohne Probleme aus dem
Drehbuch gestrichen hätte werden können. Sie fungiert nicht glaubwürdig als
weiterer Schritt zu Bens Resozialisierung, es kommt im Gegenteil der Verdacht
auf, als wolle man dem Antagonisten des Antagonisten, dem unheimlichen Tobi,
einen Vorwand geben, Ben zu hassen, auch wenn der Film bereits ohne die
Einführung der Praktikantin keinen Zweifel an der aufgeladenen Stimmung
zwischen den Beiden lässt. Mariana ist nur ein Vehikel, keine Figur. Sie baut
ein unstimmiges „Liebes“-Dreieck auf, dass den Film mehr irritiert als das es
ihm nützt.
Schuld
sind immer die Anderen schafft in seinen besten Momenten das
gleiche Kunststück wie Dead ManWalking –
Sein letzter Gang, indem er uns mit einer von grundauf unsympathischen
Figur menschlich mitfühlen lässt. Ben wächst dem Zuschauer ein Stück weit ans
Herz, auch ohne dessen Zutun, ob er/sie es will oder nicht. Vor allem wertet
Lotz nicht, er lässt keine der Figuren zu einer Katharsis kommen, es gibt keine
groß inszenierte Konfrontation, die wie ein reinigendes Gewitter alles am Ende
aus der Welt schafft. Bens Vergehen ist zu groß, als dass der Film am Ende alle
Figuren nicht in der Schwebe halten könnte. Schuld
sind immer die Anderen lässt den Zuschauer mit genug Gesprächsstoff und
Gedankenanstößen zurück, so dass man auch die manchmal etwas holprige
Inszenierung verschmerzen kann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen